Als ich aus dem Haus gehe, regnet es nicht, sodass ich optimistisch
meinen halb kaputten Schirm zurücklasse. Auch als ich in Seijou aus
der Bahn steige, ist es trocken. Aber auf dem Weg zu Hikos Kreuzung
geht es los: Regen. Zum Glück noch nicht besonders stark, sodass ich
noch halbewegs trocken unter dem Dach ankomme, wo ich auf ihn
warte.
Das Thema Picknick am Fluss kommt gar nicht erst zur Sprache. Wir
tapern zum Bahnhof, das italienische Restaurant, in das Hiko mich
schon bei unserem ersten Treffen führen wollte, ist wieder mal voll
und schließlich wehre ich mich dann nicht mehr gegen KFC – was
solls, es muss schnell gehen.
Eine Stunde Mittagspause geht ja so schnell vorbei! Nachdem ich
Hiko wieder zu seiner Arbeitsstätte begleitet habe, setze ich mich am
Bahnhof ins Starbucks, schlürfe einen Cappucino und lese erstmal ein
bisschen. Chandra frage ich per SMS, was man denn mal bei Regen in
Tokyo anstellen könnte, aber ich brauche seine Ratschläge dann doch
erst einmal nicht: Es klart auf und sogar die Sonne kommt vereinzelt
durch. Also besichtige ich jetzt erst einmal hier die Gegend.
Seijou ist laut Hiko ein besseres Wohngebiet, und man kann das auch
deutlich sehen, und sei es nur an der hohen Dichte von Mercedes,
Porsche und Jaguar. Hier stehen also die Häuser von Leuten, die sich
etwas Schönes leisten können. Anscheinend wird in Japan nackter Beton
von vielen als schön empfunden . Das Haus mit dem Porsche
daneben und dem Jaguar davor ist zwar nicht aus nacktem Beton und
sieht interessant aus, aber wie man sich wohl da drin fühlt, wenn es
nur Schießscharten und Gucklöcher als Fenster gibt ? Na ja, vielleicht hat es
ja nach hinten raus eine großzügige Glasfront. Noch ein Traum in
Beton , mit großzügen, aber
diesmal undurchsichtigen Fenstern. Vielleicht sind die natürlich aus
diesem Hightech-Material, das sich elektrisch von trüb auf transparent
umschalten lässt, das wäre cool.
Der Weg runter zum Fluss ist nicht besonders schön , aber wenn man erst einmal
unten ist, dann kann es ganz nett sein. Man muss halt seinen Blick in
die richtige Richtung des Flusses lenken und darf nicht so sehr auf
die Betonbrücken achten . Laut einem Schild ist es
irgendwie eine Sehenswürdigkeit, dass die Oodakyu-Linie hier den
Nogawa überquert. Leider erschließt sich mir die Bedeutung des
Hinweisschildes trotz Wörterbuch nicht
weit genug, um dahinterzukommen, ob der Anblick von dieser Stelle aus
gemeint ist oder nicht doch der
Anblick des schönen Flusses, wenn man im
romansukaa über ihn drüberfährt. Irgendwas von Kontrast steht
da, also ich sehe Kontrast zwischen grünem Flussbett und grauen
Betonbrücken.
Apropos Kontrast: Direkt neben der Bahnlinie finde ich auch eine
Treppe, die zu einem Schrein führt , ein ruhiger, besinnlicher
Ort, wenn man von den Geräuschen der Züge absieht . Ein paar Hundert Meter
vor dem Bahnhof verschwindet die Bahnlinie in einem Tunnel, auf dessen
Dach eine Art Kleingartensiedlung ist. Nicht wie man das aus
Deutschland kennt mit Zäunen und kleinen Häuschen drauf, sondern mit
ganz vielen kleinen Parzellen, die anscheinend individuell
bewirtschaftet werden . Der Weg mündet dann in
den Fahrradparkplatz des Bahnhofs , wo ich noch die
gebührenpflichtigen Parkplätze mit zentral gesteuerter Verriegelung
bestaune , bevor ich beschließe,
wieder nach Hause zu fahen.
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