Ich habe noch gar nichts über das Wetter erzählt: Es wird von Tag schöner. Heute ist wieder ein wunderschöner Frühlingstag; der Wetterbericht hat Sonnenschein den ganzen Tag und 24 Grad angekündigt. Letzten Donnerstag habe ich mich darüber geärgert, dass ich keine schönen Fotos von der Müllabfuhr und von den Hundebesitzern machen konnte. Heute ist wieder Mülltag (gomi no hi), daher bestücke ich die Kamera mit dem Teleobjektiv und radle mit schussbereiter Kamera zur Schule. So kann ich unauffällig aus großer Entfernung die Müllwächter beobachten, wie sie da stehen und auf Müll warten . Ah, da kommt einer ! Unter den wachsamen Augen der Müllwächter stellt er seine verschiedenen Tüten ab . Der Müllwächter zieht seine weißen Handschuhe an und prüft, ob der Müll auch richtig sortiert ist . Ich habe mir sagen lassen, die Müllbeutel sind extra zu dem Zwecke transparent, und manchmal schauen sie auch rein, um ganz sicher zu gehen, dass nicht jemand Kunststoff in den Papiermüll oder gar eine PET-Flasche in den Plastiksack gesteckt hat (die gehört in einen anderen Sack, aber das Etikett in den Plastikmüll). Zu meiner eigenen Überraschung gelingt mir sogar während der Fahrt ein Foto von einem Müll wegbringenden Radfahrer . Und nochmal Schüler aus der Nähe – ein Teleobjektiv ist doch ne feine Sache . Da ich mehrere Bilder knipse, merken die Mädchen zwar doch, dass ich sie fotografiert habe, und fangen an zu tuscheln und zu kichern, aber egal. Schon seit einigen Tagen fällt mir auf, dass auf immer mehr Feldern Wasser steht, und bei genauerer Betrachtung sieht man, dass sie künstlich bewässtert werden. Aha, anscheinend wird jetzt also der Reis angebaut, denk ich mir. Oder was ist das wohl sonst? Mit einer interessanten Maschine werden anscheinend vorfabrizierte Setzlinge eingepflanzt . Wenig später erwische ich auch endlich einen Hundehalter dabei, wie er das Geschäft seines Köters verbuddelt (leider noch etwas weit weg). Anschließend marschiert er zackig weiter, mit einem jener Schäufelchen in der Hand, die ich meinen Lesern schon lange mal zeigen wollte und mit Mundschutz (ist wahrscheinlich erkältet, der Gute) . Heute habe ich anscheinend die Hundeschäufelchenzeit voll erwischt – bin deswegen auch leider etwas spät dran . Als ich heute am Kindergarten vorbeikomme, läuft genau dieselbe Musik wie gestern. Genau genommen genau dieselbe wie vorgestern. Und vorvorgestern. Und an jedem einzelnen anderen Tag, an dem ich an diesem Kindergarten vorbeikomme. Das wird mir von Tag zu Tag stärker bewusst, ich kann das Lied jetzt schon fast mitsingen. Das darf doch nicht wahr sein, die armen Kinder! Wie viele Jahre lang müssen die das hören? Und das Lied muss auf Auto-Repeat stehen, denn ich komme ja sicher nicht jeden Tag auf die Minute genau zur selben Zeit an diesem Kindergarten vorbei. Es mag sein, dass es viele Strophen hat, den Text habe ich mir nicht gemerkt, aber jeden Tag lang immer dieselbe Melodie, das ist doch psychische Grausamkeit, oder? Kurz vor der Schule dann noch der skurrilste Auswuchs des Mülltages: So viele Dosen auf einem Fahrrad habe ich noch nicht gesehen . Bin extra schnell hinter ihm hergeradelt, um dann eine Vollbremsung hinzulegen und ihn mit dem Teleobjektiv gerade noch zu erwischen. Dann heize ich nochmal hinter ihm her, überhole ihn, erarbeite mir einen Vorsprung und halte an, um ihn noch von vorne zu erwischen . Das bleibt natürlich nicht unbemerkt, und ich ernte einen sehr merkwürdigen, wohl nicht unbedingt freundlichen Blick. Aber egal, ich bin Ausländer, ich darf das. Heute erspare ich meinen Lesern den Ausflug in die japanische Grammatik; der Schultag läuft jedenfalls etwas entspannter als gestern. Es scheint wie im letzten Jahr zu sein; jeden zweiten Tag versteh ichs irgendwie besser, und nachmittags gibts wieder lustige praktische Übungen zur Auflockerung: Wir feiern eine Party (leider nicht wirklich). Die haben doch tatsächlich eine eigene grammatische Konstrukion dafür, dass man zu einem bestimmten Zeitpunkt eine notwendige Handlung durchführt. Man sagt also nicht einfach, ich habe die Teller auf den Tisch gestellt, sondern ich habe sie auf den Tisch gestellt [Konstruktion