21.9./22.9., Auf nach Tokyo

Zum dritten Mal fliege ich jetzt schon nach Japan ... allmählich wird das fast Routine. Erst ein Hüpfer von Hannover nach Paris (CDG), und dann gehts in die große Maschine. Viel Zeit ist nicht in Paris; gerade mal eine Stunde habe ich, um von Terminal 2D nach Terminal 2F zu laufen, wo dann auch gleich schon das Einsteigen beginnt. Irgendwer beklagte sich die Tage mal bei mir, der Flughafen sei so unübersichtlich. Das kann ich eigentlich nicht bestätigen, ich habe meinen Weg sofort gefunden.

Schon vor dem Einsteigen ins Flugzeug merkt man, dass man nach Japan fliegt, denn der überwiegene Teil der Passagiere sind Japaner. Neben mir sitzt ein junger Franzose, mit dem ich mich den Flug über ganz nett unterhalte, und auf dem dritten Platz in der Sitzreihe ein Japaner, der sehr gut Englisch spricht. Meine zaghaften Versuche, ein paar Worte auf Japanisch mit ihm zu wechseln, ignoriert er beständig und antwortet immer auf Englisch. Nun ja, auch das habe ich schon erlebt.

Auf dem Weg zur Toilette fällt mir auf, dass viele Japaner Pantoffeln anhaben. Ich stelle mir belustigt einen Schuhschrank am Eingang des Flugzeugs vor, wo alle Japaner ihre Straßenschuhe ablegen und Pantoffeln anziehen, aber so ist es natürlich nicht. Aber sie haben fürs Flugzeug Pantoffeln dabei, die Japaner.

Obwohl ich nur etwa zwei Stunden lang schlafen konnte, fühle ich mich recht munter, als ich in Narita ankomme. Kaum bin ich durch den Zoll, klingelt auch schon mein Handy und Hiko fragt besorgt, wo ich denn bleibe. Ich sage ihm, dass ich jetzt erst einmal Geld hole, mir dann überlege, wie ich nach Shinjuku komme und ihn dann wieder anrufe, wenn ich weiß, wenn ich da bin. Da ich schon zum zweiten Mal hier bin, finde ich den Bankautomaten auf Anhieb wieder.

Am Informationsschalter frage ich auf Japanisch, wie ich am besten nach Shinjuku komme. Die Dame antwortet tatsächlich auf Japanisch, und ich kann die erste Hälfte der Antwort verstehen: Es gibt einen Zug und einen Bus, beide sind gleich teuer und der Zug ist schneller. Dann kommt was Kompliziertes und ich schaue sie ratlos an. Mit einem freundlichen Lächeln wiederholt sie alles nochmal auf Englisch. Der Teil, den ich nicht verstanden habe, hieß, dass es auch eine billigere Möglichkeit gibt, aber die sei schwieriger, weil man umsteigen muss. Vor dem Umsteigen habe ich keine Angst, und eilig habe ich es auch nicht. Ich lasse mir also erklären, dass ich mit der Keisei-Linie nach Nippori fahren und dort in die Yamanote umsteigen soll nach Shinjuku. Kein Problem.

In der Bahn treffe ich den Japaner wieder, der mit mir in der gleichen Sitzreihe saß – so ein Zufall. Kaum sitze ich, klingelt das Handy und Hiko will wissen, wo ich stecke. Ich erkläre ihm, wie ich nach Shinjuku zu kommen gedenke und wir verabreden uns vor dem Koban am Ost-Ausgang. Die Stelle kenne ich noch vom letzten Jahr, das ist praktisch. Nach dem Gespräch weist mich der Japaner aus dem Flugzeug darauf hin, dass es sich in Japan nicht gehört, im Zug zu telefonieren und deutet auf etsprechende Schilder. Mir war das zwar im Prinzip bewusst, aber was soll ich machen, wenn Hiko anruft?

Die Schilder waren mir allerdings letztes Jahr gar nicht aufgefallen. Man solle sein Handy in den manaa moodo schalten (von Englisch manner mode). Also stumm schalten und nicht telefonieren, sondern allenfalls SMSen. Egal, ich bin ja ein gaijin und telefoniere trotzdem im Zug. Kann ja nicht lesen :-). Aber zu meiner Freude verstehe ich von den Lautsprecherdurchsagen im Zug jetzt etwas mehr als letztes Jahr. So kriege ich tatsächlich mit, dass wir um 9:55 Uhr in Nippori ankommen; der Zug fährt also etwas über eine Stunde dorthin (8:48 bin ich abgefahren).

Als ich in der Station in Nippori durch die Absperrung gehe, um in die Yamanote-Linie umzusteigen, ist mir so als hätte was gepiept, und die Absperrung scheint nicht aufgegangen zu sein. Aber ich bin mit meiner großen Reisetasche und Rucksack bepackt so schwungvoll durchgerauscht, dass ich die Schranke anscheinend aufgedrückt habe. So richtig bewusst wird mir das erst, als es in Shinjuku wieder piept. Diesmal gehe ich brav zum Schalter und kriege erklärt, dass ich nur bis Nippori bezahlt habe und nochmal 600 Yen für die Strecke mit der Yamanote-Linie fällig sind. Das hieß also das Kleingedruckte Kanjikanji ... 600 Yen ... Kanjikanji auf dem Ticket – klar, es stand doch drauf! Die Frage, wie ich umsteigen konnte, ohne zu bezahlen, diskutieren wir aber nicht.

