05.10.–6.10., Ausklang und Rückreise

Heute passiert nichts mehr. Es regnet in Strömen – perfektes Wetter, um sich ausgiebig mit dem Entwickeln der Fotos von gestern und mit dem Tagebuch zubeschäftigen. Und dann habe ich ja in den letzten Tagen begonnen, ein Buch zu lesen, das bei Pamela rumlag, das lese ich nun fertig, während ich gemütlich auf dem Balkon sitze und es genieße, dass mich das Dach vor dem Regen schützt.

Die Rückreise klappt problemlos. Ich stehe um 6 auf und packe meine Siebensachen. Es regnet immer noch in Strömen. Der Abschied von Pamela ist kurz und hektisch. Eigentlich wollte ich die Bahn um 6.44 kriegen, schaffe aber erst die nächste 5 Minuten später. Die Fahrplanauskunft hat fünf völlig unterschiedliche Möglichkeiten ausgespuckt, zum Flughafen zu kommen; ich will in Nippori in einen so genannten "Sky Liner" umsteigen. Das kriege ich aber irgendwie nicht hin. Ich bin mir nicht sicher, ob er schon weg ist oder ob man Ausländern grundsätzlich keine Tickets für schnelle Züge verkaufen will. Jedenfalls empfiehlt mir der Mann am Schalter eine mittelschnelle, dafür aber nicht reservierungspflichtige und nur halb so teure "Bummelbahn", mit der ich dann um 9 statt wie geplant um 8.30 Uhr am Flughafen bin. Das reicht auch locker, am Air-France-Schalter bin ich der einzige Kunde. Die Flüge sind pünktlich, das Gepäck kommt heile an, alles prima.

Während ich in der S-Bahn vom Flughafen nach Hannover sitze, lausche ich wehmütig den Echos der Tokyoter U-Bahn, die in meinem Kopf nachhallen. Wie ruhig ist es doch in Deutschland im Vergleich zu Tokyo! "Nächster Halt: Linden Mitte. Ausstieg in Fahrtrichtung links" – o deguchi ha hidari gawa desu, muss ich unwillkürlich denken.

U-Bahn fahren ist in Tokyo mit einer unglaublichen Geäuschkulisse verbunden. Zunächst einmal gibt es im Zug viel mehr Durchsagen. "Dies ist die Yamanote-Linie in Richtung Shibuya, Shinjuku, Ikebukuro. Nächster Halt Meguro. Ausstieg links. Bitte seien Sie beim Aussteigen vorsichtig, es könnte eine Stufe geben. Achten Sie darauf, dass Sie im Zug nichts vergessen. Bitte schalten Sie Ihr Mobiltelefon stumm und telefonieren Sie nicht während der Fahrt." Das Ganze kommt mit einer Frauenstimme vom Band, anschließend noch einmal auf Englisch. Und kaum ist die automatische Ansage fertig, kommt noch eine manuelle vom Zugführer hinterher, die im Wesentlichen bekräftigt, dass wir jetzt wirklich in Meguro halten und der Ausstieg wirklich auf der linken Seite ist, diesmal allerdings nur auf Japanisch. Und ich habe das jetzt in stark verkürzter Form wiedergegeben, normalerweise werden noch alle Umsteigemöglichkeiten am nächsten Bahnhof mit durchgesagt, die sind mir nur jetzt für das konkrete Beispiel Meguro nicht eingefallen :-).

Die Türen öffnen, und vom Bahnsteig schallt es herein "meguro – meguro desu". Dann kommt Bahnhofsgedudel. Jeder Bahnhof hat da anscheinend so seine eigene Melodie, die so lange dudelt, wie der Zug steht. Wenn das Gedudel aufhört, weiß man, dass jetzt gleich die Türen schließen. Beziehungsweise man weiß, dass jetzt gleich die Durchsage kommt, dass die Türen schließen. Und zwar erst vom Band: "doa ga shimarimasu. go chuui kudasai". Dann kommt ein Warngebimmel, und dann bekräftigt noch einmal jemand shimarimasu, shimarimasu, bevor die Türen dann wirklich schließen, begleitet von einem wieder anderen Warnton. Sekunden, nachdem die Türen geschlossen haben und der Zug angefahren ist, geht das Gedurchsage von vorne los. Zurück aus meinem Tagtraum genieße ich die Ruhe der Hannoverschen S-Bahn.

Am Hauptbahnhof muss ich fast 10 Minuten auf die nächste U-Bahn warten. Das wäre in Tokyo auch nicht passiert. Dort haben die Bahnen Taktzeiten von zwei, drei, allerhöchstens fünf Minuten. Die Yamanote zur Hauptverkehrszeit kommt einem fast vor wie ein einziger langer Zug. Kaum sind die Rücklichter der einen Bahn außer Sicht, fährt die nächste ein, und alle sind rappelvoll. Man müsste mal irgendwo eine Statistik nachschlagen, wie viele Menschen die Tokyoter U-Bahn täglich befördert; ich bin sicher, dass das eine unglaubliche Menge ist.

Zurück in meiner Wohnung setze ich mich in meinem japanischen Zimmer auf die Tatami, packe meine Go-Dosen und -Steine aus und freue mich, dass sie den Transport unbeschadet überstanden haben. Jetzt fehlt nur noch der Go-Tisch.

owari

 

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©2006 by Harald Bögeholz