Heute ist das Wetter wieder schön, bin ich froh. Ich radle zur
Abwechslung mal wieder mit schussbereiter Kamera im Fahrradkorb, weil
ich unbedingt einen Hundebesitzer mit seinem Schäufelchen
festhalten möchte. Doch stattdessen fällt mir auf, dass
heute anscheinend Müllabfuhrtag ist. Einer von vielen jedenfalls;
ich hatte ja schon erwähnt, dass Müll ein sehr kompliziertes
Thema ist hier in Japan.
Die Müllabfuhr kommt hier nicht zu jedem Haus, sondern es gibt
bestimmte Sammelstellen, wo die Leute ihren Müll hinbringen. Dort
stellt man seinen Müll nicht etwa dann hin, wenn er anfällt
oder auch nur am Vorabend, sondern man geht am Müllabfuhrtag mit
seinem Müllbeutel zur Müllsammelstelle . Dort steht dann in der
Regel ein Mitbürger bereit, der am Ärmel eine Banderole
trägt, die ihn als wichtigen Müllmann ausweist . (Das reime ich mir jetzt
ein bisschen zusammen; ich weiß nicht, was da wirklich
draufsteht und wie man zu der Ehre kommt, Müllwächter zu
sein. Ist vielleicht sowas wie die Kehrwoche im Schwabenländle?
Jedenfalls steht an jeder Müllsammelstelle, an der ich
vorbeikomme, so jemand.) Ich bin leider zu schüchtern, um richtig
gute Fotos von der Müll-Geschichte zu machen; irgendwie kommt es
mir komisch vor, als Ausländer mit quietschenden Bremsen (meine
quietschen ganz fürchterlich) vor so einer Müllsammelstelle
anzuhalten, eine dicke Kamera zu zücken und Fotos zu machen.
Die nächste Sehenswürdigkeit ist ein
Deppen-Apostroph . Ich bin daran zwar schon
x-mal vorbeigeradelt, aber heute halte ich ihn mal fest. Wobei das
noch das geringste Übel ist. Englisch scheint in Japan als schick
zu gelten, und so stehen auf allerlei Produkten irgendwelche
englischsprachigen Sinnsprüche drauf. Leider können viele
Japaner nicht so wirklich gut Englisch, daher schleichen sich hier und
dort kleine Fehlerchen oder zumindest Merkwürdigkeiten ein. "For
a room full of the Peach" stand beispielsweise auf so einem
Duft-Dingens, das Louise sich gekauft und mir gezeigt hat. Man beachte
"the" und die Großschreibung von "Peach".
Fünf Minuten später endlich eine Hundehalterin. Ich bin
schon ganz enttäuscht: In den letzten Tagen habe ich entlang
meines Schulwegs immer mindestens 3, 4 Hundehalter mit
Schäufelchen gesehen. Heute verstecken sie sich alle. Entweder,
sie wussten, dass ich sie fotografieren will, oder sie haben einen so
genauen Tagesrhythmus, dass sie schon weg sind – ich bin
nämlich fünf Minuten später dran als gewöhnlich.
Wieder halte ich mich in vornehmem Abstand, sodass die Fotos nicht
allzu beeindruckend sind (schade, habe das Teleobjekiv nicht mit). Ich
knipse die Hundehalterin jedenfalls, als sie anscheinend gerade das
Häufchen ihres Köters einbuddelt (oder nimmt sie es etwa
mit?) . Als der Hund fertig ist,
bin ich ganz enttäuscht: Es scheint neben dem
Standard-Schäufelchen, das ich in den letzten Tagen bei allen
männlichen Hundehaltern gesehen habe, auch ein vornehmeres
Hundehaufenschaufelköfferchen zu geben . Ist also doch nicht alles
ganz einheitlich.
Der Unterricht heute macht mir wieder einmal deutlich, woran es
liegt, dass ich in freier Wildbahn immer noch so schlecht Japanisch
verstehe. Es ist eigentlich eine ganz einfache grammatische
Konstruktion, die wir heute durchnehmen. Fast wie bei einer
Programmiersprache habe ich alle Regeln genauestens parat, nach denen
ein solcher Satz gebaut wird. Man nehme die einfache Form, ersetze bei
na-Adjektiven gegebenenfalls da durch na und
füge ndesu hinzu. Und schon hat man einen Satz, den man
als Antwort auf eine Warum-Frage benutzen kann. Aber verflixt und
zugenäht, ich schaffe es einfach nicht, solche Sätze einfach
so auszusprechen. Man muss dazu wissen, dass ich immer noch mit der
einfachen Form kämpfe, es sich also um eine Übersetzung in
mehreren Schritten handelt, wenn ich so einen Satz bilden will. Warum
ich Kopfweh habe? Weil ich zu viel Bier getrunken habe. Ok, "ich habe
Bier getrunken": biiru o nomimashita. Einfache Form des Verbs:
nonda. Also biiru o nondandesu. Total einfach, aber in
Echtzeit? Zumal die Regeln, wann man nun genau diese Form verwendet,
auch nicht einfach sind. Dies ist nämlich auch die Form, in der
man jemandem eine Frage stellt, die einen wirklich interessiert. Aber
das Lehrbuch warnt auch: "Sätze mit ... bringen manchmal
Überraschung, Verdacht (Zweifel) oder starke Neugier des
Sprechers zum Ausdruck. Wenn man sie unangemessen verwendet,
könnte es dem Gesprächspartner Unannehmlichkeiten bereiten.
Dies sollte man bei der Verwendung beachten." Das klingt wie eine
Übersetzung aus dem Japanischen: "könnte dem
Gesprächspartner Unannehmlichkeiten bereiten", jetzt bin ich
schlauer. Der ganze Unterrichtstag ist jedenfalls ein Kampf erstens
mit der Frage, wann diese Form nun angemessen ist, und zweitens damit,
wie man sie korrekt bildet. Und dann erfordert es noch einige
Übung, sie im gesprochenen Japanisch zu erkennen, denn im
Großen Ganzen ist es ja nur ein einzelnes "n", das da an
passender Stelle eingeschoben wird (in der Schriftsprache wohl ein
no).
In der Pause hänsle ich wieder Alexander, indem ich ihn frage,
welcher Ort es gerade ist. Er trägt nämlich eine Armbanduhr
mit GPS-Empfänger , nur leider hat er es
bisher nicht geschafft, die Zeitzone einzustellen, sodass sie immer
GMT anzeigt. Damit haben wir ihn letzten Samstag schon aufgezogen, und
es macht mir Spaß, ihn mit meinen Anspielungen zu necken
(immerhin weißt Du genau, wo Du bist). Er scheint ein
recht helles Köpfchen zu sein :-). Na ja, jetzt weiß ich
jedenfalls mal genau, wo die Schule nun ist .
Neben den Hausaufgaben sollen wir heute die Vokabeln für
Lektion 32 lernen, das sind 45 neue Wörter! Ich tippe sie im
Laufe des Nachmittags alle in meinen Vokabeltrainer ein und übe
sie auch abends, aber ich kann nicht behaupten, dass sie wirklich gut
sitzen würden. Ach gäbe es Vokabeln doch in
Tablettenform!
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