Beim Frühstück wälze ich unschlüssig meinen
Reiseführer. Wo soll ich nur zuerst hinfahren? Nach Norden oder
nach Süden? Ich treffe die Entscheidung erst, als ich im Auto
sitze: Süden. Denn dort sind die Gegenden mit vulkanischer
Aktivität: Geysiere, heiße Quellen und so weiter; so etwas
fasziniert mich schon immer. Nach einigen Kilometern gilt es
allerdings erneut eine Entscheidung zu treffen: Direkt nach Süden
oder erst nach Osten, die Coromandel-Halbinsel rumfahren? Sieht auf der
Karte gar nicht so weit aus, also erst nach Osten. Ich habe mich
diesmal des Maßstabs vergewissert, nicht, dass es mir wieder so
geht wie in Australien.
Das Gras ist unglaublich grün hier in Neuseeland, das muss man
schon sagen . Ich fürchte, die Kamera bringt das gar nicht so
richtig rüber, weil sie das irgendwie zu einem Standard-Grün
korrigiert. Auf und ab geht es durch wunderschöne, grasbewachsene
Hügel, auf manchen grasen Schafe, auf anderen Rinder. Ich
weiß zwar nicht genau, wo der Herr der Ringe gedreht wurde, aber
diese Gegend hier würde ein prima Auenland abgeben, sie ist
jedenfalls nahe dran.
Als die Kreuzung der Entscheidung kommt, wähle ich die
Coromandel-Halbinsel; sieht mir nach einem nicht allzu großen
Umweg aus. Und wieder einmal habe ich mich getäuscht. Zwar sind
die Entfernungen gar nicht so groß, aber anders in Australien,
wo man so gut wie immer mit 100 km/h langweilig geradeaus
fährt, ist dies hier eine - wunderschöne -
Küstenstraße, die sich mal direkt am Wasser
langschlängelt , dann wieder in
Serpentinen irgendeinen Berg hoch und wieder runterführt und
alles in allem eine wunderbare Aussicht bietet. Wesentlich spannender
zu fahren als in Australien - ich glaube, hier wird mir nie langweilig
werden -, aber man kommt halt auch viel langsamer voran; im Schnitt
vielleicht wenns hochkommt mit 50.
In meinem schlauen Reiseführer stand ein Nebensatz, dass in
Waiomu ein Wanderweg durchs Tal führe, auf dem mit seltenen
Vogelarten zu rechnen ist. Da es noch früh am Tage ist, halte ich
dort an und suche diesen Weg. Total verlassene Gegend; ich bin mir
nicht so richtig sicher, wie weit man diese Straße fahren darf.
An einer Art Parkplatz steht ein total schlammverschmiertes Schild das
erkennbar ein Symbol für Wanderweg enthält und ansonsten
unlesbar ist. Also stelle ich das Auto hier ab und laufe los. Es sieht
so aus, als hätte man wohl noch einen Kilometer weiter fahren
können, aber egal. An einer Stelle läuft der Fluss mitten
über die Straße . Das Wasser ist aber sehr
flach - denke ich zuerst und stapfe munter los, um dann doch
mächtig nasse Füße zu kriegen, als es auf dem letzten
Meter doch etwas tiefer ist.
Schließlich komme ich an einem Schild an, das den weiteren
Weg beschreibt und unter anderem darauf hinweist, dass er einige
"unbridged river crossings" enthalte. Als ich ein Vietelstündchen
später an einer solchen akomme, gebe ich auf . Nicht, dass der
Fluss hier unüberwindlich gewesen wäre, aber die Steine,
über die man hüpfen müsste, sind doch teilweise recht
weit auseinander, und ich habe Angst um meine Kamera. Außerdem
sagt mir ein Blick auf die Uhr, dass ich doch mal schauen sollte, dass
ich weiterkomme.
Die Coromandel-Halbinsel ist wirklich eine sagenhafte Landschaft,
man möchte alle 50 Meter anhalten und ein Foto machen . Ganz so oft bietet die
Straße allerdings keinen Platz zum Anhalten.
Als ich in der Stadt Coromandel ankomme, ist es schon nach 16 Uhr.
So viel zu dem Plan, noch einige zig Kilometer weiter nach Norden zu
fahren, davon die halbe Strecke über eine unbefestigte
Straße, um dann an einen Wanderweg zu kommen, wo man noch ein
paar Stunden wandern gehen könnte. Ich erkundige mich an der
Touristen-Info , was man hier so alles unternehmen kann, und werde von
der freundlichen Dame geradezu überschüttet mit Prospekten
und Karten. Aber es sieht so aus, als hätte es keinen Sinn, noch
irgendwohin weiterzufahren, also quartiere ich mich in dem Motel
direkt hinter der Touristen-Info ein.
Das Motel ist eigentlich eine Kategorie schöner, als ich es
brauche, aber ach, was solls. Wunderschönes Zimmer mit allem, was
das Herz begehren könnte, unter anderem einer vollständigen
Küche, die ich natürlich nicht brauche. Ich nehme aber zur
Kenntnis, dass es hier zusätzlich zu dem Instant-Kaffee, der in
allen Motels zum Standard zu gehören scheint, auch richtiges
Kaffeepulver gibt. Das ist ja nett, da kann ich mir morgen also mal
einen richtigen Kaffee kochen.
Vor Sonnenuntergang bleibt noch Zeit, einen der kurzen Wanderwege
entlangzugehen, den mir die Dame an der Touristen-Info empfohlen hat.
Er bietet auf der einen Seite einen schönen Ausblick auf die
Bucht und auf der anderen sieht
man das Städchen Coromandel .
Zum Abendessen empfiehlt mir die Landlady ein Restaurant namens
Umu, das ich ohne die Empfehlung nicht betreten hätte, da es von
der Einrichtung her etwas kühl wirkt und keine Tischdecken hat.
Innendrin werde ich zu meiner Überraschung aber zunächst
abgewiesen - alle Tische sind reserviert. Nach einiger Überlegung
meint die Bedienung aber, wie lange ich denn bräuchte; ein Tisch
wird erst in einer Stunde gebraucht. Das reicht mir, ich wollte ja
hier kein Viergängemenü essen. Der Service ist sehr
aufmerksam und das Essen ein Gedicht, ich bin begeistert! Mit so guter
Küche hatte ich hier "in der Wildnis" nicht gerechnet.
Lammfilets, super zart, mit einer süßsauren Sauce, wie ich
sie noch nie geschmeckt habe; da könnt ich mich reinlegen, den
Geschmack zu beschreiben, fällt mir indes schwer. Und auch der
Beilagensalat ist kreativer, als man es von 08/15-Restaurants gewohnt
ist; einen Teil der Säure und zusätzlich Süße
steuern dem Dressing zum Beispiel Orangen-
(Graprefruit-?)Stückchen bei.
Den Abend verbringe ich zur Abwechslung mal wieder mit
Tagebuchschreiben und Fernsehen; endlich bin ich wieder in einer
Kleinstadt, wo es sonst nichts zu tun gibt.
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