Als die Gastfamilie gegen 8:30 Haus verlässt, drehe ich mich
noch mal auf die Seite, aber um 10 fühle ich mich ausgeschlafen.
Nach dem Frühstück kuschle ich mich mit meinem Notebook
nochmal ins Bett und schreibe ein bisschen, lerne ein paar Vokabeln
und schreibe wieder – immer schön abwechselnd. Bis ich dann
geduscht und angezogen bin, gehen einige Stunden ins Land. Ich
fahre wieder zur Schule – wegen des Internet-Zugangs –,
stehe aber diesmal vor verschlossenen Türen . Macht aber nichts, das
WLAN funktioniert auch draußen, und so viel Zeit wollte ich auch
nicht mit dem Internet verschwenden.
Gegen 15 Uhr gehts zum gokaijo, Go spielen. Es sind nur drei
Japaner da, und der freie bietet mir sogleich eine Partie an. Wie ich
es schon gewohnt bin, verstehe ich das Altherren-Japanisch so gut wie
gar nicht, aber immerhin bin ich jetzt mit den Zahlwörtern
für Go-Steine so weit, dass ich verstehe, dass ich mir zwei
Vorgabesteine nehmen soll.
Mein Gegner fühlt sich deutlich stärker an als ich, und
als mir gegen Ende eine große Gruppe wegfliegt, gebe ich die
Partie auf. Die zweite läuft immerhin so gut, dass ich mir
erlaube, zu Ende zu spielen. Diesmal wäre es durchaus knapp
geworden, wenn nicht, tja, wenn mir nicht eine Ecke weggeflogen
wäre. Wie die das immer machen, die Dan-Spieler. Da wir bis zum
Ende gespielt haben, hätte ich eigentlich erwartet, dass wir
zählen. Aber nachdem wir noch vielleicht eine halbe Minute aufs
Brett geschaut haben, räumt mein Gegner die Steine ab.
Wahrscheinlich geht er davon aus, dass ich natürlich wie er im
Kopf zählen kann und das Ergebnis kenne. Die dritte Partie
versaubeutle ich auch – ich lasse meinen Gegner ein riesiges
Moyo bauen, traue mich dann nicht rechtzeitig hinein und versaue dann
die Invasion. Na ja. Ich deute an, dass ich beim nächsten Mal
vielleicht doch drei Steine nehmen sollte, und er stimmt mir zu. So
viel zum Thema Go – das war vielleicht eine Abreibung. Ich
weiß aber nicht, wie stark mein Gegner war; irgendwie weiß
ich noch nicht, wie man danach auf Japanisch fragt.
Beim Abendessen darf ich heute endlich einmal die ganze Familie
fotografieren, wobei sich Chihiro (sowieso) und Keiko san zieren; sie
wollen nicht so recht aufs Bild . Zum Trinken schenkt mir
Katsuaki san wieder Shochuu auf Eis ein – und Keiko san
fängt sofort an zu schimpfen: Viel zu stark, da ist ja gar nicht
genug Platz für Wasser zum Verdünnen in der Tasse. Sie
scheint die Wächterin über den Alkoholkonsum zu sein; ich
habe schon mehrfach beobachtet, wie es Diskussionen gab, wenn Katsuaki
san sich etwas eingeschenkt hat. Insbesondere, als seine Tochter das
Glas Whiskey bekommen hat.
Nach dem Abendessen muss ich nochmal ran: Als Hausaufgabe sollen
wir auf Japanisch eine Seite mit einem Tagebuch vom Wochenende
vollschreiben. Ich habe vor dem Essen schon angefangen und mache jetzt
weiter. Mann ist das mühsam, auf Japanisch zu schreiben! Ich muss
bei jedem Satz ewig lang nachdenken; so wird aus mir nie ein
Schriftsteller. Ich zeige mein Geschreibsel noch meiner Familie und
die beiden haben Spaß daran, mich zu verbessern, obwohl sie sich
lustigerweise nicht immer ganz einig sind. Ich glaube, die Frau will
es lieber etwas höflicher und der Mann findet es schon ok so. Ich
habe den Text so geschrieben, wie ich eine E-Mail an Hiko schreiben
würde (und ich werde ihn auch per E-Mail an Hiko schicken). Daher
habe ich ihn absichtlich nicht so förmlich geschrieben.
Nachdem das Opus endlich fertig ist, muss ich es noch von Hand
abschreiben. Wahrscheinlich würde es auch als Ausdruck
angenommen, aber ich habe keinen Drucker und keine Lust, mich mit
meiner Gastfamilie nachts um 11 über die Benutzug des Druckers zu
unterhalten. Und das Schreiben von Hand muss ich eh üben, das
brauch ich im Unterricht ja jeden Tag.
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