18.06., Berge und heiße Quellen in Hakone

Eigentlich wollte ich heute nach Nikko fahren, ein laut allen Reiseführern und auch Hiko sehr sehenswerter Ort 130 km nördlich von Tokyo. Ich bin zwar vor 9 aufgestanden und fühle mich sehr fit, verbringe aber so viel Zeit mit der Recherche, wie ich da hinkommen könnte, dass ich zu dem Schluss komme, dass es sich nicht mehr lohnt. Wenn ich super schnell mache, kann ich allerfrühestens um 14 Uhr dort sein, und um 18 Uhr wird es schon wieder dunkel. Und wer weiß, ob ich all diese Verbindungen so erwische.

Also beschließe ich, ein anderes lohnenswertes Ziel anzuvisieren, das etwas näher liegt: Hakone. Das ist ein Ort im Gebirge mit einem Nationalpark drumrum, in dem es viele heiße Quellen gibt, ach lest selbst in der Wikipedia. Da ich schon südlich von Tokyo wohne und somit schon näher dran bin, wird sich das eher lohnen.

Bis ich mir alles überlegt und geduscht habe, ist es doch schon wieder kurz vor 11, als ich aus dem Haus gehe. Sollte ich mal nach Nikko wollen, muss ich wirklich mal viel früher aufstehen. Oder es als Zwei-Tages-Tour mit Übernachtung planen.

Im Zug nach Odawara sieht man endlich mal etwas anderes als nur Stadt, nämlich Reisfelder Foto dazu und allmählich grüne Berge. Bisher war ich ja immer nur im Großraum Tokyo unterwegs und habe diese endlose Stadt nicht verlassen – wo Yokohama endet und wo Tokyo anfängt, kann man nicht sehen. In Odawara sehe ich, dass direkt am Bahnsteig gegenüber gleich ein Zug nach Hakone-Yumoto abfährt, meinem nächsten Ziel. Allerdings wundere ich mich ein wenig, dass sich am Bahnsteig ein – gar nicht uniformierter, aber nichtsdestrotrotz irgendwas verkaufender – Schaffner positioniert Foto dazu. Als der Zug einläuft, wird mir klar: Das ist also einer dieser Luxus-Expresszüge (romansukaa), von denen ich schon gehört habe. Ich kaufe also auch brav meinen Zuschlag: 200 Yen für den Hüpfer sind ganz schön üppig Foto dazu. Der Zug fährt hier in den Bergen zwar auch nur (gefühlt) Schrittgeschwindigkeit, aber dafür sitzt man bequem Foto dazu und er hält nicht mehr zwischen Odawara und Yumoto.

In Yumoto habe ich gleich Anschluss an den nächsten Zug, eine wildromantische Bummelbahn, die weiter in die Berge fährt Foto dazu. Eingleisige Strecke, nur an den Bahnhöfen kommen die Züge aneinander vorbei. Zwischendurch macht die Bahn wegen der großen Steigung sogar Spitzkehren Foto dazu.

Auf Empfehlung meines Reiseführers mache ich Zwischenstation in Miyanoshita Foto dazu Foto dazu. An diesem Bahnhöfchen kontrolliert ein Beamter die Fahrkarten noch selbst, es gibt aber auch hier Terminals für die Suica, mit der ich ja jetzt immer bezahle Foto dazu. Ups, 1000 Yen hat die Strecke von Ebina bis hier gekostet, die Preise ziehen wohl mit der Steigung an. Wenn das so weitergeht, wird mein Guthaben nicht reichen; ob man wohl hier in den Bergen wohl irgendwo aufladen kann? An diesem Provinzbahnhof jedenfalls mit Sicherheit nicht.

