17.4., Eine Abreibung im Go

Als die Gastfamilie gegen 8:30 Haus verlässt, drehe ich mich noch mal auf die Seite, aber um 10 fühle ich mich ausgeschlafen. Nach dem Frühstück kuschle ich mich mit meinem Notebook nochmal ins Bett und schreibe ein bisschen, lerne ein paar Vokabeln und schreibe wieder – immer schön abwechselnd. Bis ich dann geduscht und angezogen bin, gehen einige Stunden ins Land. Ich fahre wieder zur Schule – wegen des Internet-Zugangs –, stehe aber diesmal vor verschlossenen Türen Foto dazu. Macht aber nichts, das WLAN funktioniert auch draußen, und so viel Zeit wollte ich auch nicht mit dem Internet verschwenden.

Gegen 15 Uhr gehts zum gokaijo, Go spielen. Es sind nur drei Japaner da, und der freie bietet mir sogleich eine Partie an. Wie ich es schon gewohnt bin, verstehe ich das Altherren-Japanisch so gut wie gar nicht, aber immerhin bin ich jetzt mit den Zahlwörtern für Go-Steine so weit, dass ich verstehe, dass ich mir zwei Vorgabesteine nehmen soll.

Mein Gegner fühlt sich deutlich stärker an als ich, und als mir gegen Ende eine große Gruppe wegfliegt, gebe ich die Partie auf. Die zweite läuft immerhin so gut, dass ich mir erlaube, zu Ende zu spielen. Diesmal wäre es durchaus knapp geworden, wenn nicht, tja, wenn mir nicht eine Ecke weggeflogen wäre. Wie die das immer machen, die Dan-Spieler. Da wir bis zum Ende gespielt haben, hätte ich eigentlich erwartet, dass wir zählen. Aber nachdem wir noch vielleicht eine halbe Minute aufs Brett geschaut haben, räumt mein Gegner die Steine ab. Wahrscheinlich geht er davon aus, dass ich natürlich wie er im Kopf zählen kann und das Ergebnis kenne. Die dritte Partie versaubeutle ich auch – ich lasse meinen Gegner ein riesiges Moyo bauen, traue mich dann nicht rechtzeitig hinein und versaue dann die Invasion. Na ja. Ich deute an, dass ich beim nächsten Mal vielleicht doch drei Steine nehmen sollte, und er stimmt mir zu. So viel zum Thema Go – das war vielleicht eine Abreibung. Ich weiß aber nicht, wie stark mein Gegner war; irgendwie weiß ich noch nicht, wie man danach auf Japanisch fragt.

Beim Abendessen darf ich heute endlich einmal die ganze Familie fotografieren, wobei sich Chihiro (sowieso) und Keiko san zieren; sie wollen nicht so recht aufs Bild Foto dazu. Zum Trinken schenkt mir Katsuaki san wieder Shochuu auf Eis ein – und Keiko san fängt sofort an zu schimpfen: Viel zu stark, da ist ja gar nicht genug Platz für Wasser zum Verdünnen in der Tasse. Sie scheint die Wächterin über den Alkoholkonsum zu sein; ich habe schon mehrfach beobachtet, wie es Diskussionen gab, wenn Katsuaki san sich etwas eingeschenkt hat. Insbesondere, als seine Tochter das Glas Whiskey bekommen hat.

Nach dem Abendessen muss ich nochmal ran: Als Hausaufgabe sollen wir auf Japanisch eine Seite mit einem Tagebuch vom Wochenende vollschreiben. Ich habe vor dem Essen schon angefangen und mache jetzt weiter. Mann ist das mühsam, auf Japanisch zu schreiben! Ich muss bei jedem Satz ewig lang nachdenken; so wird aus mir nie ein Schriftsteller. Ich zeige mein Geschreibsel noch meiner Familie und die beiden haben Spaß daran, mich zu verbessern, obwohl sie sich lustigerweise nicht immer ganz einig sind. Ich glaube, die Frau will es lieber etwas höflicher und der Mann findet es schon ok so. Ich habe den Text so geschrieben, wie ich eine E-Mail an Hiko schreiben würde (und ich werde ihn auch per E-Mail an Hiko schicken). Daher habe ich ihn absichtlich nicht so förmlich geschrieben.

Nachdem das Opus endlich fertig ist, muss ich es noch von Hand abschreiben. Wahrscheinlich würde es auch als Ausdruck angenommen, aber ich habe keinen Drucker und keine Lust, mich mit meiner Gastfamilie nachts um 11 über die Benutzug des Druckers zu unterhalten. Und das Schreiben von Hand muss ich eh üben, das brauch ich im Unterricht ja jeden Tag.

 

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©2005 by Harald Bögeholz