25.4., Mir platzt der Kopf

Ich weiß nicht, wie viel Japanisch man in einen Kopf an einem Tag hineinpumpen kann, ohne dass der bleibende Schäden davonträgt. Heute habe ich jedenfalls nach den fünf Stunden Unterricht tatsächlich physische Kopfschmerzen. Es hat extrem viel Konzentration gekostet, eine eigentlich theoretisch auf dem Papier ganz einfache grammatische Konstruktion anzuwenden: die Potenzialverben. So heißen sie jedenfalls in meinem deutschsprachigen Grammatik-Begleitbuch.

Die japanische Sprache hat keine Modalverben (müssen, können, wollen, dürfen ...), sondern das wird alles über Verbformen gelöst. Und heute waren die für können dran. Die unterscheiden sich von dem normalen Verb nur in einer Silbe (oder, wenn man sie mit lateinischen Buchstaben schreiben würde, oft nur in einem Buchstaben). nomimasu = trinken, nomemasu = trinken können. Oder, was vielleicht eine bessere wörtliche Übersetzung ist: trinkbar sein. Denn während es heißt o sake wo nomimasu (Sake [Akkusativobjekt] trinken, ich trinke Sake), ändet sich die Partikel bei o sake ga nomemasu (Sake [Subjekt] trinkbar sein, ich kann Sake trinken). Ihr könnt Euch vielleicht vorstellen, dass der Unterschied zwischen nomimasu und nomemasu in schnell gesprochenem Alltagsjapanisch für einen Anfänger ausgesprochen schwer auszumachen ist. Daher kostet der heutige Schultag eine immense Konzentration, und trotzdem spreche ich den Kram andauernd falsch aus. Ach ja, und damit es nicht zu einfach ist, gibt es von sehen und hören zwei Formen für sehen können und hören können, je nachdem, ob etwas von alleine sichtbar ist (von meinem Fenster aus kann ich den Berg sehen, miemasu) oder ob ich es aktiv sehen wollen muss (im Kino kann ich einen Film sehen, miraremasu).

Ach, was langweile ich meine Leser mit der japanischen Grammatik? Die Stunde nach dem Unterricht vergeht jedenfalls wie im Fluge mit nutzlosem Rumsurfen im Internet und Löschen zahlreicher Spam-Mails. Und dann kommt ja noch die Extrastunde Konversation, die es immer Montags gibt. Das Kopfweh hat sich gelegt – kam wirklich von einer Überlastung des Japanisch-Zentrums meines Gehirns, falls es sowas gibt –, also überwinde ich den inneren Schweinehund und nehme auch noch an der Konversationsrunde teil Foto dazu Foto dazu Foto dazu Foto dazu. Danach raucht mir der Kopf aber endgültig, sodass ich keinen Kopf mehr für meine Hausaufgaben habe.

Zu Hause mache ich auch im Wesentlichen nichts, und nach dem Abendessen entwickelt sich ausnahmsweise mal wieder ein ausführliches Gespräch zwischen Keiko san und mir. Das Kopfweh ist wieder weg, sodass ich auch wacker versuche, Japanisch zu sprechen, aber zwischendurch ist sie auch immer ganz dankbar für Englisch (und ich erst!). Um kurz nach 22 Uhr entschuldige ich mich – ich habe einen Riesenpacken Hausaufgaben heute und noch keinen Handschlag daran getan. Eine halbe Stunde lang quäle ich mich damit, aber das Japanisch-Zentrum meines Gehirns ist vollkommen ausgelutscht. dake, shika, ha, keine Ahnung, mir wirbeln die ganzen Partikeln und Wörtchen nur so im Kopf herum. Es hat keinen Sinn, ich muss die Hausaufgaben morgen machen. Stelle mir den Wecker also auf 6 Uhr und gehe ins Bett.

Ein Tag wie im Zeitraffer, nicht wahr? So kommt er mir vor. Aber ich habe noch was zu erzählen, das ich schon längst loswerden wollte und auch in den Fotos schon vorbereitet habe. Dann habe ich irgendwie immer vergessen, es irgendwo unterzubringen, aber zum Glück hat mich eine aufmerksame Leserin daran erinnert: Das Thema lautet Mundschutz. Ich dachte eigentlich, ich hätte mehr Fotos davon gemacht, aber wenn ich jetzt so danach krame, finde ich nur zwei Foto dazu Foto dazu. Ach nein, wenn man genau schaut, hier sind noch zwei:  Foto dazu Foto dazu.

Man sieht jedenfalls in der Öffentlichkeit immer wieder Leute mit Mundschutz herumlaufen, und sie machen überhaupt nicht den Eindruck, als wäre ihnen das peinlich. Ich habe inzwischen herumgefragt (auch bei meiner Gastfamilie) und zwei Erklärungen gehört, die wahrscheinlich beide zutreffen: Die meisten Mundschutzträger dürften schlicht erkältet sein. Und wenn man erkältet ist, dann trägt man so einen Mundschutz, damit man seine Mitmenschen nicht ansteckt (Erklärung 1a) oder damit man, wenn der eigene Körper ohnehin geschwächt ist, keine weiteren Bazillen aufsammelt (Erklärung 1b). Oder man hat eine Pollen-Allergie, dann trägt man den Mundschutz präventiv (Erklärung 2). Im Wetterbericht kommt nach Temperaturen, Niederschlägen und Seewetter auch immer eine Karte, auf der symbolhaft mehr oder wenige Leute mit Mundschutz abgebildet sind. Da ich bis dato nur Erklärung 1a kannte, dachte ich, die Japaner haben tatsächlich eine Erkältungsvorhersage! Ist aber wohl doch nur eine Pollenvorhersage.

Und noch ein Phänomen ist erwähnenswert, so erwähnenswert, dass es sogar eine eigene Website dazu gibt: Engrish. Viele Japaner können nicht besonders gut Englisch. Sehr viele Japaner können gar kein Englisch. Aber Englisch ist hip, Englisch ist cool, Englisch ist angesagt. Deswegen wählt man englische Namen für sein Geschäft und schreibt auf seine Produkte irgendwas auf Englisch drauf – man könnte allerdings meinen, damit die Ausländer was zu lachen haben. Denn oft ist es ein so schräges oder falsches Englisch, dass man sich vor Lachen am Boden kugelt.

Die oben erwähnte Website hat dazu viel Besseres parat als ich, aber hier meine eigene kleine Sammlung (ich bin erst letzten Samstag auf die Idee gekommen, vorsichtig mit Sammeln anzufangen). Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich bin ganz froh, dass mir meine Haare noch nicht ausfallen. Ich glaube, in einem Anti-Haar-Salon würde ich mich nicht frisieren lassen wollen Foto dazu. Was mag uns "Top of Sexy King" wohl sagen Foto dazu (sogar mit Oh-two-Werbung rechts unten, O2 lässt grüßen)? Möchte man wirklich ein komisches Gefühl kriegen, wenn man ein Spiel spielt Foto dazu? Gelman ist übrigens eine Weiterentwicklung von Engrish – eine Neuentdeckung von mir und vielleicht ein neuer Trend Foto dazu? Jetzt wirds richtig filosofisch: Gott hat allen Menschen ... was? ach, lest selbst Foto dazu. Engrish is a funni ranguage.

 

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©2005 by Harald Bögeholz