02.10., Großeinkauf beim Nihon-kiin

Heute habe ich um 14 Uhr einen Termin mit Yoshida san vom Nihon-kiin, um weitere Gobans zu besichtigen. Irgendwie ist mir so als wäre das nur ein halbes Stündchen weg, also trödle ich rum bis 13.30 Uhr, um dann festzustellen, dass man da bei weitem so schnell nicht hinkommt. Die fünf Minuten zum Bahnhof sind inklusive Fahrkartenkauf doch eher eine Viertelstunde, dann nach Gotanda, umsteigen in die Yamanote bis Meguro, dort orientieren, eine neue Fahrkarte kaufen und mit der Nanboku-Linie bis Ishigaya, uff, es ist 14.25, als ich dort ankomme.

Ich gehe zielsicher zum Ausgang der Station schaue mich kurz um, laufe ebenso zielsicher die Straße entlang ... und gerate nach einigen Minuten ins Zweifeln. Nein, irgendwie passt hier gar nichts zu dem, was ich in Erinnerung habe, da wird doch nicht ...? Ich kehre um und allmählich wird mir klar, dass sich der Stadtplan in meinem Kopf um 180 Grad gedreht haben muss, als ich unter der Erde war. Ich bin auf der falschen Seite des Flusses und exakt an dem Ausgang herausgekommen, der von meinem Ziel am weitesten entfernt ist. Na ja, jetzt hab ichs wieder und hetze zum Nihon-kiin, wo ich schweißgebadet ankomme. Langsamer laufen und noch fünf Minuten später kommen wäre wahrscheinlich besser gewesen.

Ich werde schon erwartet, und zwar von der freundlichen Mitarbeiterin, die gut Englisch kann (ich hätte es wirklich auch auf Japanisch versucht, aber man lässt mich nicht). Ich entschuldige mich vielmals, und dann geht es auch schon los: Wir gehen mit Yoshida san, ihr und einer anderen Frau, die anscheinend die Chefin ist, ins Erdgeschoss, wo man mir in einem der Unterrichtsräume drei Gobans aufbaut Foto dazu. Das ganz rechte dient wohl nur der Abschreckung, nein, das ist mir nicht gut genug. Das mittlere, ach nein ... aber das linke, ja, das gefällt mir auch sehr gut. Ich versuche mich vor meinem geistigen Auge an meinen bisherigen Favoriten Foto dazu aus dem Laden in Shinjuku zu erinnern. Der war vielleicht noch einen Tick schöner gemasert, aber dünner. Welchen soll man nun nehmen, ach ist das schwierig! Dieser hier hat auf der Spielfläche mehr Unruhe in der Maserung, aber so wirklich aufdringlich ist es nicht. Niemand hetzt mich, aber die Entscheidung reift: Doch, ja, ich kaufe diesen hier.

Im zweiten Stock schaue ich mir noch Steine an und hadere mir mir, ob ich die nicht doch in dem anderen Laden kaufen soll... aber nein, was solls, diese hier sind auch sehr scön, ich kaufe hier jetzt einfach alles (auch Dosen).

Wie schicken wir das Goban nun nach Deutschland? Luftpost würde 40.000 Yen kosten, das finde ich aber mächtig teuer. Geht es nicht auch billiger? Dieser Teil der Verhandlungen findet lustigerweise überwiegend auf Japanisch statt, obwohl die Englisch sprechende Kollegin anwesend ist. Nach einer Weile Palaver (die Chefin verschwindet in ihrem Büro, telefoniert und kommt wieder) sind es auf einmal nur noch 25.000 Yen Versandkosten, obwohl ich nicht verstehe, warum. Der Ladenbesitzer in Komagome hat gesagt, es würde 13.500 Yen kosten, plus 850 für Versicherung. Daher insistiere ich und frage, ob man das nicht doch mit gewöhnlicher Post schicken kann.

Aber irgendwie ist funabin (Post auf dem Seeweg) den Japanern ungemein suspekt. Natürlich würde das Goban auf dem Schiff gut transportiert, aber was damit passiere, wenn es vom Schiff runterkommt, das könne man mir überhaupt nicht garantieren. Auf dem Schiff geht es dem Goban ja gut, aber dann wird es vielleicht herumgeschubst oder gar geworfen. Erst neulich hätte es Beschwerden gegeben, als etwas nach Südamerika geliefert worden sei. Ob ich denn wisse wo von mir aus der nächste Hafen sei? Also die Frage trifft mich jetzt völlig unvorbereitet, und natürlich habe ich nicht vor, am Hafen zu stehen und meinem Goban beim Einlaufen zuzusehen. Meine Versuche, dem Verkaufspersonal zu erklären, dass Deutschland ein vergleichsweise zivilisiertes Land ist und die Beförderung innerhalb des Landes wahrscheinlich weniger ein Problem, laufen irgendwie ins Leere. Aber was kostet es denn nun? Ach ach, und dann ist da ja noch nicht einmal die Versicherung enthalten ... Aber was kostet es denn mit Versicherung? Jedes Mal verschwindet die Chefin wieder minutenlang hinter den Kulissen; gut, dass ich im Urlaub bin und den ganzen Nachmittag Zeit habe.

