24.09., Ame no hi (ein Regentag)

Als ich gegen 10 aufwache, höre ich es draußen regnen. Hunger habe ich auch noch nicht im geringsten und besondere Lust zu irgendwas auch nicht, also drehe ich mich nochmal um und schlafe weiter. Das Spielchen geht so weiter, bis es endlich nicht mehr regnet. Wir haben gestern wirklich unglaublich viel gegessen, tabehoudai mussten wir schließlich ausnutzen und nomihoudai auch.

Draußen zieht eine merkwürdige Prozession um die Häuser; ich höre die Trillerpfeife schon seit einer ganzen Weile. An zwei langen Seilen zieht die Gesellschaft einen kleinen Wagen mit Kindern und einer Trommel drauf durch die Straßen Foto dazu Foto dazu Foto dazu Foto dazu. Gleich gegenüber von meiner Herberge steht ein Zelt mit einem mikoshi, einem tragbaren Shinto-Schrein. Irgendwas ist da im Anmarsch. Aber so richtig viel ist nicht los; vielleicht üben sie nur?

Ich komme nicht umhin, noch einmal zu fotografieren, wie unglaublich verschandelt manche Ecken doch durch oberirdisch verlegte Leitungen sind Foto dazu. Nach dem Essen erkunde ich weiter die Nachbarschaft meiner Herberge. Ehe man sichs versieht, wird es auch schon wieder dunkel; das kommt davon, wenn man den halben Tag schläft. Aber irgendwie steckte mir die Zeitverschiebung doch noch in den Knochen.

Eine Straße ist mit Laternen behängt und für Autos gesperrt, was mag da wohl los sein Foto dazu? Ah, ein weiterer mikoshi, diesmal einer für Erwachsene Foto dazu. Und eine Art Empfang Foto dazu (die beiden Schriftzeichen in der Mitte des Bildes kommen mir so vor wie uketsuke, Rezeption, und wie ich beim Tagebuchschreiben an Hand meines Wörterbuchs feststelle, habe ich mich nicht getäuscht. Ich lese (!) auf einem Schild, dass morgen um 11:30 die Parade zum Bahnhofsvorplatz beginnt. Aha, dann ist das heute vermutlich die Anmeldung für die Leute, die mitmachen wollen. Oder die Spendenannahmestelle für den Schrein. Oder wahrscheinlich beides in einem. Ich beobachte jedenfalls, wie ein neues Täfelchen an die große Tafel hinter dem Schrein gesteckt wird; habe letztes Jahr von Declan gelernt, dass auf solchen Tafeln üblicherweise die Namen der Spender stehen.

Als nächstes brauche ich einen Internet-Zugang. Wär doch gelacht, wenn es in Tokyo keine WLANs gäbe. Da ein leichter Nieselregen eingesetzt hat, wähle ich eine überdachte Treppe neben einem Schild, auf dem in Katakana was von akademii und in lateinischen Buchstaben "Success18" steht. Und Bingo! Ich empfange 4 WLANs, davon ein offenes, das mir eine IP-Nummer gibt und mich ins Internet lässt. Sehr touristenfreundliches Land, Japan. Hiermit erkläre ich diese Treppe zu meinem neuen Internet-Cafe Foto dazu. Und praktischerweise ist sie keine 100 Meter von meiner Herberge entfernt!

Nachdem ich die erste Tagebuchseite und die ersten Fotos ins Netz gestellt und all meine E-Mails gesichtet habe, ziehe ich mich in meine Unterkunft zurück. Der Nieselregen dauert an; heute ist einfach ein Tag zum zu Hause Bleiben. Ich schlüpfe in meinen yukata Foto dazu, bearbeite die nächsten Bilder und schreibe die nächste Tagebuchseite.

Man könnte auf den ersten Blick meinen, ein Yukata wäre ein Bademantel. Aber es handelt sich durchaus um gesellschaftsfähige Kleidung; die Leute im Ryokan (auch Japaner, obwohl hier fast nur Ausländer sind) laufen damit rum. Man kann einen Yukata auch auf der Straße tragen, jedenfalls zu traditionellen Anlässen wie einem matsuri. Natürlich käme ich nicht im Traum auf die Idee, im Yukata meine Herberge zu verlassen. Bin ja Ausländer.

 

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©2005 by Harald Bögeholz