25.09., Fukuro matsuri

Endlich ist das Schlafdefizit aufgeholt und die Zeitumstellung vollbracht: Um 9 wache ich auf, das ist für Urlaubsverhältnisse doch eine gute Zeit zum Aufstehen. Ich bin ja schließlich in dieses ruhige Städtchen gefahren, um mich zu erholen, nicht um unbedingt ganz Japan zu besichtigen. Schon schade, dass Hiko das Wochenende über arbeiten muss und nicht bei mir sein kann ...

Direkt um die Ecke ist ein Denny's Restaurant. Da ich das letztes Jahr in Okazaki schon als Frühstückslokal schätzen gelernt habe, probiere ich es auch diesmal wieder und werde nicht enttäuscht: Sie haben ungefähr die gleiche Karte. Ich nehme das große Frühstück mit Misosuppe, Reis, gegrillten Lachs und ... nach kurzem Zögern ... natto. Was das betrifft, habe ich mich zwar an den Geschmack gewöhnt, weil es das im Frühjahr bei meiner Gastfamilie fast zu jedem Abendessen gab, aber so pur zum Frühstück ist es doch nicht unbedingt nötig, und ich lasse die Hälfte stehen. Immerhin: Hier hat es nicht den Anschein als würde sich irgendjemand hinter meinem Rücken darüber amüsieren, dass der Ausländer natto isst. Oder er tut es hinter meinem Rücken ;-).

Um kurz vor halb zwölf ist einiges los in dem abgesperrten Sträßchen, das ich gestern gefunden habe Foto dazu. Der mikoshi steht in der Mitte Foto dazu, und nachdem jemand eine kurze Ansprache gehalten hat Foto dazu, von der ich leider kein Wort verstehe, geht es los Foto dazu. Mit kleinen Schritten im Gleichschritt, fast hüpfend tragen sie den Schrein durch die Straßen Foto dazu. Den Verkehr regelt dabei nicht etwa die Polizei, sondern anscheinend Leute, die zu der Gruppe gehören Foto dazu.

Als sich der Schrein allmählich dem Bahnhof nähert, bemerke ich in einer Parallelstraße eine weitere Gruppe mit einem weiteren mikoshi Foto dazu. Und um die Ecke steht noch einer Foto dazu. Das scheint wohl eine größere Veranstaltung zu werden hier. Ein Kinderschrein ist auch mit von der Partie Foto dazu ... jetzt weiß ich, wofür da gestern geübt wurde.

Auf dem Bahnhofsvorplatz beziehungsweise in den Straßen dahin stauen sich immer mehr Schreine Foto dazu, und vor dem Bahnhof steht eine Bühne, die gestern noch nicht da war. Ich treffe einen Amerikaner, der mich fragt, was der Sinn des Ganzen ist. Was soll ich da sagen, ein matsuri halt, ein Shinto-Fest. Was es genau bedeutet oder wie es heißt ... keine Ahnung. Er fragt immer wieder Leute auf Englisch danach, wird aber nicht verstanden. Ich könnte ja auf Japanisch nach dem Sinn der Veranstaltung fragen, aber irgendwie habe ich keine Lust, eine eventuelle Antwort zu decodieren. Er verschwindet für eine Weile und hält mir nach ein paar Minuten stolz einen Zettel under die Nase: fukuro matsuri – Eulen-Fest. Ja, so viel weiß ich inzwischen auch, weil ich nämlich das Schild über der Bühne lesen kann, jedenfalls die großen Zeichen mit dem Titel der Veranstaltung (ätsch!) Foto dazu. Auf der Bühne steht momentan eine einsame Sängerin als "Vorgruppe", die aber bald von einer Gruppe feierlich aussehender älterer Herren abgelöst wird, von denen zwei eine Ansprache halten Foto dazu.

Dann endlich beginnt die Parade, und alle Schreine prozessieren nacheinander vor der Bühne vorbei, wobei sie sich besondere Mühe geben, zu hüpfen, zu schreien, zu jubeln. Viele tragen noch ein Kind oder einen Jugendlichen Foto dazu (oder beides Foto dazu) als Galeonsfigur.

Alles Weitere mögen die Fotos erzählen (zur Erinnerung: Auf den Tagebuchseiten ist nur ein Teil der Fotos eingebaut; die gesamte Fotogalerie hat eine eigene Navigation, die von jedem beliebigen Foto aus erreichbar ist). Ich mache nach der Parade ein Mittagsschläfchen im Ryokan, um dann festzustellen, dass immer noch Schreine durch das ganze Viertel getragen werden, eine Trommlergruppe trommelt und überhaupt das ganze Viertel in matsuri-Stimmung ist. Ich bummle also weiter durch die Stadt, mal hierhin, mal dorthin, und sehe so viel Spannendes, dass ich gar nicht auf die Idee komme, in meinem Reiseführer nachzuschlagen, was man denn sonst mal machen könnte in Tokyo. Ehe ich michs versehe, ist der Tag rum. Meinen Hunger befriedige ich in einem japanischen Schnellrestaurant, wo man an einem Automaten sein Essen auswählt und bezahlt, es aber dann doch von einem Menschen gebracht bekommt, mit einem Schnitzel Alex – ach nein, doch nicht ganz Foto dazu.

 

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©2005 by Harald Bögeholz