Statt der Hauptstraße, die runter ins Dorf führt, nehme ich erst einmal den schmalen Wanderweg an der Bahn lang Foto dazu (weitere Fotos bei Interesse bitte durchklicken). Von dort zweigt auch ein Wanderweg auf einen nahegelegenen Berggipfel ab, aber weder mein Reiseführer noch die Schilder dort halten es für nötig zu erwähnen, wie weit es denn bis dahin ist. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass ich leider nicht die Zeit für eine ausgiebige Bergwanderung habe. Denn ich will mir auf jeden Fall das noch auf dem Programm stehende Tal mit den heißen Quellen und den blubbernden Matschlöchern ansehen. Von sowas bin ich ein großer Fan, macht mir immer wieder Spaß (zuletzt 2004 in Neuseeland).

Miyanoshita hat zahlreiche Läden mit Kunsthandwerk. In einem davon kaufe ich eine himitsubako (Geheimnis-Schachtel), ein Holzkästchen, bei dem man auf komplizierte Weise Teile der Seitenwände verschieben muss, um es aufzubekommen Foto dazu. Ich nehme natürlich gleich das komplizierteste mit 21 Zügen für 5000 Yen. Die Verkäuferin ist eine sehr alte Frau, die sehr erstaunt ist, dass ich Japanisch spreche, und mich dafür mehrfach lobt. Na ja, so viele Sätze waren für dieses Verkaufsgespräch ja nun wirklich nicht nötig: Können Sie mir das mal zeigen? Ist es in Ordnung, wenn ich die Verpackung mal öffne? Das hier nehme ich. Sie meint jedenfalls, weil mein Japanisch so gut sei, bekäme ich 10% Rabatt ;-). Im Nebenraum finde ich noch eine kleine Skulptur von zwei Go spielenden Flusskobolden Foto dazu, die ich aber nicht kaufe, sondern nur fotografiere. Vielleicht wird das Bild noch berühmt; Tobias Berben wollte es als Titelbild für die Deutsche Go-Zeitung haben ;-).

Ich muss mich wirklich beeilen, wenn ich mein Tagespensum schaffen will. Weiter gehts mit dem Zug nach Goora Foto dazu, von dort mit einer Kabelbahn rauf auf den Berg Foto dazu und ab in die Seilbahn Foto dazu. Leider zieht sich der Himmel immer mehr zu, sodass ich mir wenig Hoffnung mache, den Fuji zu sehen. Das soll man nämlich können, wenn die Seilbahn den höchsten Punkt und dann das Tal mit den heißen Quellen überquert Foto dazu. Und in der Tat sieht man in der Ferne nichts.

Oowakudan (Groß-Hochblubber-Tal), das Tal mit den heißen Quellen, ist der Ort, an dem der Japaner traditionell kuro tamago isst, schwarzes Ei. Genau habe ich mich damit nicht beschäftigt, aber es werden wohl Eier so lange in den heißen Quellen gekocht, bis sie schwarz werden. Wer weiß, wovon sie schwarz werden und wie sie schmecken. Mir ist gerade nicht nach dem Experiment. Angeboten werden sie jedenfalls an jeder Ecke Foto dazu, und für Japaner anscheinend ein Muss Foto dazu. Und ich Banause lasse das doch tatsächlich aus!

Auch an diesem Ort ist Eile angesagt: Ein Schild an der Seilbahnstation hat verkündet, dass das letzte Schiff um 17 Uhr fährt, und ich will doch noch mit dem Schiff über den See. Also schnell rauf, die nach Schwefel stinkende, qualmende Landschaft und die Blubberlöcher knipsen Foto dazu Foto dazu und zurück in die Seilbahn.

Die Bootsfahrt verläuft unspektakulär und wirft wegen des diesigen Wetters Foto dazu auch keine schönen Fotos ab. Nach etwa zwei Dritteln der Fahrt sehe ich noch ein Torii im See, so ein rotes Tor, das den Eingang zu einem Shinto-Schrein markiert Foto dazu, das war es auch schon.

