01.10., Eine Bootsfahrt auf dem Sumida

Nach dem Frühstück und dem obligatorischen Aufenthalt auf meiner Internet-Mauer erkunde ich heute den Bahnhof von Hatagaya. Aha, Ich bin an der Keio-Linie, und zwar genauer der neuen Keio-Linie (keio shinsen). Mit der fahre ich jetzt erst einmal nach Shinjuku, steige aus und schaue mir sehr genau an, wo der Eingang zur Haltestelle ist. In der Tat komplett woanders, als ich mir gestern vorgestellt hatte, und wie der freundliche Japaner mir gestern zu erklären versucht hat am südwestlichen Ende des Bahnhofs Shinjuku. Wahrscheinlich hätte ich auch eine Station weiter fahren können und wäre dann in Shinjuku-sanchoume rausgekommen, wo ich gestern die Station gesucht habe; das muss ich ein andermal erkunden. Den Fahrplänen entnehme ich jedenfalls, dass auch nach Mitternacht noch Züge fahren; es wäre gestern also auch möglich gewesen, mit der Bahn nach Hause zu kommen.

Heute fahre ich nach Ginza, eine Gegend, in der es laut meinem Reiseführer große, schicke Kaufhäuser gibt. Wenn ichs recht bedenke, weiß ich allerdings gar nicht, was ich wirklich hier will, denn Kaufhäuser interessieren mich eigentlich nicht so sehr. Ich schaue sie mir daher nur von außen an Foto dazu und lasse den Anblick der Menschenmenge auf mich wirken Foto dazu.

Im Sony-Gebäude gibt es den Sony-Showroom, wo auf fünf Etagen die neusten Sony-Produkte ausgestellt sind. PCs Foto dazu, Notebooks Foto dazu, MP3-Player Foto dazu, Kameras Foto dazu, Camcorder Foto dazu, Heimkino-Anlagen, große HDTV-Fernseher Foto dazu, Blu-ray-Disc-Recorder Foto dazu ... was das Herz begehrt. Auch ein Librie übrigens Foto dazu, Sven, aber die hier ausgestellten Geräte stehen nicht zum Verkauf. Es gibt zwar eine kleine Verkaufsabteilung, aber die führt nur eine kleine Auswahl der Produkte.

Zur Erholung gibts erst mal einen Cappucino Foto dazu mit Blick auf die beliebte Kreuzung Yonchoume Foto dazu. Obwohl ich im Prinzip nur eine Straße langgegangen bin, habe ich von Ginza eigentlich schon genug gesehen. Ich blättere in meinem Reiseführer und komme auf die Idee, eine Bootsfahrt nach Asakusa zu machen. Die Anlegestelle ist in einem Garten hier in der Nähe und es ist prächtiges Sonnenwetter, genau das Richtige.

Also laufe ich erst einmal in Richtung Fluss. Unterwegs komme ich an einem Kabuki-Theater vorbei Foto dazu, ansonsten ist die Straße eher unspektakulär. Am Fluss angekommen Foto dazu stelle ich fest, dass es gar keinen Weg am Ufer entlang gibt. Hätte ich mal genauer in meinen Stadtplan geschaut; zwischen der Brücke, an der ich stehe, und dem Garten, zu dem ich will, liegt ein goßer Fischmarkt. Der soll an und für sich auch eine Sehenswürdigkeit sein, aber zu einer Tageszeit, wo ich noch schlafe. Ich muss also wieder ein Stück des Weges zurückgehen, werde dafür aber in einem Seitensträßchen mit einem kleinen Schrein entschädigt Foto dazu. Der Fischmarkt oder jedenfalls die Geschäfte an seinem Rand sind jedenfalls total ausgestorben um diese Zeit Foto dazu.

Heute ist irgendein besonderer Tag und deshalb der Eintritt in den Garten frei. Entsprechend viele Leute sind dort unterwegs. Ein Künstler balanciert auf einem mit dem Mund gehaltenen Stock eine Teekanne Foto dazu und die Leute genießen Foto dazu oder fotografieren Foto dazu die Blumen.

Ich suche erst einmal die Anlegestelle. Dort werde ich mal wieder nicht schlau aus den Schildern ... alles nur in Kanji. Man sollte doch meinen, dass dies ein Ort ist, an den sich auch mal ein Tourist verirren könnte, doch Fehlanzeige, nichts mit lateinischen Buchstaben. Immerhin kann ich auf japanisch äußern, dass ich gerne eine Bootsfahrt machen würde, hier aber leider nichts lesen kann, woraufhin man mir anhand einer englischsprachigen Broschüre, die es unterm Tresen denn doch gab, die Optionen erklärt. Nach Asakusa bitte, das soll ohnehin sehenswert sein, und in Odaiba war ich schon.

