Der Wecker klingelt um 6:30, und der Kopf ist
erwartungsgemäß etwas schwer. Ab unter die Dusche. Der
Magen knurrt ziemlich; irgendwie habe ich gestern außer einem
kleinen Sandwich vom Mini-Stop schon wieder nichts zu Abend
gegessen.
Ich beschließe, zum Frühstücken heute mal zu
Denny's zu gehen und bestelle mir ein schönes, großes
japanisches Frühstück mit Reis und Misosuppe - sehr praktisch, dass die
Speisekarte mit Bildern ist . Ich glaube fast, den
Luxus werde ich mir jetzt öfter gönnen. Ich kriege meine
Hausaufgaben heute tatsächlich mal fertig und habe sogar noch
eine solide zeitliche Reserve von 10 Minuten.
Der Unterricht ist etwas weniger frustrierend als gestern, oder
besser gesagt voller Erfolgserlebnisse. Wir wiederholen im
Schnelldurchgang einige Vokabeln und die im Laufe der Woche gelernten
grammatischen Strukturen, und ich merke, dass ich doch schon eine
ganze Menge gelernt habe. Mittags beschließe ich, mal was richtig
Gesundes zu essen: furaido chikin Hähnchen mit Pommes . Es muss ja nicht immer
der japanische Kram sein.
Der Nachmittag vergeht wie im Fluge: Ich spiele ausgiebig
Klavier (fange an, die zweite
Gymnopedie von Satie zu üben; die erste kann ich jetzt), und
fahre dann ins Wohnheim. Nach einem über zweistündigen
Mittagsschlaf pflege ich Bildgalerie und Tagebuch. Weil das Internet
mal wieder so grottenschlecht funktioniert, fahre ich für den
Upload wieder in die Schule. Wo ist nur die ganze Zeit geblieben? Als
ich endlich fertig bin, ist die Sonne schon untergegangen, und ich
gehe in die Zig-Zag-Bar und esse erst einmal etwas.
Declan Murphy, der Direktor der Schule (bzw. des International
Office; ich verstehe die Organisationsstrukturen hier noch nicht ganz)
sitzt am Tresen, und als das Gesprächsthema irgendwie auf Go
kommt, sagt er, dass er das schon immer mal lernen wollte. Ha, wieder
ein Opfer. Rein zufällig habe ich mein neu gekauftes Magnet-Go
mit, erkläre es ihm und spiele zwei Partien. Das reicht ihm aber
schon; seine Neugier ist befriedigt und er mag sich wohl nicht weiter
geistig anstrengen. Aber er meint, es wäre vielleicht einge gute
Idee, in der Bar Go-Spielmaterial zu installieren. Da pflichte ich ihm
begeistert bei; ob er das wohl tatsächlich macht? Ich muss ihn
unbedingt die Tage nochmal drauf ansprechen.
Das nächste Opfer ist nicht weit: Atley hatte vor einiger
Zeit auch Interesse bekundet und möchte jetzt Go lernen . Inzwischen hat sich der
Laden gefüllt, und ich verbringe einen ausgelassenen Abend mit
netten Leuten. Die Fotos dürften für sich sprechen.
Gegen irgendwann spät komme ich mit einer Japanerin ins
Gespräch. Sie spricht eine Mischung aus Englisch und Japanisch
mit mir und erzählt unter anderem, dass sie im August Freunde in
Deutschland besuchen will und sagt auch ein paar Sätze auf
Deutsch. Leider bin ich mittlerweile ziemlich betrunken. Es waren zwar
gar nicht soo viele Biere, aber irgendwie haben diese
0,7-l-Gläser mehr Alkohol drin als die 0,5er zu Hause. Dieses
Foto spiegelt meinen Zustand
sehr gut wider. Als mich auch mein Englisch zu verlassen beginnt (mit
Japanisch klappts erst recht nicht mehr) fragt sie mich, ob wir morgen
um 1 zusammen mittagessen wollen, und wir verabreden und bei Denny's.
Warum auch nicht? Mein Fahrrad bringt mich irgendwie nach Hause,
schließt sich ab, der Schlüssel hüpft brav in mein
Portemonnaie, wo er nach dem Erlebnis von gestern neuerdings
hingehört, und ich lande irgendwie in meinem Bett.
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