26.09., Autofahren ist mühsam in Japan

Ab heute werde ich endlich ein paar Tage mit Hiko verbringen. Wir wollen in ein Ferienhaus seines Onkels fahren, das am Fuße des Fuji an einem See liegt. Aber erst muss Hiko ausschlafen; er schiebt ja am Wochenende immer Nachtschichten in einem Kombini, um etwas Geld zu verdienen. Von Samstag auf Sonntag und von Sonntag auf Montag jeweils von 21 bis 7 Uhr. Daher sind wir erst für 15 Uhr verabredet; bis 14 Uhr will er schlafen.

Ich checke aus dem Ryokan um 11 aus, lasse mein Gepäck aber da und besorge mir erst mal was zum Frühstück. Dann auf meine Treppe ans Internet, die übliche Routine. Schließlich wollen meine Leser aktuelle Fotos sehen (nehme ich jedenfalls an: Hallo, liest das hier noch wer, der mir keine E-Mail geschrieben hat? Dann aber los jetzt, ich möchte von Dir hören!).

Nach dem anstrengenden Tag gestern ist mir heute nach etwas Ruhe. Ich finde in meinem Reiseführer einen nur wenige Yamanote-Stationen entfernten Garten namens Rikugien; der soll es sein. Ich habe mein Kanji-Buch dabei; vielleicht setze ich mich einfach unter einen Baum und lerne ein bisschen.

Auf dem Weg fällt mir ein, endlich mal ein Foto von den gelben Linien zu machen, die man hier an vielen Stellen auf den Gehwegen sieht Foto dazu, auf jeden Fall in allen Bahnhöfen. Nicht immer sind sie gelb, aber immer haben sie Längsrillen, die ich beim Gehen ziemlich lästig finde, oder kreisförmige Huppel. Hiko hat mir das eigentlich Offensichtliche erklärt: Diese Linien sind Hilfen für Sehbehinderte. Man spürt beim Laufen deutlich, in welche Richtung die Linien weisen, und an den gepunkteten Stellen empfiehlt es sich, anzuhalten. Sehr fortschrittlich, wenn ich auch als nicht Sehbehinderter das Gehen auf diesen Linien wie gesagt unangenehm finde.

Obwohl der Garten für Tokyoter Verhältnisse ganz in der Nähe ist, hat es doch eine halbe Stunde gedauert, hinzukommen. Es bleibt mir also nur eine Stunde für die Besichtigung, und die reicht gerade so, überall rumzukommen und ein paar Fotos zu machen Foto dazu Foto dazu Foto dazu Foto dazu. Zwischendurch ruft Hiko an, dass er etwas später aufgewacht ist und wir uns erst um 15:30 treffen, also habe ich noch eine halbe Stunde Verlängerung, in der ich mich damit beschäftigen kann, diesen Reiher auf der kleinen Insel ins rechte Licht zu setzen Foto dazu Foto dazu (oder was immer das für ein Federvieh ist). Und die sich sonnenden Schildkröten Foto dazu.

Wir treffen uns wie verabredet um 15:30 am Kimi Ryokan, laden mein Gepäck ins Auto und fahren los. Es ist ein unglaublicher Verkehr in Tokyo – für meine Verhältnisse, Hiko findet das ganz normal.

Nach einer Viertelstunde geht die Öl-Kontrolllampe an, was das wohl bedeutet? Na dass wir schnellstens an der nächsten Tankstelle anhalten, damit sollte man nicht spaßen, meine ich. Es gibt in Japan so gut wie nur Tankstellen mit Bedienung; der Selbstbedienungsgedanke beginnt sich erst ganz allmählich an einigen wenigen Tankstellen durchzusetzen, und dort gibt es dann immer noch die Alternative, an eine Zapfsäule mit Bedienung zu fahren. Folglich ist so eine aufleuchtende Öl-Kontrolllampe eine sehr bequeme Angelegenheit: Man sagt dem Tankwart, dass die Lampe leuchtet, öffnet die Motorhaube und er überprüft den Ölstand und diagnostiziert, dass, oh Wunder, Öl fehlt.