für "weil es nötig war, um die Party feiern zu können"]. (Ok, doch ein Kurzausflug in die japanische Grammatik. Seufz.) Nach der Schule setze ich mich mit Aya san an meinen Rechner. Ich habe ihr gestern versprochen, für sie den Client für Second Life auf meinem Rechner zu installieren, weil sie in diesem Spiel etwas Wichtiges zu erledigen hat. Ich habe mich lange nicht mit Online-Spielen beschäftigt, das letzte Mal während des Studiums, als ich MUD-süchtig wurde und dafür doch glatt sogar ein Seminar sausen lassen "musste". Secondlife scheint so eine dreidimensionale Online-Welt zu sein, in der man einfach nur rumläuft, sich mit anderen Leuten unterhält und wohl auch selbst Gegenstände erschaffen kann. Ich habe mich nicht wirklich damit beschäftigt, aber was mich rückwärts aus den Socken wirft, ist, dass Aya san damit echtes Geld verdient, und zwar im Monat ungefähr 1000 US-Dollar! Mit ungläubigem Staunen beobachte ich, wie sie sich in Second Life einloggt, ihren virtuellen Kontostand überprüft, dann auf die Website ige.com geht und dort den Wechselkurs für 250.000 Spiel-Dollar abfragt. Etwa echte 1300 US-Dollar bekommt sie dafür geboten, nimmt das Angebot an, wechselt in die virtuelle Welt und wird dort nach weniger als einer Minute von einem Agenten angesprochen, dem sie 250.000 Spiel-Dollar in die Hand drückt. Und binnen zwei Stunden, so sagt sie, seien 1300 echte US-Dollar auf ihrem Paypal-Account. Werte Redakteurskollegen, haben wir darüber schon berichtet? Aya san erklärt mir, dass sie als Hobby Gegenstände designt und wohl ziemlich gut darin ist. Vor allem Mode, also Sachen zum Anziehen, aber auch Frisuren, ganze Körper und dergleichen. Sie hat in der virtuellen Welt von Second Life einen eigenen Laden, wo sie ihre Kreationen ausstellt, und Leute kommen dort vorbei und kaufen den Kram für virtuelles Geld. Und das Geschäft geht gut; obwohl sie lange nichts gemacht hat, sagt sie, dass sie dadurch ein monatliches Einkommen hat, dass sich beim derzeitigen Kurs in etwa 1000 US-Dollar ummünzen lässt. Irgendwas mache ich falsch in meinem Leben, vielleicht sollte ich lernen, wie man Modedesigner für Second Life wird ... Der Nachmittag vergeht wie im Fluge mit Bildbearbeitung und sonstigem Kram; ich verbringe viel zu viel Zeit am Computer in diesem Urlaub. Und ich schreibe zu viel. Aber auch nur, weil mich einige wenige treue Seelen noch anfeuern. Unter anderem deshalb schaffe ich es mal wieder nicht, am Nachmittag etwas für die Schule zu tun. Immerhin habe ich mir heute die CD mit den Hörübungen zum Buch ausgeliehen; ich muss unbedingt mein Hörverständnis trainieren. Als ich gerade mit all den nutzlosen Tätigkeiten im Internet fertig bin und mir überlege, vielleicht doch ein bisschen was zu lernen, kommt Markus vorbei und fragt, ob wir Go spielen wollen. Überredet! Wir setzen uns in die Abendsonne und spielen zwei Partien; die erste gewinne ich , bei der zweiten könnte ich als Ausrede vorbringen, dass ich nebenbei ein Bier getrunken habe ;-). Netter Sonnenuntergang ... Nach dem Abendessen mache ich meine Hausaufgaben und frage anschließend bei einigen unsicheren Stellen Chihiro um Hilfe. Da habe ich gestern und vorgestern auch schon gemacht; ich kriege dafür immerhin ein freundliches, oder sollte man eher sagen amüsiertes Lächeln. Für sie ist das natürlich einfach. Obwohl sie bei einer der Grammatikfragen eine minutenlange Diskussion mit ihrer Mutter angefangen hat. Am Ende kam das raus, was ich nach Gefühl auch geschrieben hätte; mal schauen, ob die Lehrer das auch als richtig ansehen. Nach dem Tagebuchschreiben fange ich heute noch an, mir die CD mit den Hörübungen anzuhören. Und zwar beginne ich bei Kapitel 1 des ersten Bands des Lehrbuchs; mal schauen, wie lange es dauert, bis ich etwas nicht auf Anhieb verstehe. Mist, schon in Kapitel 5 kommt das zum ersten Mal vor. Na ja, ich weiß ja, dass ich an meinem Hörverständnis arbeiten muss. Ich höre die CD daher noch ein bisschen weiter, während ich schon im Bett liege, und schaffe es sozusagen mit letzter Kraft vor dem Einschlafen, noch den Ausschaltknopf meines Notebooks zu drücken. |
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