22.4., Ausflug nach Nagoya

Heute fahre ich mal wieder ohne schussbereite Kamera und sehe prompt wieder mehrere Hundehalter mit ihrem charakteristischen Schäufelchen, es ist schon wie verhext. Da ich etwas spät dran bin, halte ich aber nicht an, um die Kamera auszupacken.

Vor dem Unterricht bleiben mir gerade mal 10 Minuten Zeit, in denen ich versuche, den Vokabelzettel aus dem Kopf auszufüllen, den ich mir für heute aufgehoben habe. Das ist Bestandteil der täglichen Routine: Es gibt jeden Tag als Hausaufgabe ein Blatt zum Ausfüllen, auf dem die Vokabeln des nächsten Tages bildlich dargestellt sind. Leider war das Lernen gestern nur bedingt erfolgreich; ich muss doch bei etlichen Wörtern in mein Buch spicken. Das kann ja heiter werden, wenn gleich der Vokabeltest kommt.

Wir bleiben heute aber verschont. Der Unterricht beginnt ohne Test mit einer Wiederholung der Grammatik der letzten paar Lektionen. Das ist auch bitter nötig, wie ich merke. Nur in der dritten Stunde gibts einen Happen neuer Grammatik aus Lektion 32, und die Lehrerin verwendet auch einige der neuen Vokabeln, aber ehe man sichs versieht, ist der Unterricht auch schon vorbei für heute. Als Ausgleich für den fast schon entspannenden Unterrichtstag gibt es einen großen Packen Hausaufgaben. Na ja, wir haben ja das ganze Wochenende Zeit.

Ich treffe Markus, den Go-Spieler aus Finnland, und Grant aus Amerika, die beide in die fortgeschrittenste SILAC-Klasse gehen. Markus hat mir gestern schon erzählt, dass er heute irgendwas besichtigen gehen will. Inzwischen hat er sich überlegt, was es sein soll: Atsuta jingu, ein wohl relativ berühmter Shinto-Schrein im Süden von Nagoya. Ich hadere kurz mit mir, ob ich den Nachmittag nicht doch lieber im Aufenthaltsraum der Schule mit sinnlosem Internet-Surfen, Tagebuchschreiben, Fotos Entwickeln und Lernen verbringen soll, schließe mich dann aber den beiden an. Wenn ich schon mal in Japan bin, dann will ich auch ein bisschen was sehen.

Markus gefällt sich anscheinend gut in der Rolle des Reiseführers. Er leitet uns zielsicher zum Bahnhof Kanayama, das ist eine Station südlich von Nagoya, und dann GPS-gestützt weiter zum Atsuta jingu. Ich schieße unterwegs ein paar Fotos vom Straßenbild, nichts Besonderes ... Foto dazu.

Markus scheint ganz gerne zu Fuß zu gehen; das soll sich auch im weiteren Verlauf des Nachmittags noch bestätigen. Wir laufen ca. 40 Minuten bis zum Schrein. Atsuta jingu ist einer jener Schreine, wo man an das Hauptgebäude gar nicht herankommt, sondern nur bis zu einem Vorgebäude Foto dazu. Dort beten die Japaner dann, und die Touristen schießen Fotos Foto dazu Foto dazu.

Mit der U-Bahn geht es jetzt in den Norden der Stadt zur Station Kurokawa. Markus will dort seine Lieblings-Buchhandlung besuchen Foto dazu Foto dazu und dann mit uns am Schloss von Nagoya vorbei in die Einkaufsgegend Sakae spazieren. In der U-Bahn sieht oft schlafende Japaner, hier mal drei auf einen Haufen Foto dazu.

Nach dem dreistündigen Fußmarsch durch die Stadt bin ich ziemlich kaputt und sehne mich nach einer Sitzgelegenheit und einem Bier. Das Bier gibts allerdings erst später, aber wir finden ein nettes kleines Schnellrestaurant fürs Abendessen. Restaurants gibts hier in Hülle und fülle, aber dies ist eines, wo ma Plastikimitationen der Gerichte im Schaufenster sehen kann Foto dazu. Dann merkt man sich so gut wie möglich die Schriftzeichen auf dem Schildchen, um dann drinnen an einem Automaten sein Essen zu bezahlen und zu bestellen Foto dazu. Das wird dann am Tish serviert, dazu gibts kostenlosen Tee. Ich esse knusprig gebratenes Hühnchen mit einer scharfen Soße, dazu Misosuppe und Salat Foto dazu. Sehr lecker, und mit 690 Yen recht preiswert (gut 5 Euro).

Markus hat erzählt, dass es nach seiner Erfahrung fast überall in Nagoya ein offenes WLAN gibt, sei es absichtlich oder offiziell. Und in der Tat: Als wir beide nach dem Essen kurz unsere Notebooks aufklappen, haben wir sofort eine Internet-Verbindung, und ich kann kurz in meine Mail schauen. Dazu war ich den ganzen Tag noch nicht gekommen.

Gegen 8 komme ich völlig erschöpft in Okazaki an und freue mich auf ein Bierchen in der Campus-Bar. Wie letzten Freitag habe ich wieder Ausgang, und da ich inzwischen einen Hausschlüssel habe, gehe ich davon aus, dass ich auch nicht um Mitternacht nach Hause sein muss. Es wird ein lustiger Abend, nur mit der Go-Partie wird es nichts mehr, weil der Laden rappelvoll ist und einfach kein Platz zum spielen wäre. Ich trinke wohl doch ein Bier mehr als gut gewesen wäre. Der Japaner, mit dem ich mich die letzte Zeit unterhalten habe, überzeugt mich, dass ich doch besser nicht mehr mit dem Fahrrad fahre und fährt mich freundlicherweise nach Hause, das ist ja sehr nett. Da muss ich morgen nur sehen, wie ich wieder an mein Fahrrad komme ...

 

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©2005 by Harald Bögeholz