[Der Abschied von Yamasa ist wie im letzten Jahr ein solcher Wirbel,
dass an Tagebuchschreiben nicht mehr zu denken ist. Ich schreibe diese
Zeilen erst am 3.7., daher sind die Erinnerungen schon deutlich
verblasst.]
Das Aufstehen fällt erwartungsgemäß schwer, aber es
muss ja sein – schlafen kann ich auch noch im Flugzeug. Nach dem
Duschen finde ich in der Küche ein vorbereitetes
Frühstück vor, aber keine Keiko san. Wahrscheinlich hat sie
sich wieder hingelegt, das tut sie normalerweise, wenn Chihiro zur
Schule aufgebrochen ist. Ein bisschen komisch kommt es mir allerdings
schon vor, am letzten Tag alleine zu frühstücken. Aber na
ja, ich habe mich mit meiner späten Rückkehr gestern Nacht
ja nicht gerade rücksichtsvoll der Gastfamilie gegenüber
verhalten; da kann ich auch nicht unbedingt einen super herzlichen
Abschied erwarten.
Gegen 7 bin ich mit Frühstücken fertig. Jetzt muss ich
aber doch nach Keiko san rufen und mir erklären lassen, wie ich
zum Flughafen komme. Sie hat schon einen Zettel für mich
vorbereitet, auf dem steht, wo ich jeweils umsteigen muss. Leider
alles mit Kanji geschrieben, sodass ich es nicht wirklich lesen kann.
Erst hier in Yamanaka in den Bummelzug steigen, dann in Higashi
Okazaki umsteigen in einen schnelleren, und dann soll ich in Jingumae
den Expresszug zum Flughafen nehmen. Dafür soll ich am Bahnhof
ein spezielles Reservierungsticket kaufen, alles klar. Trotzdem klingt
es mir ein bisschen umständlich, und ich deute an, ob ich denn
nicht auch den direkten Bus zum Flughafen vom Bahnhof Okazaki aus
nehmen kann (womit ich implizieren will, dass man mich mitsamt meines
Gepäcks vielleicht mit dem Auto dort hinfahren könnte).
Nein, das sei viel zu unsicher, beim Bus weiß man nie, ob er
Verspätung hat, der Zug ist viel zuverlässiger. Nun gut,
dann will ich mich mal wieder den Herausforderungen des Umsteigens
stellen.
Nun habe ich endlich kapiert, dass man seine Fahrkarte nach dem
Einsteigen im Zug kauft, aber heute fahre ich mitten im Berufsverkehr,
und der Zug ist so voll, dass die Schaffner ihn nicht patroullieren
können. Auch im nächsten Zug von Higashi Okazaki aus gelingt
es mir nicht, eine Fahrkarte zu kaufen. In Jingumae, wo ich in den
Expresszug umsteigen soll, schnappe ich mir dann endlich auf dem
Bahnsteig einen Schaffner und erkläre ihm, dass ich von Yamanaka
gekommen bin und noch eine Fahrkarte zum Flughafen brauche. Er schaut
ein bisschen überrascht, ja, ich weiß ja, dass ich die
Fahrkarte wohl schon vorher hätte kaufen sollen, aber ich habs
halt nicht geschafft.
Ich frage, an welchem Gleis der Zug zum Flughafen abfährt und
erlebe wieder etwas Merkwürdiges: Ja, der nächste Zug hier
fährt zum Flughafen, aber den dürfe ich nicht nehmen, weil
es ein besonders schneller Expresszug sei. Ja, aber das ist doch
gerade gut, ich will doch schnell zum Flughafen! Ich müsse hier
noch eine Vierteilstunde warten und dann mit dem langsamen Zug zum
Flughafen fahren. Ich möchte aber gerne mit dem Expresszug
fahren! Nein, das geht nicht, dafür benötigt man eine
spezielle Fahrkarte. Grrrrr, ich werde wahnsinnig, was mach ich nur
falsch? Ob er mir denn eine solche Fahrkarte jetzt nicht einfach
verkaufen kann. Schließlich hat er mir doch gerade schon ein
Ticket verkauft, da muss er doch auch diesen Express-Zuschlag oder was
immer das ist verkaufen können. Nein, ich müsse auf den
nächsten Zug warten, weil ich für diesen keine Fahrkarte
habe. Ich verstehe es nicht.
Als der Schaffner weg ist, stehe ich eine Weile ratlos vor dem
super schnellen Expresszug, für den man mir partout keine
Fahrkarte verkaufen will, und überlege ... in zwei Minuten
fährt er ab, was tun? Verstohlen vergewissere ich mich, dass der
Schaffner von eben außer Sichtweite ist, und steige ein. Ich
sehe überhaupt nicht ein, eine Viertelstunde auf einen
langsameren Zug zu warten, wenn ich jetzt in den schnellen steigen
kann. Und schließlich bin ich hier der Ausländer. Wenn sie
irgendwas zu meckern haben, werde ich mich dumm stellen. Und da der
superschnelle Expresszug direkt ohne Halt bis zum Flughafen
fährt, können sie mich auch nur schwerlich vorher rauswerfen
;-).
Der Grund für die Unwilligkeit des Schaffners, mir eine
passende Fahrkarte zu verkaufen, liegt vermutlich darin, dass in
diesem Zug alle Plätze reservierungspflichtig sind. Und
vermutlich konnte er einfach so kurzfristig keine Reservierung mehr
vornehmen – das nehme ich jetzt jedenfalls einfach mal so an. Es
kann ja wohl nicht sein, dass es Züge gibt, die für
Ausländer grundsätzlich zu schnell sind. Jedenfalls ist der
Zug so gut wie leer, und es ist überhaupt kein Problem, einen
freien Sitzplatz zu ergattern.
Der Fahrkartenkontrolleur kommt, ich zeige ihm freudig meine
Fahrkarte, und als er nach dem Reservierungsticket fragt, sage ich
ihm, dass ich noch keines habe. Kein Problem, für 300 Yen stellt
er mir ohne viel Aufhebens eines aus und gut. Schon lustig, wie das
Bahnfahren in Japan immer wieder neue Überraschungen für
mich bereithält.
Am Flughafen geht alles glatt. Es ist kaum Betrieb, und ohne langes
Warten werde ich mein Gepäck los. So bleibt noch Zeit für
einen kleinen Rundgang, auf dem ich zunächst noch ein paar
schöne Beispiele für die japanischen Englisch-Künste
fotografiere . Und endlich noch ein Foto
von einer sprechenden Rolltreppe mache , leider keine
Audio-Aufzeichnung, die würde eigentlich dazu gehören.
Als ich so durch die Ladenetage schlendere, noch ein paar Souvenirs
und einen Doraemon-Comic zum Lesen kaufe, überkommt mich ein ganz
wehmütiges Gefühl ... Das war sie also, meine
diesjährige Japanreise. Ich vermisse Japan schon jetzt, obwohl
ich es noch gar nicht ganz verlassen habe. Andererseits gibt es auch
ein paar Dinge, auf die ich mich in Deutschland freue. Ein richtiges
knackiges Brötchen zum Frühstück, mit italienischer
Mortadella oder Parmaschinken zum Beispiel. Und natürlich ein
Hefeweizen.
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