13.06., Yoyogi-Park

Endlich scheint morgens mal die Sonne. Da hat man doch gleich eine ganz andere Motivation zum Aufstehen. Heute könnte ich ja wirklich mal wieder rüberfahren zu Hiko, um ihm beim Mittagessen am Fluss Gesellschaft zu leisten. Ich schreibe ihm eine entsprechende SMS, aber er antwortet nicht. Was tun? Gegen 11.30 beschließe ich, mich auf den Weg zu machen, sonst kann ich es nicht zu seiner Mittagspause schaffen. Bus nach Yokohama, Soutetsu-Linie nach Yamato, Oodakyuu-Linie in Richtung Shinjuku ... und da kommt die Antwort: Er ist heute in Narita und hat keine Zeit. Na gut, bleibe ich eben einfach in diesem Zug sitzen und fahre nach Shinjuku. Ich will mir unbedingt einen Japan-Reiseführer kaufen und überlegen, ob ich nicht doch in meiner restlichen Zeit hier mal noch irgendwas besichtigen fahre. Da ist die große Buchhandlung Kinokuniya gerade recht.

Außerdem steht noch das Projekt Internet-Cafe auf dem Programm. Kollege Urs hat mich gebeten, ob ich nicht eines für ihn fotografieren kann, als Illustration für seinen Artikel über Internet im Urlaub. Wenn man weiß, wonach man suchen muss, ist es nicht schwer: manga kissa, also Manga-Cafe. Es steht in riesigen Lettern dran, natürlich auf Japanisch Foto dazu. Das Wort Internet in lateinischen Buchstaben muss man schon mit der Lupe suchen.

Das Manga-Cafe ist im ersten Untergeschoss. Am Empfangstresen Foto dazu vereinbare ich eine halbe Stunde Internet-Nutzung und bekomme einen Platz zugewiesen. Der Laden ist ein düsteres Labyrinth mit lauter kleinen Kabinen, im Eingangsbereich ein Lageplan Foto dazu (Dusche und WC links, Kleine-Mädchen-Mangas im 2. Untergeschoss). Es gibt anscheinend Einzel- und Doppelkabinen. Den Gang entlang Foto dazu, da ist es: Kabuff Nummer 19 Foto dazu. Auf engstem Raum findet sich hier alles, was man zur Unterhaltung braucht: Ein bequemer Sessel, sogar mit einem Hocker zum Füße Hochlegen, PC, Fernseher mit Videorecorder, Playstatioin 2 und ein kleiner Safe für Wertsachen. Von der Atmosphäre her könnte man fast denken, es fehlen nur die Papiertaschentücher, aber so ist das hier nicht.

Das Manga-Cafe heißt natürlich so, weil es Unmengen an Manga zu lesen gibt, in Regalen rund herum thematisch sortiert Foto dazu. Es ist aber anscheinend ein Ort, der allgemein der Unterhaltung dient, ob es nun Mangas, Internet, DVDs oder Spiele sind. Und nicht zuletzt kann man hier übernachten. Ich habe gelesen, dass Manga-Cafes dafür gerne genutzt werden, wenn man den letzten Zug verpasst hat. Wer sich in Tokyo ins Nachtleben stürzt, muss nämlich wissen, dass es keinen Nachtverkehr gibt. Spätestens um 1 fährt nix mehr, auch am Wochenende, und es geht erst gegen 5 wieder los. Was also tun, wenn man Freitagabends um 2 genug hat vom Nachtleben? Manga kissa. Entsprechend findet man hier auch eine Dusche Foto dazu, freie Soft-Drinks, Automaten mit diversen Fertiggerichten Foto dazu, Mikrowelle, Wasserkocher, was man halt so braucht Foto dazu. Ach ja, und einen Handy-Auflade-Automaten Foto dazu. Als ich da Foto machte, war ich mir da nicht ganz sicher, aber inzwischen habe ich in Ruhe die Kanji entziffert. Es gibt deshalb so viel Text und so viele Schubladen, weil ja jedes Handy einen anderen Stecker hat. Daher steckt oben eine Kompatibilitätsliste mit den Handy-Modellen der diversen Mobilfunkanbieter. Und bitte das Handy während des Ladens in den manaamoodo (manner mode, also stumm) schalten.

