29.09., Fahrt durch die Berge

Heute stehen wir noch ein bisschen früher auf, es ist glaube ich sogar noch Vormittag. Schade, dass wir schon wieder nach Tokyo zurückmüssen; ich hätte es noch eine Weile ausgehalten in diesem gemütlichen Nest am Fuße des Fuji. Vielleicht hätte man ihn ja sogar mal zu sehen gekriegt.

Noch vor dem Frühstück ist der wolkenverhangene Fuji jedenfalls Anlass für eine kleine Japanisch-Lektion: Als ich auf den Balkon trete und sage "fujisan ga mienai. zannen.", korrigiert mich Hiko: mirarenai. Ach, ach! Und ich dachte, ich hätte den Unterschied verstanden und habe bewusst mienai gesagt. Aber Hiko besteht darauf, dass in diesem Fall mirarenai richtig ist. Beides heißt sehen können; ich wollte sagen: Schade, man kann den Fuji nicht sehen. Aber es gibt von den beiden Verben sehen und hören jeweils zwei Formen, die "können" ausdrücken, und der Unterschied ist ein eher subtiler. Hiko versucht lange, mir das zu erklären (obwohl ich wie gesagt eigentlich schon im Sprachkurs gedacht hatte, ich hätte das begriffen), und ich denke, ich habs jetzt endlich: Das eine sehen können (mieru) ist ein objektives, also etwas ist zu sehen, egal ob jemand es sehen will. Das andere sehen können (mirareru) drückt aus, dass man etwas sehen kann, wenn man will. Also: Von diesem Fenster aus kann man den Fuji sehen: mieru. Im Kino kann man Filme sehen: mirareru. Da es aber, wenn ich auf dem Balkon stehe, nicht darum geht, ob man von hier aus im Allgemeinen den Fuji sehen kann, sondern darum, dass wir ihn heute im Speziellen nicht sehen können, obwohl wir ja gerne würden, heißt es mirarenai. Hätten wir das endlich geklärt.

Nach dem Frühstück ist Aufräumen angesagt. Hiko steckt die Bettwäsche in die Waschmaschine, ich saugstaube. Jetzt ist das Zimmer, in dem ich geschlafen habe, wieder in einem fotografierfähigen Zustand Foto dazu, eines von zwei japanischen Zimmern mit Tatami-Matten.

Als wir aufbrechen, ist der Fuji immer noch von Wolken verhangen; es hat nicht sollen sein, dass ich ihn zu Gesicht bekomme. Da muss ich wohl nächstes Jahr noch einmal wiederkommen, und wir fahren dann zusammen wieder hierher. Wenn ich nochmal eingeladen bin. Wir fahren wieder die kurvige Landstraße, wobei sich das bei Tage landschaftlich sehr lohnt. Kurz vor Sonnenuntergang machen wir eine Pause an einer Stelle, wo eine Hängebrücke hoch über einen Fluss führt Foto dazu Foto dazu; wirklich eine sehr nette Strecke.

Das ändert sich allerdings, als wir bei einbrechender Dunkelheit ins Stadtgebiet fahren und uns wieder mal im Stop&Go, mal mit bis zu 50 km/h durch den Moloch Tokyo bewegen. Obwohl (oder weil?) ich mit einem Atlas bewaffnet die Navigation übernommen habe, verfahren wir uns zu allem Überfluss noch, was Hiko zwar ärgert, aber uns glaube ich sogar etwas schneller ans Ziel gebracht hat, weil wir nämlich versehentlich auf ein Stück mautpflichtige Schnellstraße geraten sind. Zumindest hat es die Reise subjektiv etwas beschleunigt, wenigstens mal ein, zwei Kilometer lang etwsa zügiger fahren zu können.

Das Hotel, in dem mich Hiko einquartiert hat, heißt nooburu   ein echtes Nobel-Hotel also. Für 6825 Yen pro Nacht (ca. 50 Euro) habe ich jetzt doch etwas mehr Komfort als im Kimi Ryokan: Eigenes Bad, Fernseher, Kühlschrank ... wenn das Zimmer auch winzig ist Foto dazu Foto dazu. Es herrschen allerdings ebenfalls strenge Sitten: Besucher dürfen nicht mit aufs Zimmer, und um 2 Uhr nachts schließt das Hotel. Na ja, ich hatte ohnehin nicht vor, mich ins Nachtleben zu stürzen.

 

(Gästebuch außer Betrieb)     Inhaltsverzeichnis     weiter >


©2005 by Harald Bögeholz