Nachdem ich den Vormittag am Computer verdaddelt habe, will ich
mich heute mal ans Sightseeing machen und Yokohama besichtigen. Bin ja
schließlich nicht zum Vergnügen hier ;-). Ich besorge mir an der
Touristen-Information einen Stadtplan und beschließe, den Bereich
östlich des Bahnhofs zu erkunden, einen Stadtteil namens Minato Mirai
21. Da steht die amtliche Sehenswürdigkeit der Stadt, der Landmark
Tower , auf den man hochfahren und die Aussicht genießen kann.
Heute ist das Wetter ganz passabel; etwas dunstig zwar, aber im
Prinzip sonnig.
Der Anblick, der sich einem bietet, wenn man den Ostausgang des
Bahnhofs nimmt, ist ausgesprochen trostlos . Wahrscheinlich kommen
auch nur Touristen auf die Idee, hier rauszugehen. Man kann nämlich
auch unterirdisch weiter und kommt durch eine Einkaufspassage
anscheinend direkt in das Kaufhaus auf der anderen Seite. Aber
Kaufhäuser interessieren mich nicht besonders, ich will ja die Stadt
besichtigen.
Es ist gar nicht einfach, in den gewünschten Stadtteil zu gelangen.
Ich irre in diesem Einkaufszentrum namens Bay Quarter rum, in dem es
anscheinend nur Rolltreppen gibt, die nach oben fahren, aber weder
Treppen noch Rolltreppen nach unten. Ich kann die Brücke sehen, über
die ich rüber muss , brauche aber recht lange,
um endlich einen Weg dorthin zu finden. Man soll wohl nicht zu Fuß
nach Minato Mirai, sondern U-Bahn fahren.
Die Hochhäuser sehen ja an sich gar nicht so schlimm aus. Und es
ist alles blitzsauber. Aber die armen Kinder, die da wohnen und
aufwachsen müssen. Die im Stadtplan als Takashima Central Park
ausgewiesene Fläche ist zu mehr als der Hälfte asphaltiert . Der Rest ist eine
Grünfläche mit Kinderspielplatz. Ich habe nie einen saubereren,
ordentlicheren Kinderspielplatz gesehen . Die ganze Wiese ist mit
Gummimatten ausgelegt, durch die hindurch das Gras wächst, sodass die
Kinder garantiert weich fallen . Auf Schildern steht, was
alles im Interesse einer harmonischen Nutzung des Spielplatzes
verboten ist (frei laufende Hunde,
Skateboards und andere gefährliche Sachen).
Ein paar Schritte weiter vergewissere ich mich, dass es sich bei
den drei Türmen wirklich um Wohnhäuser handelt. Plank polierte
Lobbies, kein Krümel auf dem Boden, zwischen den Eingängen ein
einsamer Convenience Store . Beklemmend.
Eine Messe- oder Ausstellungshalle, wie ausgestorben . Eine Frau spielt auf
einsamer Holzterrasse mit ihrem Hund . Ein weiterer Hund wird
Gassi geführt, auf kleinen Kacheln in Schwimmbad-Optik . Dann endlich der Park,
auf den ich die ganze Zeit zusteuere. Immerhin ein bisschen
Grün . Aber dann gleich wieder
neo-japanische Beton-Ästhetik . Ob der Japaner, der da
auf den Stufen sitzt, den Anblick wohl genießt?
Der Eingangsbereich des Intercontinental Hotel ebenfalls ein Traum
in Asphalt und Granit , der Platz davor im
Gegenlicht fast surreal . Ich hoffe sehr, Yokohama
hat auch irgendwo seine schönen Seiten. Ich kann sie heute jedoch
nicht finden (weitere Fotos einfach in der Bildgalerie
durchklicken).
Jetzt schaue ich mir das eben Besichtigte jedenfalls erst einmal
von oben an, vom Landmark Tower aus . Wenn ich die freundliche
Dame im Aufzug richtig verstanden habe, ist das der schnellste Aufzug
der Welt; jedenfalls bringt er mich in 48 Sekunden in den 69. Stock
des 296 m hohen Gebäudes. Die Japaner lieben Superlative.
Abends fahre ich schnell nach Tokyo rüber, um mich mit Chandra zum
Abendessen zu treffen. Zurück zu Hause übt sich Chandra noch ein
bisschen im Kalligraphieren – schließlich haben
wir morgen Unterricht. Ich daddle währenddessen an meinem Computer rum
und freue mich schon auf morgen. Ob ich wohl diesmal über die vier
grundlegenden Striche hinauskomme?
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