200 Yen hat die halbe Stunde gekostet Foto dazu, obwohl außen auf dem großen Schild stand: 100 Yenn pro Stunde, das billigste in Japan! Betrogen wird man also auch in Japan; wahrscheinlich steht im Kleingedruckten, dass der Preis nur Mittwochnachts zwischen 1 und 5 Uhr gilt oder so.

Auf dem Weg zur Buchhandlung will ich etwas in meinen Rucksack stecken und muss feststellen, dass ich ihn nicht bei mir habe. Mist, im Manga-Cafe vergessen! Also noch mal zurück. Ich muss schmunzeln und an den Tag zurückdenken, wo wir in der Sprachschule geübt haben, wie man sich im Fundbüro nach einem verlorenen Gegenstand erkundigt. Den genauen Inhalt der Lektion habe ich zwar vergessen, aber ich komme ganz gut klar. Die Mitarbeiter suchen hektisch hinter ihrem Tresen nach meinem Rucksack, finden ihn aber nicht. Ich wende ein, dass er vielleicht ja noch in dem Kabuff (buusu) sein könnte, das ich benutzt habe. Wir gehen zusammen nach hinten, und da ist er natürlich. yokatta! Ich war eigentlich recht unbesorgt und erst im Nachhinein denke ich, dass dieser Rucksack doch ein schmerzlicher Verlust gewesen wäre. Reisepass, Führerschein, Notgroschen in Form von Reiseschecks (500 US-$, trage ich seit vier Jahren auf all meinen Reisen mit mir rum und habe ich nie gebraucht), Teleobjektiv, elektronisches Wörterbuch, PDA ... da kommt schon einiges zusammen. Aber es ist ja nichts passiert.

Ich kaufe einen Reiseführer und noch ein anderes lustig aussehendes Buch (Hard-to-Answer Questions about Japan, zweisprachig Englisch-Japanisch) und fahre rüber nach Harajuku. Yoyogi wäre wahrscheinlich schlauer gewesen, denn es ist doch weiter als ich dachte von Harajuku, vorbei am Meiji-Schrein zu der Liegewiese im Yoyogi-Park auf der ich den Nachmittag mit Lesen zu verbringen gedenke Foto dazu.

Das Wetter ist genau richtig dafür, endlich mal Entspannung in Tokyo. Ich fotografiere ein paar Menschen Foto dazu Foto dazu Foto dazu, wobei ich plötzlich einen Japaner erwische, der anscheinend dasselbe tut und mich bemerkt Foto dazu. Er ist mit seiner Freudin da und sie kichern und winken mir zu, und wir knipsen uns zum Spaß gegenseitig Foto dazu. Meins ist aber deutlich länger als seins (Objektiv).

Dass wir heute Abend Shabushabu essen gehen, hielt ich eigenlich für eine ziemlich verbindliche Verabredung. Aber den ganzen Nachmittag über antwortet Hiko nicht auf meine SMS, bis ich dann gegen 18.30 endlich von ihm höre: Er ist immer noch in Narita, die Arbeit zieht sich in die Länge, heute wird das nichts. Ob morgen auch OK sei? Na wird es ja sein müssen. Ein bisschen enttäuscht bin ich schon, obwohl ich immerhin als Erfolgserlebnis verbuche, dass ich die Nachricht vollständig lesen kann, trotz Kanji. Und mir knurrt der Magen: Ich habe extra wenig gegessen, weil ich mich auf ein tabenomihoudai-Gelage (essen und trinken zum Pauschalpreis) gefreut hatte. Zum Trost gibts kaitensushi, Sushi in so einem Laden mit Karussell Foto dazu Foto dazu. Geralds Mail mit dem Wunsch nach detaillierten Sushi-Fotos kam leider zu spät ... nächstes Mal.

 

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©2008 by Harald Bögeholz