23.09., Wohnungs-Einweihungsparty

Für heute hat Pamela ungefähr 15 Leute zur Einweihungsparty ihrer Wohnung eingeladen. Jeder soll eine Kleinigkeit zu essen mitbringen, aber wir haben uns im Vorfeld darauf geeinigt, dass das in meinem Fall keine gute Idee ist und ich lieber das Bier kaufe ;-). Ich ziehe gegen 10 mit Pamela los zum Einkaufen und gönne mir auf dem Weg als erstes bei sukiya ein klassisches japanisches Frühstück: Reis, Misosuppe und Lachs Foto dazu.

Zum Einkaufen führt mich Pamela in eine Gegend, die ich noch nicht erkundet habe; ein weiteres nettes Einkaufssträßchen in der Nähe ihrer Wohnung Foto dazu. Hier springt mir wieder so ein unscheinbarer Schrein ins Auge: Ich finde es immer noch faszinierend, wie beiläufig sich sowas ins Straßenbild integriert. Neben dem Cola-Automaten steht das torii Foto dazu am Eingang zu einem unspektakulären Hinterhof Foto dazu, wo der Schrein dann eingepfercht zwischen den Häusern seine paar Quadratmeter belegt Foto dazu.

Pamela braucht erst einmal ein zweites Frühstück, und für sie bedeutet das etwas Süßes. Daher kehren wir erst einmal in der Bäckerei ein. Dort gibt es eine große Auswahl raffinierten Gebäcks Foto dazu Foto dazu, und sie wird fündig. Was jedoch in Japan wirklich schwierig aufzutreiben ist, ist ein ganz normales Brötchen. Oder ein ganz normales Brot. Oder auch ein ganz normales Croissant, nicht eines, das mit irgendeiner süßen Creme gefüllt ist. Noch hält sich das Heimweh in Grenzen, aber wenn ich mir das Angebot hier so anschaue, dann bin ich mir sicher, dass ich mich gegen Ende meiner Reise wieder auf das Frühstück Palermo im Mezzo freuen werde.

Bei Oozeki (übrigens die Supermarktkette, bei der Hiko arbeitet) kaufen wir ein paar Sachen für die Party ein: Pamela ist für Salat, Tomaten, Mozarella und dergleichen zuständig und ich verabredungsgemäß für Bier und Chips. Anschließend machen wir die Wohnung flott und holen dann um 15 Uhr ihre Gäste vom Bahnhof ab.

Die ersten Gäste sind überwiegend Japaner Foto dazu: Ein Arbeitskollege von Pamela, ihr Japanischlehrer, ihr Konversationspartner aus der Kashiwa-Zeit mit Frau und Tochter und Saito san. Und ein Nichtjapaner, David von der toudai (Uni Tokyo). Das bedeutet, dass die gesamte Konversation auf Japanisch stattfindet, und schon nach einer halben Stunde beginnt mein Kopf zu rauchen und ich empfinde wieder diese totale Reizüberflutung, die immer eintritt, wenn mein Hirn versucht, flüssig gesprochenes Japanisch in Echtzeit zu verstehen. Immerhin gelingt es mir, auch ein bisschen von mir zu erzählen; im Laufe der Zeit halte ich mich aber immer mehr zurück und höre überwiegend zu. Das ist auch eine gute Übung; ich kriege doch schon so einiges mit.

Als ich allerdings höre, dass es in Deutschland einen großen Unfall mit einer Magnetschwebebahn gegeben hat und diskutiert wird, was das für wirtschaftliche Auswirkungen haben könnte, zweifle ich dann doch an meinem Japanisch: Habe ich das richtig verstanden? Wir haben doch gar keine Magnetschwebebahn. Haben wir aber doch, und inzwischen habe ich im Internet vom Unfall auf der Transrapid-Versuchsstrecke gelesen. Wie ich das im Urlaub meist so mache, habe ich mich von Nachrichten aus Deutschland komplett abgekoppelt; schon lustig, dass ich sowas auf einer Party in Japan erfahre. Und auf Japanisch. Hätten sie auch nur einmal Transrapid gesagt, dann hätte ich weniger an mir gezweifelt. Aber die Rede war die ganze Zeit von rineaa mootaa (oder so, die Katakanifizierung von linear motor).

