22.04., Schwarzer Sonntag

Ich habe es ja geahnt. Aber leider nicht deutlich genug, um entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Meine Festplatte spinnt wieder. Etliche Sektoren sind nicht mehr lesbar, Windows hat sich entschieden, unwiderruflich in den PIO-Mode und somit auf Zeitlupe zu schalten, es nervt. Zum Glück haben in Japan die Geschäfte Sonntags offen und ich wohne direkt neben so einer Art Mediamarkt. Also kaufe ich erst einmal einen USB-Stick und bringe Tagebuch, Fotos und sonst alles, was mir wichtig erscheint, in Sicherheit. (Am Abend vor meinem Abflug habe ich ein Image meiner gesamten Festplatte gemacht, daher gibt es nicht soo viel Unersetzliches.)

Aber was jetzt? Ich bastle ein, zwei Stunden mit dem Diskeditor an der Platte herum, aber es ist zwecklos ... zu viele Defekte. Eine neue Platte muss her. Das ist ein riskantes Spiel, zumal ich keine Windows-CD habe ... wenn ich mein System zerschieße, ist es unwiderruflich hin. Ach, hätte ich doch wenigstens eine Linux-CD im Gepäck!

Eiden verkauft leider keine Linux-CDs. Aber noch geht der Rechner ja. Also lautet der Plan: Externe USB-Platte kaufen, Linux runterladen und brennen, Platte mit dd_rescue auf die externe spiegeln und beten, dass nicht viele bzw. keine wichtigen Sektoren fehlen, externe Platte auseinandernehmen und die Platte in mein Notebook schrauben. Also rüber zu Eiden. Eine 120-GByte-Platte für 13.800 Yen scheint mir vom Preis/Leistungsverhältnis her ganz angemessen.

Zu Hause probiere ich die Platte kurz aus, funktioniert. Meine Gastmutter hat auf Nachfrage tatsächlich einen kleinen Kreuzschlitzschraubenzieher parat, sodass ich die externe Platte mal aufschrauben kann. Mist! Serial ATA. Wer ahnt denn auch?! Das heißt, ich kann diese Platte nicht in mein Notebook einbauen. (Ein Linux habe ich auch noch nicht, weil ich erst morgen in der Schule wieder ans Internet kann.) Ich hadere lange mit mir, was ich denn jetzt machen soll. Auf Verdacht noch ein paar Platten kaufen und hoffen, dass irgendwann eine mit Parallel ATA dabei ist? Kann ich diese vielleicht umtauschen? Eigentlich nicht, zumal das Öffnen des Gehäuses mir nicht ganz ohne Spuren gelungen ist. Und wie soll ich das bloß auf Japanisch in dem Laden erklären?

Ich brauche etwa eine halbe Stunde, bis ich all meinen Mut zusammengenommen, die Platte wieder so gut es geht eingepackt und mich entschieden habe, mit meinem Anliegen zu Eiden zu gehen. Jetzt ist wieder Power-Japanisch gefragt, wie man es eben nicht auf der Sprachschule lernt. Mit Händen und Füßen und ein bisschen Japanisch versuche ich dem freundlichen Herrn vom Kundenservice klar zu machen, was ich vorhabe. Er kann wirklich überhaupt kein Englisch, nein. Und das Ansinnen, eine frisch gekaufte Festplatte auseinanderschrauben und in ein Notebook einbauen zu wollen, gemischt mit Fachausdrücken wie Serial ATA und dergleichen, versetzt ihn immer mehr in Staunen. Aber allmählich scheint er zu verstehen, was ich meine. Und die Antworten sind enttäuschend. Nein, umtauschen geht nicht mehr, weil ich die Verpackung ja schon geöffnet habe (oh ja, wenn der wüsste). Und leider steht bei den externen Festplatten nicht drauf, was innen drin ist. Ich entgegne, dass man das herausfinden kann, wenn man die Platte nur mal kurz an einen PC anschließt. Nein, das geht auch nicht, da müsste man die Verpackung ja öffnen.

Geschlagen ziehe ich vom Felde, aber immerhin mit der Genugtuung, dass es nicht an meinem Japanisch gelegen hat. Morgen will ich mir irgendwie ein Linux besorgen und mit dd_rescue meine Platte auf die externe kopieren, bevor es noch schlimmer wird. Alles Weitere sehen wir dann.

Sorry, dass ich heute wenig über Japan zu erzählen habe. Und keine Fotos.

 

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©2007 by Harald Bögeholz