Mit einem Bus gehts zurück nach Yumoto. Wenn ich nun schon in einem Onsen-Gebiet bin, dann muss ich natürlich auch noch ein Onsen besuchen. Mein Reiseführer empfiehlt eines, das ein bisschen außerhalb liegt, zu dem es aber einen kostenlosen Shuttle-Bus geben soll. Die Beschreibung hilft mir aber nicht, ich kann nichts dergleichen finden. Am Koban frage ich einen Polizisten nach tenzan notenburo, und er verweist mich auf eine Bushaltestelle. Ich solle aber nochmal den Busfahrer fragen, er sei sich nicht ganz sicher. Der Busfahrer meint, ja, das kenne er, das sei in Oku-Yumoto. Oku ist übrigens das Wort/Schriftzeichen für hinten/entfernt, aber auch Tiefe (und Ehefrau ;-) ). Ich vertraue mich also dem Bus an, der mich durch die Dämmrung in den hintersten Winkel (oku) von Yumoto bringt Foto dazu. Ist schon ein sehr abgelegenes Bad, in das sich bestimmt nicht viele Ausländer verirren. Aber ich finde es und bade ein Stündchen lang in diversen, verschieden temperierten Stein- und Holzbecken im Freien, mit und ohne Blubber, gehe in die Sauna, reibe mich, dem Beispiel der Japaner folgend, mit Salz ein und dergleichen. Schon nett.

Da ich es auf den letzten Bus um 20.47 nicht ankommen lassen will und mir das ohnehin ein bisschen spät wird, fahre ich um 19.47 wieder zurück nach Yumoto. Jetzt was essen, das wärs! Aber in Bahnhofsnähe scheint es rein gar nichts zu geben, alle Bürgersteige hochgeklappt. Ich meine mich zu erinnern, dass so etwas in meinem Reiseführer stand: Man quartiert sich hier in einem Ryokan ein und isst dann dort, weil die Restaurants um 8 zumachen. Tatsächlich, nichts zu essen in Sicht.

Also fahre ich mit knurrendem Magen nach Hause, um dann um kurz vor 10 in Kinougaoka in einem kleinen Yakitori-Laden einzukehren in der Nähe des Bahnhofs. Diesmal habe ich keinen Hiko, der für mich bestellen könnte, und lesen kann ich wieder mal nix. Also bitte ich sie, mir einfach irgendetwas zu empfehlen. Was es denn gibt, vielleicht Huhn und Rind? Mit amüsiertem Lächeln erklärt sie mir, dass hier alles Hühnerfleisch sei (ich Dussel, ja, die beiden Zeichen Yaki und Tori heißen grillen und Huhn, Mann, bin ich müde). Ob ich denn Leber mag? Gut, dass sie gefragt hat, das nun ausgerechnet nicht. Also serviert man mir diverse Spieße; erst welche mit ganz normalen Hühnerfleisch mit Zwiebeln, dann anscheinend Haut und schließlich etwas recht Zähes, Knorpeliges, wahrscheinlich Gedärme, will ich gar nicht wissen. Eher für Fortgeschrittene. Alles in allem aber sehr lecker.

Und relativ schnell werde ich von den Umstehenden in ein Gespräch verwickelt. Wo ich denn herkomme, wie lange ich in Japan bin, was ich hier mache und so weiter. Der Mann neben mir fragt mich, ob ich Tofu mag, und als ich bejahe, bestellt er eine Schüssel gebratenen Tofu mit – so denke ich – Flocken aus getrocknetem Thunfisch und gibt mir die Hälfte ab. Danke, sehr freundlich! (Die Erinnerungsfotos an diesen Abend entstehen mit der Handy-Knipse und erscheinen nur drüben im Live-Foto-Log.) Und wieder einmal habe ich den letzten Bus um 22.15 Uhr verpasst und muss eine gute halbe Stunde lang nach Hause laufen. Puh!

 

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©2008 by Harald Bögeholz