Hiko ist noch nicht da, und ich will ihn auf dem Handy anrufen. Klappt aber nicht; anscheinend habe ich die Nummer falsch gespeichert. Aber in weiser Voraussicht habe ich mir seine Nummer zusätzlich auf einem Zettel notiert. Das erweist sich als sehr nützliche Vorsichtsmaßnahme, und nachdem ich die fehlende Ziffer im Handy ergänzt habe, erreiche ich ihn. Er steht im Stau und braucht noch eine Viertelstunde ... kein Problem.

Die Autofahrt durch Tokyo ist abenteuerlich; ich glaube, wenn man in dieser Stadt Auto fahren kann, dann kann man es überall. Was für ein Gewusel, und was für enge Straßen! Hiko meint, dass man in meiner Herberge erst ab 15 Uhr einchecken kann; was machen wir nur so lange? Mich überrascht ein wenig, dass wir das diskutieren, während wir bereits fahren, aber egal. Hmm, tja, wir könnten uns irgendwo in ein Cafe setzen. Aber parken in Tokyo wäre wesentlich teurer als der Kaffee ... hmm ... oder in einen Park setzen? Aber wo ist ein Park? Ich weiß es ja nicht. Nach einigem Rumdrucksen beschließt Hiko, zu sich nach Hause zu fahren. Er möchte mich nicht seinen Eltern vorstellen, aber heute ist niemand zu Hause, sodass wir uns dort zwei Stunden aufhalten können.

Vom Satellitenfoto auf Google Maps kannte ich Hikos Haus schon; jetzt sehe ich es einmal live Foto dazu Foto dazu Foto dazu. Als wir das Haus betreten, werden wir freudig begrüßt von Adonis, einem jungen Dobermann. Und das, wo ich doch Hunde eigentlich nicht leiden kann! Aber es ist ein sehr liebes, verspieltes Tier. Würde er mich nicht dauernd abschlecken, könnte ich ihn fast mögen ;-). Hiko kocht für uns kalte Soba-Nudeln, lecker! Wie man kalt kocht? Ganz einfach: Man kocht die Nudeln natürlich heiß und steckt sie dann in Eiswasser zum Abkühlen.

Jetzt ist es auch schon Zeit, abzufahren. Hikos Mutter kommt bald nach Hause, und wir werden etwa eine Stunde brauchen nach Ikebukuro zu meiner Herberge. Eine ganze Stunde mit dem Auto!? Nun ja, es geht zwar nicht besonders schnell voran im Verkehrsgewühl von Tokyo, aber Hikos Plan, mich immer mit dem Fahrrad zu besuchen, ist wohl doch nicht sehr realistisch. Im Auto übermannt mich die Müdigkeit – jetzt machen sich Zeitverschiebung und Schlafmangel doch bemerkbar. Viel werde ich heute nicht mehr unternehmen. Hiko muss ohnehin das Auto zurückbringen, nachdem er mich im Kimi Ryokan abgeliefert hat, und ich sage ihm, dass er heute nicht noch einmal wiederzukommen braucht, weil ich schlafen muss.

Kimi Ryokan ist eine traditionell japanische Herberge – allerdings komplett auf Ausländer ausgerichtet. Man spricht Englisch, und überall steht auf kleinen Schildchen auf Englisch, wie man sich zu verhalten hat, dass man sich beispielsweise außerhalb des Bades gründlich zu reinigen hat, bevor man ins Bad steigt und so.

Das Zimmer ist sehr klein, vielleicht sechs Quadratmeter, aber so hatte ich es mir ungefähr auch vorgestellt, und mehr Platz brauche ich nicht Foto dazu Foto dazu. Ein kleines Tischchen, ein Futon auf dem Boden, mehr gibt es an Möbeln nicht in einem japanischen Zimmer. Ich finde das gemütlich und habe kein Problem damit, auf dem Boden zu sitzen, also alles in bester Ordnung. Die Hausordnung besagt, dass man keine Gäste mit aufs Zimmer nehmen darf und droht recht deutlich, dass Besucher, die im Zimmer eines Gasts erwischt werden, des Hauses verwiesen werden. Strenge Sitten hier. Na ja, dafür ist es billig. 4500 Yen pro Nacht, das sind weniger als 35 Euro. Ich finde für mitten in Tokyo ist das in Ordnung. (Als ich letztes Jahr in Deutschland im Reisebüro gefragt habe, sollte das billigste Hotel, das man mir hätte vermitteln können, 120 Euro kosten.) Trotzdem werde ich mir in den nächsten Tagen überlegen, ob ich nicht doch näher zu Hiko ziehen will. Schließlich will ich meine Zeit mit ihm verbringen, und wenn wir eine Autostunde auseinander wohnen, ist das nicht wirklich praktisch.

Gleich neben meinem Zimmerchen ist die gemeinsam genutzte Waschecke Foto dazu mit zwei Duschen Foto dazu, alles sehr sauber und gepflegt. Hier lässt es sich aushalten. Leider gibt es kein offenes WLAN; wie ich das mit dem Internet-Zugang machen soll, weiß ich noch nicht.

Ich verabschiede mich von Hiko; wir verabreden, dass ich ihn morgen gegen 10 anrufe, damit wir uns verabreden können. Leider kriegen wir es nicht hin, SMS zu schreiben, und er kann mit seinem Handy nicht im Ausland anrufen. Also werde ich immer ihn anrufen müssen. Ob mich mir wohl doch ein japanisches Handy oder wenigstens eine japanische Telefonkarte kaufe? Nachdem Hiko weg ist, mache ich noch einen kurzen Spaziergang um den Block und gehe gegen 18 Uhr ins Bett. totemo tsukaremashita.

 

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©2005 by Harald Bögeholz