Es bleiben noch 20 Minuten, in denen ich schnell noch eine Blitztour durch den Garten mache Foto dazu Foto dazu, dann gehts aufs Boot Foto dazu. Die Fotos mögen für sich sprechen Foto dazu Foto dazu. Mir fällt auf, dass entlang des Ufers an vielen Stellen Zelte stehen Foto dazu Foto dazu, und Pamela bestätigt mir später meine Vermutung, dass es sich dabei um Obdachlose handelt. Obdachlose waren mir zuvor schon zahlreiche aufgefallen, allerdings habe ich mich irgendwie geschämt, sie zu fotografieren. In der unterirdischen Passage von Bahnhof Shinjuku nach Westen zum Beispiel liegen sie, meist hinter aus Pappkartons gebastelten kleinen Wandschirmen. Auch im Park von Ueno sind mir viele aufgefallen. Vielleicht werd ich irgendwann meine Scheu überwinden und doch mal das ein oder andere Foto schießen.

Es ist schon wieder kurz vor Sonnenuntergang, als das Boot in Asakusa anlegt. Wie die Zeit nur immer so schnell vergeht! Ich muss mich sputen, wenn ich den Senso-ji-Tempel, laut meinem Reiseführer Tokyos "heiligster und spektakulärster Tempel" noch bei Tageslicht sehen will.

Mit dem Wort Tempel verbindet man eigentlich einen Ort der Ruhe, aber Senso-ji ist anders: Hier herrscht regelrechte Volksfest-Stimmung (vielleicht ist auch gerade ein besonderes Fest, ich sehe den Tempel ja zum ersten Mal). Durch das erste Tor Foto dazu erreicht man einen langen Weg zum Tempel, der von Geschäften aller Art gesäumt wird Foto dazu. Ich spurte auf der Rückseite der Geschäfte entlang und kriege das Hauptgebäude des Tempels gerade noch im Licht der letzten Sonnenstrahlen vor die Linse Foto dazu. Die Leute stehen hier Schlange, um zu beten Foto dazu; einer nach dem anderen wirft etwas Geld ein, klatscht in die Hände und verharrt kurz.

Seitlich gibt es für 100 Yen mikuji – das Wort steht komischerweise nicht in meinem elektronischen Wörterbuch. Man schüttelt eine sechseckige Blechdose, zieht aus einem kleinen Loch ein Stäbchen mit einer Nummer Foto dazu und nimmt dann aus der entsprechenden Schublade einen Zettel mit einer Art Horoskop Foto dazu. Was dann kommt, beobachte ich erst später: Man bindet nämlich dann den Zettel an einem der dafür vorgesehenen Drähte fest Foto dazu, um sich zu wünschen, dass die Weissagung so in Erfüllung geht. Aber nur, wenn es ein gutes Horoskop ist – sonst bindet man es nicht an und holt sich im Zweifelsfalle lieber noch mal ein neues, wie mir Hiko später erklärt.

In und um den Tempel tobt jedenfalls das Leben. Natürlich ist auch die Dichte ausländischer Touristen höher als sonstwo, aber die Kombination aus heiliger Stätte und Volksfest finde ich schon faszinierend. Direkt neben dem Tempel ist anscheinend ein kleiner Vergnügungspark; hier ein Foto zum Thema Tradition und Moderne Foto dazu.

Zwischendurch wieder eine jener typischen Begegnungen, die ich inzwischen fast hassen gelernt habe: Ein älterer Japaner schaut mich freudig an und fragt mich: "Where are you from?" "doitsu kara kimashita." "Which city?" "Hannover desu." "moi moi!" ? ... was will er? "moi moi!". Der Groschen fällt nur pfennigweise, aber nachdem er es noch ein paarmal wiederholt hat, beginnt es wie "Moin Moin" zu klingen. Ach, die Japaner! Er fragt mich auf Englisch, ob man das den ganzen Tag lang sagen kann, und ich antworte "hai, tsukaemasu. demo kita no doitsu dake ...". [ja, man kann, aber nur in Norddeutschland.] "doitsu he itta koto ga arimasu ka?" [Waren Sie schon einmal in Deutschland?] "Guten Morgen. Guten Tag. Guten Abend. Auf Wiedersehen. Bitte. Danke. Prost." (Mit überraschend guter Aussprache, aber vollkommen inhaltsleer.) Das wars, mein Gesprächspartner hat sein Englisch und sein Deutsch geübt und verabschiedet sich ... und ich habe mein Japanisch geübt. Kennt Ihr den Film "The Last Samurai"? "I have introduced myself, you have introduced yourself. It was a goooood conversation."

Ich esse in Asakusa zu Abend und fahre dann nach Hause; genug gesehen für heute. Die Navigation im Bahnhof Shinjuku gelingt mir immer besser: Zielsicher finde ich den Weg zu der entlegenen Bahnlinie, die mich bis vor die Haustür meines Hotels bringt.

 

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©2005 by Harald Bögeholz