21.4., Müllabfuhrtag

Heute ist das Wetter wieder schön, bin ich froh. Ich radle zur Abwechslung mal wieder mit schussbereiter Kamera im Fahrradkorb, weil ich unbedingt einen Hundebesitzer mit seinem Schäufelchen festhalten möchte. Doch stattdessen fällt mir auf, dass heute anscheinend Müllabfuhrtag ist. Einer von vielen jedenfalls; ich hatte ja schon erwähnt, dass Müll ein sehr kompliziertes Thema ist hier in Japan.

Die Müllabfuhr kommt hier nicht zu jedem Haus, sondern es gibt bestimmte Sammelstellen, wo die Leute ihren Müll hinbringen. Dort stellt man seinen Müll nicht etwa dann hin, wenn er anfällt oder auch nur am Vorabend, sondern man geht am Müllabfuhrtag mit seinem Müllbeutel zur Müllsammelstelle Foto dazu. Dort steht dann in der Regel ein Mitbürger bereit, der am Ärmel eine Banderole trägt, die ihn als wichtigen Müllmann ausweist Foto dazu Foto dazu. (Das reime ich mir jetzt ein bisschen zusammen; ich weiß nicht, was da wirklich draufsteht und wie man zu der Ehre kommt, Müllwächter zu sein. Ist vielleicht sowas wie die Kehrwoche im Schwabenländle? Jedenfalls steht an jeder Müllsammelstelle, an der ich vorbeikomme, so jemand.) Ich bin leider zu schüchtern, um richtig gute Fotos von der Müll-Geschichte zu machen; irgendwie kommt es mir komisch vor, als Ausländer mit quietschenden Bremsen (meine quietschen ganz fürchterlich) vor so einer Müllsammelstelle anzuhalten, eine dicke Kamera zu zücken und Fotos zu machen.

Die nächste Sehenswürdigkeit ist ein Deppen-Apostroph Foto dazu. Ich bin daran zwar schon x-mal vorbeigeradelt, aber heute halte ich ihn mal fest. Wobei das noch das geringste Übel ist. Englisch scheint in Japan als schick zu gelten, und so stehen auf allerlei Produkten irgendwelche englischsprachigen Sinnsprüche drauf. Leider können viele Japaner nicht so wirklich gut Englisch, daher schleichen sich hier und dort kleine Fehlerchen oder zumindest Merkwürdigkeiten ein. "For a room full of the Peach" stand beispielsweise auf so einem Duft-Dingens, das Louise sich gekauft und mir gezeigt hat. Man beachte "the" und die Großschreibung von "Peach".

Fünf Minuten später endlich eine Hundehalterin. Ich bin schon ganz enttäuscht: In den letzten Tagen habe ich entlang meines Schulwegs immer mindestens 3, 4 Hundehalter mit Schäufelchen gesehen. Heute verstecken sie sich alle. Entweder, sie wussten, dass ich sie fotografieren will, oder sie haben einen so genauen Tagesrhythmus, dass sie schon weg sind – ich bin nämlich fünf Minuten später dran als gewöhnlich. Wieder halte ich mich in vornehmem Abstand, sodass die Fotos nicht allzu beeindruckend sind (schade, habe das Teleobjekiv nicht mit). Ich knipse die Hundehalterin jedenfalls, als sie anscheinend gerade das Häufchen ihres Köters einbuddelt (oder nimmt sie es etwa mit?) Foto dazu. Als der Hund fertig ist, bin ich ganz enttäuscht: Es scheint neben dem Standard-Schäufelchen, das ich in den letzten Tagen bei allen männlichen Hundehaltern gesehen habe, auch ein vornehmeres Hundehaufenschaufelköfferchen zu geben Foto dazu. Ist also doch nicht alles ganz einheitlich.

Der Unterricht heute macht mir wieder einmal deutlich, woran es liegt, dass ich in freier Wildbahn immer noch so schlecht Japanisch verstehe. Es ist eigentlich eine ganz einfache grammatische Konstruktion, die wir heute durchnehmen. Fast wie bei einer Programmiersprache habe ich alle Regeln genauestens parat, nach denen ein solcher Satz gebaut wird. Man nehme die einfache Form, ersetze bei na-Adjektiven gegebenenfalls da durch na und füge ndesu hinzu. Und schon hat man einen Satz, den man als Antwort auf eine Warum-Frage benutzen kann. Aber verflixt und zugenäht, ich schaffe es einfach nicht, solche Sätze einfach so auszusprechen. Man muss dazu wissen, dass ich immer noch mit der einfachen Form kämpfe, es sich also um eine Übersetzung in mehreren Schritten handelt, wenn ich so einen Satz bilden will. Warum ich Kopfweh habe? Weil ich zu viel Bier getrunken habe. Ok, "ich habe Bier getrunken": biiru o nomimashita. Einfache Form des Verbs: nonda. Also biiru o nondandesu. Total einfach, aber in Echtzeit? Zumal die Regeln, wann man nun genau diese Form verwendet, auch nicht einfach sind. Dies ist nämlich auch die Form, in der man jemandem eine Frage stellt, die einen wirklich interessiert. Aber das Lehrbuch warnt auch: "Sätze mit ... bringen manchmal Überraschung, Verdacht (Zweifel) oder starke Neugier des Sprechers zum Ausdruck. Wenn man sie unangemessen verwendet, könnte es dem Gesprächspartner Unannehmlichkeiten bereiten. Dies sollte man bei der Verwendung beachten." Das klingt wie eine Übersetzung aus dem Japanischen: "könnte dem Gesprächspartner Unannehmlichkeiten bereiten", jetzt bin ich schlauer. Der ganze Unterrichtstag ist jedenfalls ein Kampf erstens mit der Frage, wann diese Form nun angemessen ist, und zweitens damit, wie man sie korrekt bildet. Und dann erfordert es noch einige Übung, sie im gesprochenen Japanisch zu erkennen, denn im Großen Ganzen ist es ja nur ein einzelnes "n", das da an passender Stelle eingeschoben wird (in der Schriftsprache wohl ein no).

In der Pause hänsle ich wieder Alexander, indem ich ihn frage, welcher Ort es gerade ist. Er trägt nämlich eine Armbanduhr mit GPS-Empfänger Foto dazu, nur leider hat er es bisher nicht geschafft, die Zeitzone einzustellen, sodass sie immer GMT anzeigt. Damit haben wir ihn letzten Samstag schon aufgezogen, und es macht mir Spaß, ihn mit meinen Anspielungen zu necken (immerhin weißt Du genau, wo Du bist). Er scheint ein recht helles Köpfchen zu sein :-). Na ja, jetzt weiß ich jedenfalls mal genau, wo die Schule nun ist Foto dazu.

Neben den Hausaufgaben sollen wir heute die Vokabeln für Lektion 32 lernen, das sind 45 neue Wörter! Ich tippe sie im Laufe des Nachmittags alle in meinen Vokabeltrainer ein und übe sie auch abends, aber ich kann nicht behaupten, dass sie wirklich gut sitzen würden. Ach gäbe es Vokabeln doch in Tablettenform!

 

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©2005 by Harald Bögeholz