29.4., Zur Halbzeit eine neue Klasse

Heute radle ich mit schussbereiter Kamera zur Schule. Habe mir vorgenommen, die frisch bestellten Reisfelder zu fotografieren. Leider muss sich im Rucksack das Einstellrädchen irgendwie auf manuelle Belichtung und irgendwelche zufälligen Parameter verdreht haben und ich bemerke es nicht, sodass die Fotos hoffnungslos überbelichtet sind. Zu meinem großen Erstaunen steckt im RAW-Format aber so viel Reserve drin, dass sie sich sogar halbwegs retten lassen Foto dazu Foto dazu Foto dazu. Irgendwas ist anders heute auf dem Schulweg. Nach einiger Zeit dämmerts mir: Heute ist Feiertag in Japan – midori no hi, der Tag des Grüns, deshalb fehlen die ganzen Schüler, die mir sonst immer begegnen. Yamasa hat eigene Regeln für die Feiertage, sodass wir heute trotzdem Schule haben. Das ist mir auch ganz lieb so, ich bin schließlich zum Lernen hier. Schlimm genug, dass nächste Woche drei Feiertage hintereinander sind (die Yamasa übrigens auch verschoben hat: Eigentlich ist Dienstag bis Donnerstag Feiertag, aber Yamasa macht Mittwoch bis Freitag frei). Es fällt richtig wohltuend auf, dass heute auch das nervtötende Gedudel des Kindergartens fehlt.

In meinem Klassenzimmer sitzen heute ganz andere Leute – ach ja, alle 14 Tage werden die Klassen ja neu zusammengesetzt. Das ist gar nicht mehr mein Klassenzimmer; mein Name steht jetzt an einer anderen Tür. Die Klasse ist größer geworden, wir sind jetzt zu neunt. Die bisherigen sechs und drei Neue Foto dazu. So ganz glücklich bin ich nicht, dass die Klasse jetzt so groß ist, aber mal schauen, wie es sich in dieser Runde so lernt. Immerhin haben die größeren Klassenzimmer Fenster, man kann es also auch positiv sehen.

Wie jeder Freitag beginnt auch dieser mit einer Wiederholung der Grammatik der letzten Woche, also ein relativ ruhiger Vormittag. Die neue Grammatik ist auch nicht übermäßig schwer; ich kannte sie zum Teil schon. Nur mit den Vokabeln haperts mal wieder; ich schaffe es einfach nicht, jeden Tag ganz so viele neue Wörter zuverlässig in meinem Kopf zu verankern. Insofern bin ich dann doch ganz froh, dass es Freitags nur drei Stunden Unterricht gibt.

In der Raucherecke treffe ich Eva, Aya und Svetlana, die gerade beraten, in welchem Restaurant sie wohl essen gehen wollen. Wenn es nicht allzu weit weg wäre, würde ich auch gerne mitkommen; will anschließend wieder zur Schule, um ausgiebig das Internet zu benutzen. Unter anderem bin ich auch mit der Tagebuchschreiberei ein wenig im Rückstand.

So einigen wir uns auf Denny's – das habe ich aus dem letzten Jahr noch in ganz guter Erinnerung, und es ist gleich um die Ecke Foto dazu. Dort gibts wahlweise ziemlich japanisches Foto dazu oder weniger japanisches Essen Foto dazu, für jeden Geschmack etwas dabei.

Der Nachmittag im Aufenthaltsraum der Schule geht vollständig für Rumsurfen im Internet, Tagebuchschreiben und Bildbearbeitung drauf, musste halt auch mal wieder sein. Den Abend verbringe ich wie jeden Freitag in der Campus-Bar, wo heute Declans Eltern aus Australien zu Besuch sind Foto dazu. Im weiteren Verlauf des Abends ergibt sich sogar noch Gelegenheit, etwas auf Japanisch zu parlieren; ich komme mit einer Japanerin ins Gespräch, die anscheinend auch Übung darin hat, in langsamen und einfachen Sätzen zu sprechen. Später stellt sie mir ihren Ehemann vor, einen Australier Foto dazu. Insgesamt wieder ein lustiger Abend; heute trinke ich nicht ganz so viel Bier, sodass ich mich nicht wieder von jemandem nach Hause bringen lassen muss, sondern mit dem Fahrrad fahren kann. Den Pullover, den ich mir extra für die Nacht mitgenommen hatte, brauche ich gar nicht, es ist eine herrlich warme Frühlingsnacht.

 

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©2005 by Harald Bögeholz