21.09. Bitte nicht in den Park urinieren

Heute klappts schon besser mit dem Aufstehen; so ganz allmählich finde ich in diese Zeitzone. Ich verbringe den Vormittag mit Kanjilernen, angespornt durch die Tatasche, dass sie mich ja nun die nächsten drei Wochen umgeben werden und ich möglichst viele davon lesen will.

Gegen Mittag gehe ich aus dem Haus und erkunde die nähere Umgebung; Pamela hat mir einen Stadtplan gegeben. Ganz in der Nähe ist ein kleines Einkaufssträßchen, eine Quasi-Fußgängerzone Foto dazu. Quasi, weil anscheinend nicht wirklich für Autos gesperrt, aber es fahren nur sehr wenige. Zum Mittagessen gibts gyouza und ramen Foto dazu.

Auf dem Stadtplan ist ganz in der Nähe ein See und eine Grünfläche verzeichnet, das will ich mir ansehen. In der Tat handelt es sich um ein kleines Naherholungsgebiet; man kann Boote mieten, um damit auf dem See herumzufahren Foto dazu und um den See herum gibts so eine Art Naturlehrpfad, wo man sich über Fauna und Flora informieren kann Foto dazu.

Das völlig Neue an meinem diesjährigen Japan-Aufenthalt ist aber, dass ich jetzt lesen kann. Beziehungsweise ist das dann doch noch ein viel zu großes Wort, aber nachdem ich jetzt innerhalb eines Jahres alle 2042 Zeichen des Heisig-Buches studiert habe, kann ich doch wenigstens ungefähr ahnen, was da geschrieben steht. Und ich kann die Zeichen bei Bedarf in meinen Zaurus kritzeln und im Wörterbuch nachschlagen, denn ich beherrsche jetzt ziemlich sicher die korrekte Strichfolge, auch bei Zeichen, deren Bedeutung mir doch wieder entfallen ist.

Und so fällt mir nach einigem Spazieren im Park auf, dass sich meine Wahrnehmung der Welt doch deutlich geändert hat. Früher hätte ich in einem solchen Park gedacht, dass es viele dekorative Inschriften gibt. Doch jetzt merke ich, dass der Park geradezu gepflastert ist mit Verbotsschildern und Anweisungen aller Art. Als ich auf einer kleinen Insel mit einem kleinen Schrein ein Schild stehen sehe, dass Golf spielen verboten ist Foto dazu, fange ich an, einmal systematisch mit der Kamera all die skurrilen Schilder zu dokumentieren.

Als erstes soll man also nicht Golf spielen Foto dazu, ich kann mir auch im Traum nicht vorstellen, wer auf die Idee käme. Feuerwerk und Spielen mit Feuer sind verboten Foto dazu, und hinten am selben Pfosten steht zu lesen, dass Musizieren unerwünscht ist Foto dazu. (Die Übersetzungen in den Bildunterschriften haben mich übrigens stundenlang beschäftigt; ich bin mit den Kanji längst noch nicht so weit, dass ich sowas mal eben aus dem Augenwinkel lesen könnte. Aber immerhin.) Man soll nicht über den Zaun in den Teich hüpfen Foto dazu und auch nicht angeln. Angeln soll man ganz besonders nachdrücklich und ausdrücklich ganz bestimmt wirklich nicht Foto dazu, nicht einmal füttern soll man die Fische und die putzigen Enten Foto dazu. Was einen Japaner aber nicht davon abhält, es trotzdem zu tun. Als er aber merkt, dass ich fotografiere, rafft er schnell seine Futtertüte zusammen und eilt davon Foto dazu.

Wo waren wir? Den Dreck seines Hundes soll Herrchen gefälligst mitnehmen Foto dazu, der Spielplatz hat eine ausführliche Gebrauchsanweisung Foto dazu, das kostbare Bambusgras soll man natürlich nicht zertrampeln Foto dazu, Hunde an der Leine führen Foto dazu und sich an dem schräg wachsenden Baum nicht den Kopf anhauen Foto dazu. Wie habe ich mich nur bisher in dieser fremden Kultur zurechtgefunden, ohne all diese komplexen Verhaltensregeln lesen zu können?

 

(Gästebuch außer Betrieb)     Inhaltsverzeichnis     weiter >


©2006 by Harald Bögeholz