Auch heute kann ich dem Unterricht wieder mühelos folgen, alles
kalter Kaffee, den ich längst kapiert habe. Die Übungen am Nachmittag
nerven richtiggehend, denn die anderen tun sich halt teilweise noch
schwer mit dem Stoff. Nach dem Unterricht habe ich die Nase voll, es
wird Zeit, etwas zu ändern und mich aus meinem Stimmungstief zu
befreien. Also spreche ich Yoshiguchi-sensei an. Das ist gleich der
erste Test: Wenn Du nicht auf Japanisch erklären kannst, dass Du in
eine höhere Klasse willst und warum, dann hat es eh keinen Sinn. Aber
sie stimmt mir zu, ja, es sieht so aus, als wäre eine höhere Klasse
wohl besser für mich. Sie will sich nochmal mit ihren Kolleginnen
besprechen, aber nächste Woche könne ich dann wohl mal eine Prüfung
schreiben um zu sehen, ob ich weiter darf. Das klingt doch schon mal
ganz gut.
Als nächster Programmpunkt steht Einzelunterricht auf dem Plan. Ich
denke, eine zusätzliche Stunde pro Tag sollte es schon sein. Als ich
mich im Studentenbüro nach Nauruse-sensei erkundige, ernte ich nur
fragende Blicke. Ach Mist, Namen verwechselt, der für das Koordinieren
der Privatstunden Zuständige heißt ganz anders. Er ist gerade nicht
da, aber ich teile einer Kollegin meine Wünsche mit. Als sie gerade
alles aufgeschrieben hat, kommt er doch noch, und wir handeln aus, wie
viele Stunden es werden sollen und was es kosten soll: 3700 Yen pro
Stunde, etwa 23 Euro. Am liebsten würde ich gleich nächste Woche
anfangen, aber er meint, das wäre ein bisschen knapp. Ich erkläre ihm
noch einmal, dass ich mich anstrengen möchte, in eine höhere Klasse zu
kommen, und er will sehen, was er tun kann. Er muss halt erst einmal
die Terminpläne der Lehrer durchsehen.
Jetzt fühle ich mich schon viel besser, richtiggehend
energiegeladen. Also gleich los und das nächste Problem lösen: die
Festplatte. Ich klingle Declan aus seinem Büro und lasse mir ein
Computergeschäft empfehlen. Ich finde es zwar an Hand seiner Erklärung
nicht, aber das Japanisch reicht inzwischen, um eine Passantin
anzusprechen und es mir noch einmal erklären zu lassen .
Ich entscheide mich für eine 120-GByte-Platte von Toshiba und will
sie gleich einbauen. Als ich an der Kasse frage, ob man mir zu diesem
Zwecke einen Schraubenzieher leihen könne, ernte ich erstaunte Blicke
und Rückfragen: Das sei ja nicht so einfach, ob ich denn eine
Windows-CD habe? daijoubu, alles in Ordnung, ich komme schon
klar. Flugs die Platte umgeschraubt, Linux gebootet und geschaut, ob
sie sich auch meldet, alles prima.
Auf dem Rückweg geht mir wieder durch den Kopf, wie viele
unglaublich hässliche Häuser hier doch rumstehen. Hässlich wohnen hat
offenbar Methode in Japan, diese manshon genannten Mietshäuser
sind ausnahmslos uniforme Betonburgen, Silos, Käfighaltung . Nein, schön ist Japan im
Großen und Ganzen eigentlich nicht.
Ich setze mich mit meinem Notebook in den Computerraum der Schule
und spiele meinen Festplatteninhalt von der externen Platte auf die
neue zurück; währenddessen chatte ich per Schul-PCs ein wenig mit der
Heimat. Nach einer Stunde ist es vollbracht, Windows schüttelt sich
ein wenig verwundert, chkdsk löscht mir vorsichtshalber ein paar
Dateien, aber dann läuft der Rechner im Wesentlichen wieder,
freiwillig im UDMA-Mode, aber um ein paar Dateien ärmer. Die
Schlüsselverwaltung von meinem GnuPG hats erwischt, damit kann ich
leben. Die Sofware für meine Fotogalerie geht auch nicht mehr, die
muss ich allerdings noch reparieren. Aber nicht mehr heute. Inzwischen
ist es 19 Uhr vorbei, und ich freue mich auf einen Abend in der
Campus-Bar, wo ich mich mit Jonas und anderen verabredet habe, um ein
bisschen Go zu spielen und ein paar Bierchen zu nehmen. Von der
Gastfamilie habe ich mir heute frei genommen – Mama meinte, ich
solle mich amüsieren und könne ruhig auswärts übernachten, wenn ich
den letzten Zug verpasse.
Leider geht die Zeit viel zu schnell rum, aber natürlich verpasse
ich den letzten Zug nicht – bei wem sollte ich mich auch wohl
zum Übernachten einladen? Da müsste mich jemand schon sehr mögen,
damit er mich mit in sein winziges Wohnheims-Zimmerchen nähme ;-). Um
23 Uhr heißt es daher ab nach Hause .
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