Der Dauerzustand der Erschöpfung hält an. Ich bin schon um kurz
nach 8 in der Schule, um in Ruhe mit Internet-Zugang die heutigen
Vokabeln zu wiederholen. Zwischendurch schaue ich kurz in mein altes
Klassenzimmer, wo seit heute unsere kalligraphischen Kunstwerke
aushängen .
Der Vormittag ist anstrengend wie immer; immerhin habe ich beim
allmorgendlichen Wiederholungstest inzwischen eine ungefähre Ahnung,
worum es geht. Am Nachmittag atme ich auf: Wir üben höfliches
Benehmen. Ich erfahre erst später, dass dies auf Anregung von
Edwin-san geschieht, aber es ist absolut das Richtige, das hat auch
die Lehrerin sofort erkannt. Denn wir haben in den letzten Tagen sehr
viel keigo geübt, die besonders formelle, höfliche Sprache.
Aber was nützt all die höfliche Sprache, wenn Du Dich schon beim
Betreten des Hauses zum Affen machst, weil Du Deinem Gastgeber beim
Ausziehen der Schuhe den Hintern entgegenstreckst? Oder bei der
Verbeugung Deine Hände an der falschen Stelle hast? Oder die
Visitenkarte Deines Gegenübers in die Gesäßtasche steckst?
All das üben wir am Nachmittag: Wie tief man sich in welcher
Situation verbeugt, wie man sich überhaupt verbeugt, wie man eine
Visitenkarte übergibt, wie man sie annimmt, in welcher Reihenfolge
dies geschieht, wenn mehrere Leute aufeinandertreffen und, und, und
... ja, das war eine sehr entspannende, aber gleichzeitig wichtige
Lektion. Bei all der geübten Höflichkeit erscheint es mir so
unhöflich, Fotos zu machen, dass mir leider keine guten gelingen
:-( .
Heute verabschieden wir Iraria-san (wie sie wohl wirklich heißt?
Ich habe irgendwie nie gefragt.) aus Italien, mit der üblichen Rede,
die sie am Ende vor allen halten muss . Danach Einzelunterricht,
und dann schlage ich fieberhaft die 30 neuen Vokabeln für morgen nach
und tippe sie in meinen Computer ein. Nach dem Abendessen wiederhole
ich noch ein Stündchen lang den heutigen Stoff, lese dann ein
Stündchen in meinem neu gekauften Kalligraphie-Buch, um wiederum
erschöpft ins Bett zu fallen.
| |
|