Sie wollen das Goban irgendwie nicht einem unzuverlässigen Schiff anvertrauen, das ehrt sie ja. Aber ich will auch keine 40.000 Yen bezahlen. Hmm. Nach langen Verhandlungen fällt der Chefin ein, dass sie mir vielleicht doch etwas entgegenkommen kann. Wir vereinbaren also 10.000 Yen Versandkosten, und sie versichert mir, dass das Goban per Luftpost sicher bei mir ankommen wird. Ich bin gespannt.

Nachdem diese Dinge geklärt sind, geht es ans Bezahlen. Schon seit meinem ersten Besuch war klar, dass das Bezahlen per Kreditkarte ein sehr seltener Ausnahmefall sein würde, keiner kennt sich damit aus. Die Chefin schreibt die Nummer meiner Kreditkarte auf einen Zettel, aber nur, weil ich helfe, sind auch wirklich alle Ziffern korrekt. Sie verschwindet im Büro, um ganz aufgeregt wiederzukommen; anscheinend braucht sie noch das Gültigkeitsdatum. Das ist natürlich besonders schwierig. Auf meiner Karte steht 06/04-05/07; sie ist völlig planlos. Also in Japan haben wir das 18. Jahr des Kaisers, das kann es nicht sein ... hmm, es stehen die Ziffern 4, 5, 6, und 7 zur Auswahl, aber ist der Monat vorne oder das Jahr? Endlich kann ich wieder mal kurz mit meinem Japanisch auftrumpfen und sagen, dass meine Karte bis Mai 2007 gültig ist. Sie verschwindet wieder, kommt noch einmal wieder und will die Sicherheitszahl wissen. Auch die soll sie haben, ich will wirklich bezahlen.

Sie meint, es könne jetzt ein Weilchen dauern, also gehe ich mal einer Partie im Spielsaal zuschauen. Nach einigen Minuten werde ich plötzlich ans Telefon gerufen. Ein Englisch sprechender Herr von einer japanischen Kreditkartenfirma erklärt mir, dass die Transaktion leider von meiner Bank abgelehnt wurde. Ob ich vielleicht mal meine Bank anrufen könne? Nein, mir wäre es lieber, wenn er dort anrufen könnte. Ich bin mir sicher, dass meine Kreditkarte den Betrag hergibt (habe extra vor der Abreise mit meiner Bank korrespondiert und das Kreditlimit hinreichend erhöhen lassen), also sollen die Banken das untereinander abmachen. Ok, aber das kann bis zu 30 Minuten dauern ... egal, ich habe Zeit. Nach 10 Minuten werde ich wieder ans Telefon gerufen, ja, man habe meine Bank erreicht, aber jetzt müsse ich doch noch meine Adresse angeben. Kein Problem. Irgendeine Ausweisnummer hätte er auch gern, also gebe ich ihm meine Personalausweisnummer. Jetzt könne es höchstens noch eine halbe Stunde dauern, na ich bin gespannt.

Irgendwann kommt dann doch der Anruf, dass alles in Ordnung ist. Yoshida san bittet seine Kollegein, die Englisch sprechende Berufsanfängerin, eine Art Lieferschein für das Goban auszufüllen. Kaya goban soll sie schreiben, aber sie fragt ihn ratlos, wie man Kaya schreibt. Tja, das ist halt ein Kanji, das nicht zu den 1945 gehört, die an den Schulen gelehrt werden. Er schreibt es für sie auf einen Zettel, damit sie es abschreiben kann: 榧. Das gleiche passiert später noch einmal bei Goke (Go-Dosen), da kennt sie das ke nicht (笥). Irgendwie hat es etwas Beruhigendes, dass anscheinend auch die Japaner ihre Schrift nicht vollständig beherrschen. Auf einer anderen Quittung, die ich später noch bekomme, war ihr das anscheinend zu blöd und sie hat mit Katakana keesu (von englisch case) geschrieben ;-).

Nachdem alles erledigt ist, überlege ich, ob ich eine Partie spiele, aber nein, irgendwie bin ich zu faul. Ich lasse stattdessen die Atmosphäre des Spielraums auf mich wirken Foto dazu Foto dazu, schaue noch ein Viertelstündchen zu und mache mich dann auf den Weg. Die Sonne beginnt schon wieder unterzugehen; noch schnell ein Foto von dem dieses Jahr nicht durch ein Baugerüst verhüllten Gebäude Foto dazu.

Ich fahre kurz noch rüber nach Shinjuku und schlendere ein bisschen durch Isetan, ein weiteres großes Kaufhaus. Aber so richtig Spaß macht das nicht mit dem schweren Rucksack (ich habe ja die Steine und Dosen im Gepäck), daher knipse ich nur noch schnell ein paar Fotos Foto dazu Foto dazu Foto dazu und fahre dann nach Hause Foto dazu.

 

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©2006 by Harald Bögeholz