Was mich dann aber überrascht ist, dass sich ein laaanges Gespräch mit dem Tankwart zum Thema Öl entwickelt, von dem ich trotz oder wegen meiner rudimentären Japanischkenntnisse nicht wirklich viel verstehe. Als endlich der Entschluss gefallen ist, neues Öl einzufüllen, verhandeln Hiko und der Tankwart – Hiko ist inzwischen ausgestiegen, wieder minutenlang, wahrscheinlich über die Sorte. Ich habe ja nicht mitgehört, was das Problem war, aber irgendwie schien mir das Ganze doch sehr wortreich und kompliziert abzulaufen. Nur so mein persönlicher Eindruck aus Sicht eines Ausländers.

Nach der ebenfalls sehr wortreichen Verabschiedung durch den freundlichen Tankwart stürzen wir uns wieder in den Verkehr. Immer wieder geht es nur im Stop&Go voran, und selbst wenn es mal kurz flüssig läuft, ist es immer noch Stadtverkehr, man fährt also 50 oder so. Und die Stadt endet nicht und endet nicht und nimmt kein Ende. Ich sehe immer wieder Schilder zum Chuo-Expressway und frage Hiko, ob man denn nicht auch eine Autobahn nehmen könnte, kousokudouro ha ikaga? Ja, klar könnte, man, möchtest Du? Ich weiß nicht, ob ich möchte, ich kenne mich ja hier nicht aus, ich denke nur nach über einer Stunde Fahrzeit und wenig sichtbaren Fortschritten, dass es doch schnellere Möglichkeiten geben müsste, aus dieser Stadt herauszukommen. Ja, das muss man überlegen. Aber kousokudouro ist teuer, und jetzt läuft es ja gerade wieder gut. Na gut, Hiko ist der ortskundige Fahrer und ich bin der Gast.

Wir bringen in den nächsten Stunden das Thema kousokudouro noch ein paar Mal zur Sprache, fahren aber eisern Landstraßen. Knapp 120 Kilometer ist der Ort weg, und wir haben vier Stunden reine Fahrzeit gebraucht, davon über die Hälfte im Dunklen. Autofahren in Japan ist wirklich unglaublich nervig! Auf dem Rückweg nehmen wir aber die Autobahn, ja?

Immerhin habe ich auf der Fahrt reichlich Kanji-Unterricht bekommen. Wie viel er nützt, wird sich noch rausstellen, aber ich habe mir die Zeit damit vertrieben, möglichst viele Schilder anzuschauen und im Zweifelsfalle Hiko zu fragen, was da steht. Yamanakako, unser Reiseziel, besteht zum Beispiel aus drei Kanji, von denen ich die ersten beiden schon kannte, weil sie sehr einfach sind: Yama (Berg) und Naka (Mitte). Und vom ditten kenne ich schon die Grundkomponenten: Wasser, alt, Mond. Ein Wasser-alt-Mond, ja, mit etwas Fantasie ist das ein See. Also ist Yamanakako ein See mitten in den Bergen, ja, stimmt genau.

Da es so spät wurde, haben wir unterwegs schon bei einem Supermarkt angehalten und etwas zu essen und zu trinken gekauft. Fertige Sachen, die wenig Mühe machen: Sashimi (rohen Fisch) und Gemüse, das man einfach so auf den Tisch stellt, sowie frittiertes Hähnchenfleisch und Bällchen mit Schweinefleisch, von denen ich schon wieder vergessen habe, wie sie heißen, die man kurz in die Mikrowelle steckt. Und natürlich Reis; ebenfalls faulerweise die Fertigversion für die Mikrowelle Foto dazu. Lecker Essen, da lacht mein Hiko Foto dazu :-).

 

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©2005 by Harald Bögeholz