Gegen Mittag kommt die Sonne raus, und ich beschließe, den
Nachmittag im östlichen Garten des Kaiserpalasts zu verbringen.
Bis ich dort ankomme, hat es sich leider schon wieder zugezogen, aber
immerhin regnet es nicht, von ein paar wenigen Tropfen Nieselregens
zwischendurch mal abgesehen. Hinter den dicken Mauern und Toren verbirgt sich eine Oase
der Ruhe – so weit das mitten in einer lärmenden Stadt wie
Tokyo möglich ist. Ich setze mich mal auf diese, mal auf jene
Bank und lese ein Buch, bis plötzlich eine Lautsprecherdurchsage
ertönt, erst auf Japanisch, dann auf Englisch: Der Park
schließt jetzt bald, bitte gehen Sie zum Ausgang. Und das schon
um 16.10 Uhr, obwohl der Park offiziell bis 16.30 geöffnet
hat.
Die Japaner verlassen den Garten jedenfalls sichtlich eilger als
die Ausländer, und die Frage, die ich mir vorhin gestellt habe,
wird auch beantwortet: Sind diese riesigen Tore tatsächlich noch
benutzbar? Ja, und sie werden kurz nach 16.30 feierlich
geschlossen .
Ich eiere ziellos durch die Gegend, lande irgendwie beim Bahnhof
Tokyo, vor dem gerade irgendwas gebaut wird , und beschließe, mal
wieder nach Akihabara zu fahren. Das ist die Elektronik-Ecke von
Tokyo, wo man alles kaufen kann, was elektrisch ist. Vor dem Bahnhof
von Akihabara steht ein Lautsprecherwagen, und ein älterer
Japaner hält mit großer Lautstärke eine flammende
Rede – von der ich wieder
einmal nichts verstehe. Den Kanji nach, die mir bekannt vorkommen,
könnte es was Religiöses sein, laut und aufsehenerregend ist
es allemal.
In den Computerläden entdecke ich ein paar wenige Dinge, die
ich so in Deutschland noch nicht wahrgenommen habe. Zum Beispiel einen
Wohnzimmer-PC, der in einen LCD-Fernseher integriert ist , und ein super winziges
Windows-Rechnerchen von Sony . Bei dem muss ich schwer
an mich halten, das hat irgendwie was, das Schnuckelchen. Aber ich habe
in diesem Urlaub nun wirklich schon genug Geld ausgegeben. Fürs
Tagebuchschreiben unterwegs wohl besser geeignet wäre so ein eher
konventionelles Subnotebook von Panasonic , nur 1 kg schwer.
Aber "dummerweise" habe ich ja schon ein Notebook. Ach ja, und die
Blu-ray Disc ist da :-).
Ich treibe mich eine Weile in den Spielhallen herum und schaue der
Jugend zu, wie sie sich amüsiert. Videospiele der Genres
Egoshooter, Autorennen und Kampfkunst sind ja nichts Besonderes. Aber
überraschender Beliebtheit erfreuen sich anscheinend auch die
Angel-Dir-Deinen-Gewinn-Automaten (kureen geemu; crane game).
Für 200 Yen darf man den Kran in Position bringen, der dann auf
Knopfdruck einmal zugreift und was immer er zu fassen kriegt in den
Ausgabeschacht wirft. Ich beobachte verstohlen einen Japaner, der
immer wieder versucht, eines kleinen MP3-Players habhaft zu
werden . Er versucht es immer mal
für 1000 Yen, geht dann wieder weg, kommt aber nach einer Weile
wieder und versucht es weiter ... scheint irgendwie süchtig zu
machen. Ich weiß nicht wie viel Geld er in diesem Automaten
lässt, ohne an seinen MP3-Player zu kommen, bestimmt mindestens
3000 Yen (20 Euro). Aus wissenschaftlichen Gründen investiere ich
auch 500 Yen für drei Versuche, kriege den doofen MP3-Player aber
natürlich auch nicht zu fassen.
Das Trommelspiel ist recht begehrt: Hier muss man möglichst
genau die vorgegebenen Trommelschläge ausführen . Die gleiche Grundidee
liegt auch dem Hüpfmattenspiel Dance-Dance-Revolution zugrunde,
und auch der Gitarrensimulator folgt dem gleichen Spielprinzip . Und dann gibts da noch
Kartenspiel-Automaten, bei denen man (RFID-)Spielkarten zu irgendeinem
Zweck auf einem Spielfeld arrangieren muss, zum Beispiel, um die
Aufstellung einer Fußballmanschaft festzulegen .
Eigentlich treibe ich mich deshalb so lange "in der Stadt" rum,
weil ich die Hoffnung habe, mich doch noch mit Hiko zu treffen. Aber
nachdem ich ihn nun stundenlang vergeblich auf seinem Handy zu
erreichen versucht habe, gebe ich auf, fahre nach Nagahara und kehre
im erstbesten Restaurant ein, aus dem es lecker duftet . Heute gibt es Yakitori.
Statt mich lange mit der Speisekarte abzumühen, die
natürlich nur auf Japanisch ist , bitte ich den Kellner
einfach, mir irgendetwas zu empfehlen, vier Spieße bitte. Als er
sie bringt, lasse ich mir von jedem einzelnen erklären, was auf
der Karte das nun war . Irgendwann muss ich ja
mal lernen, in Japan ohne Hiko mein Essen zu bestellen ...
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