Gegen 8 verlasse ich die Party, um mich mit Hiko zu treffen. Sie hat großen Spaß gemacht, war aber unglaublich anstrengend wegen des ganzen Japanisch. Daher bin ich doch ganz froh, dass ich mich entschuldigen darf. Lange ging sie dann sowieso nicht mehr; Pamela hat mir schon im Vorfeld gesagt, dass sie es noch nie erlebt hat, dass Japaner länger als bis 22 Uhr bleiben. Daher auch der frühe Beginn um 15 Uhr.

Hiko stand eigentlich erst für morgen auf dem Programm, da hat er frei. Aber er hat mir heute morgen eine Mail geschrieben, ob wir uns statt Sonntag nicht doch schon heute treffen und zusammen abendessen wollen. Auf Japanisch übrigens; er mailt zurzeit über sein Handy, und da fällt es ihm anscheinend so schwer, mit lateinischen Buchstaben zu schreiben, dass er es lässt. Auch wieder eine gute Übung. Also fahre ich jedenfalls nach Kichijouji, Hikos alter Uni-Stadt, wo ich ihn um 9 treffe (heute belaste ich mich mal nicht mit der dicken Spiegelreflexkamera, daher keine Fotos mehr vom Abend). Heute gibt es yakiniku, Fleisch, das wir uns an einem im Tisch eingelassenen Grill selber grillen. Lecker, leckerleckerlecker!

Hiko kann schon einiges verdrücken; es kommt mir vor, als müsste er tagelang gehungert haben. Als ich schon pappsatt bin, fängt er schon wieder an zu bestellen, und ja, weil es so lecker ist, geht tatsächlich noch was rein. Vollgefressen und auch schon recht lustig von einigen Bieren verlassen wir den Laden. Es ist spät geworden, schon nach Mitternacht, und wir diskutieren die Frage, ob ich vielleicht bei ihm übernachten könnte. Aber das geht nicht; in seine Wohnung darf er keine auffälligen Ausländer mitnehmen, und zu seinen Eltern schon gar nicht. Also schwingen wir uns erst einmal in die U-Bahn nach Shinjuku, wo ich dann aber spontan beschließe, doch nach Hause zu Pamela zu fahren.

Leider ist es schon so spät, dass ich gerade noch den letzten Zug der Yamanote-Linie bis Gotanda erwische; dann stehe ich vor dem verschlossenen Eingang zu meiner Anschlusslinie. Ich finde es schon komisch, dass eine Stadt wie Tokyo an einem Samstagabend um spätestens 1 Uhr nachts ihren kompletten Nahverkehr dicht macht, die "Provinzlinien" schon eher. Hiko meint, man bleibt einfach in der Stadt, bis um 5 die ersten Bahnen wieder fahren, aber das kann doch nicht allen Japanern so gefallen. Ob es vielleicht doch ein geheimes Nachtbusnetz für Eingeweihte gibt? Ich habe es jedenfalls noch nicht gefunden.

So bleibt mir nur, in Gotanda ein Taxi zu nehmen. Jetzt wäre es irgendwie von Vorteil gewesen, wenn ich einen Zettel mit Pamelas Adresse zur Hand gehabt hätte oder mich wenigstens an sie erinnern könnte. Hab ich aber nicht, sodass ich den Taxifahrer erst bitte, mich zum Bahnhof Magome zu fahren und ihm dann erkläre, dass ich irgendwo zwischen Magome und Nagahara wohne und er mal irgendwie auf die Kannanadouri fahren soll; zum Glück erinnere ich mich wenigstens an einen Straßennamen. Das klappt tatsächlich, und ich werde bis vor die Haustür gefahren – ich bin stolz auf mich.

 

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