23.8., Nara

Heute geht es nach Nara, der ersten dauerhaften Hauptstadt Japans. Nara und Umgebung sind voll von historischen Tempeln und Schreinen, sodass wir uns auf einen relativ kleinen Teil beschränken müssen. Leider regnet immer wieder, unterbrochen von nur kurzen Pausen. Das erschwert das Fotografieren ungemein, denn ich muss mit Kamera und Schirm jonglieren, und das auch noch mit einem rechten Arm, den ich nicht recht heben kann. Aber egal, das Wetter können wir uns nicht aussuchen. Es hat immerhin den Vorteil, dass die berühmten Plätze relativ menschenleer sind. Japaner, die sich überlegen, Nara zu besichtigen, werden sich dazu nicht ausgerechnet einen Regentag aussuchen.

Das erste Foto des Tages ist die Rückseite eines Lastwagens auf der Autobahn Foto dazu. Declan, der wie gesagt fließend Japanisch lesen kann, weist mich auf die besondere Komik der Situation hin: Auf der Rückwand steht geschrieben, dass der Fahrer sich leider an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten muss und man dies doch bitte entschuldigen und ihn überholen möge. Das an sich hat ja schon was, aber er fährt mit 120 auf der Überholspur bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 :-).

Als ich aus dem Auto aussteige, springen mir als erstes Rehe ins Auge, die ohne jede Scheu frei auf einer Wiese rumlaufen und sich sogar von Passanten füttern lassen Foto dazu. Im Laufe des Tages stellt sich heraus, dass das nicht auf eine einzelne Wiese beschränkt ist, sondern die Rehe in dem ganzen Stadtteil, den wir besichtigen, unterwegs sind. Declan erzählt, dass es insgesamt ungefähr 2000 sind und es sich dabei um heilige Rehe handelt, die zu den Gottheiten von kasuga taisha gehören Foto dazu. Na dann haben sie wohl das Recht, überall zwischen den Schreinen herumzuspazieren.

Der Weg zum Schrein ist gesäumt von einer großen Anzahl steinerner Laternen Foto dazu. Man sieht sie in der Nähe von Schreinen und Tempeln und auch sonstwo alle Naselang, aber so viele auf einem Haufen sind mir noch nicht untergekommen. Viele von ihnen sind mit Papier zugeklebt, auf dem etwas geschrieben steht Foto dazu. Dabei handelt es sich um Wünsche oder vielmehr Gebete: Gegen eine Spende an den Schrein wird das Ansinnen dort ausgehängt.

Kasuga taisha ist ziemlich groß und besteht wie die meisten solcher Anlagen aus ganz vielen kleinen Schreinen für alle möglichen Gottheiten. Je nachdem, wofür man beten will, muss man sich an den richigen Gott wenden. Wir picken uns exemplarisch die Gottheit für die Liebe und die für beruflichen Erfolg und Geld heraus, unter anderem, weil die sehr praktisch nebeneinander liegen Foto dazu Foto dazu.

Wie bei so ziemlich allen Shinto-Schreinen können die Leute hier kleine Holztäfelchen erwerben, auf die sie ihre Wünsche schreiben und die anschließend an daür bereitstehenden Wänden aufhängen Foto dazu. Dort hängen sie dann eine Weile und werden beim nächsten Festival feierlich verbrannt, wenn ich das richig verstanden habe.

Vor dem Hauptgebäude(?) Foto dazu steht ein überdachter Vorbau, in dem sich unter anderem die Kisten für die Geldopfer befinden. Ausgerechnet hier Foto dazu soll man seine Andacht halten, wo man den Schrein gar nicht sehen kann? Declan erklärt, dass dem tatsächlich so ist. Den Japanern kommt es anscheinend nicht darauf an, das angebetete Objekt sehen zu können; sie wissen ja, wie es aussieht.

Nach einem Mittagessen und weiteren Gebäuden, deren Bedeutung ich irgendwie schon wieder vergessen habe, steuern wir nun auf ein weiteres Highlight zu: Toodaiji Foto dazu. Ich summe innerlich vor mich hin "Toodaiji in the rain, Toodaiji in the rain ...", wundere mich, warum um alles in der Welt die Benutzung von Stativen verboten ist Foto dazu, wo hier doch alles solider Steinboden ist, und staune beim Anblick des 16 Meter hohen Daibutsu Foto dazu. Leider habe ich so gründlich um die ganzen Touristen herumfotografiert, dass man auf den Bildern nicht so recht sehen kann, wie groß das Ding ist. Die außerdem in den Seitenflügeln ausgestellten kleineren Buddhas Foto dazu und Kriegerstatuen Foto dazu sind jedenfalls auch noch mehr als mannshoch.

Eine der hölzernen Säulen im hinteren Bereich des Tempels hat unten ein Loch, durch das man mit etwas Mühe hindurchkriechen kann. Das soll einen angeblich auf dem Weg der Erleuchtung nach vorne bringen. Hauptsächtlich haben Kinder ihren Spaß daran, aber als ich vorbeikomme, zwängt sich tatsächlich gerade ein Japaner durch Foto dazu. Wäre die Schulter nicht kaputt, würde ich das ja auch machen; ein bisschen näher an der Erleuchtung kann mir ja nicht schaden. So muss ich leider verzichten, finde aber außerhalb des Tempels genau das richtige Aktionsprogramm für mich: Eine Statue von binzuru, ein okkulter Heiler (hab ich vergessen zu fotografieren, ist nur ganz aus der Ferne auf einem Bild mit drauf Foto dazu). Wenn man einen Körperteil seines Ebenbildes berührt und anschließend den entsprechenden Körperteil bei sich selbst, dann soll er mit seinen magischen Kräften helfen. Leider ist er etwas zu groß, sodass ich nicht ganz bis an die Schulter, sondern nur bis zum Oberarm komme. Vielleicht hilft es ja trotzdem.

Auf der Rückfahrt machen wir noch einen Abstecher in eine einsame Gegend, wo in einem kleinen Dorf ein netter kleiner Schrein steht Foto dazu und gegenüber, auf der anderen Seite eines Flusses, in der Felswand ein Buddha eingemeißelt ist Foto dazu. Ich muss schon sagen, unser Reiseführer kennt wirklich abgelegene Sehenswürdigkeiten; diese steht bestimmt in keinem Reiseführer.

Nachdem ich in der Idylle noch ein bisschen mit meinem Teleobjektiv einem Reiher nachgestellt habe Foto dazu, gehts nun endgültig nach Hause. Auf der Autobahn noch ein seltener Anblick: Ein lichterloh brennendes Auto auf der Gegenfahrbahn Foto dazu. Hoffentlich war da keiner mehr drin; wenig später kommt uns jedenfalls nicht nur ein Feuerwehrauto, sondern auch eine Ambulanz entgehen.

 

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©2004 by Harald Bögeholz