26.04., Packen wirs an

Auch heute kann ich dem Unterricht wieder mühelos folgen, alles kalter Kaffee, den ich längst kapiert habe. Die Übungen am Nachmittag nerven richtiggehend, denn die anderen tun sich halt teilweise noch schwer mit dem Stoff. Nach dem Unterricht habe ich die Nase voll, es wird Zeit, etwas zu ändern und mich aus meinem Stimmungstief zu befreien. Also spreche ich Yoshiguchi-sensei an. Das ist gleich der erste Test: Wenn Du nicht auf Japanisch erklären kannst, dass Du in eine höhere Klasse willst und warum, dann hat es eh keinen Sinn. Aber sie stimmt mir zu, ja, es sieht so aus, als wäre eine höhere Klasse wohl besser für mich. Sie will sich nochmal mit ihren Kolleginnen besprechen, aber nächste Woche könne ich dann wohl mal eine Prüfung schreiben um zu sehen, ob ich weiter darf. Das klingt doch schon mal ganz gut.

Als nächster Programmpunkt steht Einzelunterricht auf dem Plan. Ich denke, eine zusätzliche Stunde pro Tag sollte es schon sein. Als ich mich im Studentenbüro nach Nauruse-sensei erkundige, ernte ich nur fragende Blicke. Ach Mist, Namen verwechselt, der für das Koordinieren der Privatstunden Zuständige heißt ganz anders. Er ist gerade nicht da, aber ich teile einer Kollegin meine Wünsche mit. Als sie gerade alles aufgeschrieben hat, kommt er doch noch, und wir handeln aus, wie viele Stunden es werden sollen und was es kosten soll: 3700 Yen pro Stunde, etwa 23 Euro. Am liebsten würde ich gleich nächste Woche anfangen, aber er meint, das wäre ein bisschen knapp. Ich erkläre ihm noch einmal, dass ich mich anstrengen möchte, in eine höhere Klasse zu kommen, und er will sehen, was er tun kann. Er muss halt erst einmal die Terminpläne der Lehrer durchsehen.

Jetzt fühle ich mich schon viel besser, richtiggehend energiegeladen. Also gleich los und das nächste Problem lösen: die Festplatte. Ich klingle Declan aus seinem Büro und lasse mir ein Computergeschäft empfehlen. Ich finde es zwar an Hand seiner Erklärung nicht, aber das Japanisch reicht inzwischen, um eine Passantin anzusprechen und es mir noch einmal erklären zu lassen Foto dazu.

Ich entscheide mich für eine 120-GByte-Platte von Toshiba und will sie gleich einbauen. Als ich an der Kasse frage, ob man mir zu diesem Zwecke einen Schraubenzieher leihen könne, ernte ich erstaunte Blicke und Rückfragen: Das sei ja nicht so einfach, ob ich denn eine Windows-CD habe? daijoubu, alles in Ordnung, ich komme schon klar. Flugs die Platte umgeschraubt, Linux gebootet und geschaut, ob sie sich auch meldet, alles prima.

Auf dem Rückweg geht mir wieder durch den Kopf, wie viele unglaublich hässliche Häuser hier doch rumstehen. Hässlich wohnen hat offenbar Methode in Japan, diese manshon genannten Mietshäuser sind ausnahmslos uniforme Betonburgen, Silos, Käfighaltung Foto dazu Foto dazu. Nein, schön ist Japan im Großen und Ganzen eigentlich nicht.

Ich setze mich mit meinem Notebook in den Computerraum der Schule und spiele meinen Festplatteninhalt von der externen Platte auf die neue zurück; währenddessen chatte ich per Schul-PCs ein wenig mit der Heimat. Nach einer Stunde ist es vollbracht, Windows schüttelt sich ein wenig verwundert, chkdsk löscht mir vorsichtshalber ein paar Dateien, aber dann läuft der Rechner im Wesentlichen wieder, freiwillig im UDMA-Mode, aber um ein paar Dateien ärmer. Die Schlüsselverwaltung von meinem GnuPG hats erwischt, damit kann ich leben. Die Sofware für meine Fotogalerie geht auch nicht mehr, die muss ich allerdings noch reparieren. Aber nicht mehr heute. Inzwischen ist es 19 Uhr vorbei, und ich freue mich auf einen Abend in der Campus-Bar, wo ich mich mit Jonas und anderen verabredet habe, um ein bisschen Go zu spielen und ein paar Bierchen zu nehmen. Von der Gastfamilie habe ich mir heute frei genommen – Mama meinte, ich solle mich amüsieren und könne ruhig auswärts übernachten, wenn ich den letzten Zug verpasse.

Leider geht die Zeit viel zu schnell rum, aber natürlich verpasse ich den letzten Zug nicht – bei wem sollte ich mich auch wohl zum Übernachten einladen? Da müsste mich jemand schon sehr mögen, damit er mich mit in sein winziges Wohnheims-Zimmerchen nähme ;-). Um 23 Uhr heißt es daher ab nach Hause Foto dazu.

 

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©2007 by Harald Bögeholz