Ich schlafe ungefähr bis 10:30 – natürlich nicht,
ohne um 7 kurz von meinem Handy geweckt zu werden. Mein
Frühstück steht auf dem Tisch wie üblich, wenn ich
länger schlafe. Inzwischen beherrsche ich auch die Bedienung von
Mikrowelle und Grill. Katsuaki san scheint auch noch nicht allzu lange
wach zu sein; er sitzt in der Küche auf dem Boden und liest
Zeitung. Apropos Boden: Da die Küche gleichzeitig als Wohnzimmer
dient, ist sie extra dafür eingerichtet, auf dem Fußboden
zu sitzen. Die Hälfte ist mit Tatami und einer weichen Decke
ausgelegt; vielleicht sollte ich eines Tages mal ein Foto davon
machen. Ich lese zu Hause meine Zeitung auch auf dem Fußboden;
anscheinend bringe ich schon gute Voraussetzungen für einen
Japaner mit.
Katsuaki san erklärt mir, dass er sehr viel Stress im Job
hatte, als ich ankam, und dass er sehr müde war. Jetzt sei die
anstrengende Arbeit aber erledigt und es gehe ihm besser. Und
außerdem ist Feiertag, er macht in der Tat einen sehr
entspannten Eindruck. Nach einer kurzen Unterhaltung nach dem
Frühstück wendet er sich wieder seiner Zeitung zu, und ich
ziehe mich in mein Zimmer zurück und lerne anderthalb Stunden
lang Vokabeln. Nach einem Kaffeepäuschen in der Küche
übe ich ein Stündchen Kanji, dazu bin ich noch
überhaupt nicht gekommen, seit ich hier bin.
Jetzt zieht es mich aber doch raus an die frische Luft; man kann
bei dem wunderschönen Frühlingswetter nicht den ganzen Tag
zu Hause sitzen und lernen. Vielleicht kann ich ja mal andere Teile
von Okazaki ergründen und noch ein paar schöne Fotos machen.
Kurz an der Schule vorbeifahren und in die E-Mail schauen will ich
natürlich auch.
Als ich aufbrechen will, ist Keiko san gerade beim Töpfern und
mit ihrer Erlaubnis fotografiere ich sie dabei ausgiebig . Sie scheint einige
Übung darin zu haben, jedenfalls sieht es sehr geschickt aus und
das Ergebnis ist auch recht überzeugend. Wenn ich das so mit
meinem Dilettantismus vom letzten Jahr vergleiche ...
Ich radle mit schussbereiter Kamera ganz langsam meinen
üblichen Schulweg entlang und halte Ausschau nach Motiven, die
ich noch nicht fotografiert habe. Erst mal ein paar korrekt belichtete
Aufnahmen von den frisch bestellten Reisfeldern . In etlichen Gärten
wehen, tja, wie nennt man die Dinger, Fahnen ist irgendwie das falsche
Wort . Wenn ich mich recht
erinnere beziehungsweise wenn ich sie recht verstanden habe, hat mir
Keiko san vor einigen Tagen erzählt, das hänge mit dem
Kindertag zusammen (5. Mai, also morgen). Der Kindertag war
ursprünglich mal ein Jungen-Tag, und Familien, die kürzlich
einen Jungen geboren haben, hängen diese Dinger (Drachen?) raus.
Es mag aber auch sein, dass ich sie da missverstanden habe; manchmal
will die Kommunikation weder auf Japanisch noch auf Englisch richtig
klappen.
Die Leute sind fleißig dabei, ihre Reisfelder zu bestellen;
die Landwirtschaft kennt eben keine Feiertage . Viele sind auch in ihren
Gärten zugange , überhaupt blüht
alles recht schön .
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, mal ein neues Stück
Okazaki zu erkunden oder wenigstens nochmal in das Einkaufszentrum in
der Nähe der Schule zu gehen, aber irgendwie verdaddle ich die
Zeit bis Sonnenuntergang in der Schule am Internet. Am Wochenende und
an Feiertagen wird der Basketballkorb vor der Schule anscheinend gerne
von den Einheimischen genutzt ; an Schultagen habe ich
die hier noch nie gesehen. Sind wahrscheinlich zu schüchtern,
wenn all die Ausländer da sind.
Mal schauen, ob sich das Licht der untergehenden Sonne auf dem
Heimweg noch für das ein oder andere Foto nutzen lässt.
furawaa suteeshon, wieder mal liefert das Entziffern der
Katakana keine wirklich neue Information, der Blumenladen heißt
Flower Station . Endlich ist das Licht mal
genau richtig für ein Foto von einem der konvexen Spiegel, die
man hier wirklich an jeder Straßenecke sieht .
An den Reisfeldern kurz vor meinem Zuhause angekommen , ist es nun endlich an der
Zeit, das Projekt Frosch anzugehen. Seit die Reisfelder bewässert
sind, erfüllt ab der Abenddämmerung ein fast
ohrenbetäubendes Quaken jede Nacht. Schon seit Tagen halte ich
nach Fröschen Ausschau; dem Lärm nach müssen es
unzählige sein. Heute will ich mal ernsthaft danach suchen;
wär doch gelacht, wenn ich keinen Frosch finden und fotografieren
könnte. Ich laufe bestimmt 20 Minuten lang die Felder ab und
versuche verzweifelt, das Quaken genauer zu orten, bis es mir endlich
gelingt. Das Fröschlein ist nur etwa zwei Zentimeter groß,
halb im Sumpf und im Dämmerlicht dementsprechend schwer zu sehen,
aber ich hab ja mein Teleobjektiv mit . Mücken sind mir
übrigens trotz all des Wassers bisher nicht besonders
aufgefalllen. Aber alle Fenster im Haus der Satous haben
Fliegengitter, das wird schon seinen Grund haben.
Und schon ist der Tag rum, ohne dass ich irgendetwas Nennenswertes
gemacht hätte. Hat auch mal wieder gut getan, so ein fauler Tag;
das Japanisch-Zentrum meines Gehirns fühlt sich jetzt deutlich
entspannter an.
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