Ich habe gut geschlafen und bekomme um 8:30 ein liebevoll
zubereitetes Frühstück serviert. Auf die Frage, was man hier
in der Gegend denn mal noch unternehmen kann in den verbleibenden
sechs Stunden meines Aufenthalts, weiß die Landlady auch keine
rechte Antwort. Als ich in mein Auto steige, treffe ich die beiden
Mädels von gestern, die auf meine Empfehlung hin jetzt zu den
Vögelchen fahren wollen. Wir haben strahlenden Sonnenschein, und
ich beschließe, nochmal mitzufahren und vielleicht noch
schönere Fotos zu machen als gestern. Außerdem liegt der
Strand mehr oder weniger direkt auf dem Weg nach Auckland.
Heute ist Flut, und man muss schon den rechten Moment abwarten, um
auf dem Weg über den Strand keine nassen Füße zu
bekommen . Der Wind weht noch
stärker als gestern, sodass die Vögelchen bei ihrem
Landeanflug in der Luft so gut wie stehenbleiben.
Als ich mich sattgesehen und -fotografiert habe, fahre ich nach
Auckland rein. Vielleicht schaue ich ja nachher noch im Auckland
Museum vorbei, aber erst mal will ich in die Innenstadt, einen
Buchladen suchen für ein gewisses Mitbringsel, ein Foto
nachholen und vielleicht nochmal ans Internet, die letzte
Ladung Bilder uploaden.
Aus "mal eben" ans Internet wird dann doch eine ganze Stunde, und
mit Bummeln und Bücher Suchen ist so viel Zeit vergangen, dass
ich beschließe, doch jetzt schon zum Flughafen zu fahren. Macht
ja nichts, wenn ich ein Stündchen zu früh da bin; irgendwie
fehlt mir die innere Ruhe, jetzt noch durch ein Museum zu spazieren.
Zumal das auch erst noch zu finden wäre.
Die Parkgebühr von 14 Dollar für knapp drei Stunden haut
mich rückwärts aus den Socken; ganz schön heftig, finde
ich. Es stellt sich heraus, dass es eine gute Idee war, jetzt schon
loszufahren. Denn der Verkehr staut sich schon an der Auffahrt auf den
Motorway, und ich beschließe spontan, einen anderen Weg zu
suchen. Das klappt erstaunlich fehlerfrei, obwohl ich nicht im Besitz
eines vernünftigen Stadtplans bin, dauert aber dennoch seine
Zeit, denn es herrscht reger Verkehr, auch auf den
Seitenstraßen, die ich jetzt fahre. So bin ich dann doch erst um
15:30 am Mietwagen-Depot, erledige die Formalitäten, warte 20
Minuten auf den Shuttle-Bus zum Flughafen, muss ewig Schlange stehen,
um einzuchecken, muss nochmal ewig Schlange stehen bei der
Passkontrolle und erreiche das Gate erst, als sie gerade anfangen, das
Flugzeug zu besteigen. Und ich dachte, ich müsste noch ein
Stündchen irgendwo rumsitzen!
Der Flug verläuft recht komfortabel. Die Boeing 747-400 ist
nicht voll belegt, sodass ich am Fenster sitze und die Reihe für
mich habe. Ich schreibe bis zum Abendessen noch Tagebuch und wende
dann mein bewährtes Rezept für das Überstehen von
Nachtflügen an: Ich trinke zum und nach dem Essen allen Alkohol,
den man mir anbietet und schlafe dannn durch. Da ich mich quer
über die drei Sitze hinlegen kann, bekomme ich tatsächlich
fast sechs Stunden ununterbrochenen Schlaf. Das ist gut, denn auf mich
wartet ja noch ein 11-Stunden-Flug.
In Los Angeles muss ich mein Gepäck durch den Zoll tragen und
darf es dann wieder abgeben. Ich hätte erwartet, dass es einen
Transit-Bereich gibt, aber nein, ich muss ganz offiziell mit dem
grünen Visa-Waiver-Formular in die USA einreisen, damit ich zu
Fuß von Terminal 4 zum daneben gelegenen Tom Bradley
International Terminal zu laufen. Dort stehe ich etwas verloren rum,
denn am British-Airways-Schalter ist weit und breit niemand zu sehen.
Ich erfahre an der Information, dass der erst um 12:30 aufmacht, also
heißt es eine Dreiviertelstunde warten.
Es irritiert mich irgendwie, dass mein Flug nicht auf der
Abflugtafel steht, ob ich wohl doch im falschen Terminal bin? Als der
BA-Schalter endlich aufmacht, erfahre ich, dass mein Flug gestrichen
wurde. Aber kein Problem, der freundliche BA-Mitarbeiter bucht mich
auf einen Flug von Air New Zealand um. Lustig: Erst fliege ich mit
einer australischen Fluggesellschaft von Neuseeland nach Amerika und
dann mit einer neuseeländischen von Amerika nach London.
Was denn mit dem Gepäck passiere? Kein Problem, der BA-Mench
hat sich extra Kopien von meinen Baggage Tags gemacht und ganz viel
auf seinem Computer rumgetippt und meint, das würde schon
klappen. Sie schicken das Gepäck einfach rüber zu Air New
Zealand, wenn es hier ankommt, und dann wandert es weiter bis nach
Hamburg. Na da bin ich ja mal gespannt, das klappt bestimmt!
Air New Zealand sitzt in Terminal 2, fünf Minuten Fußweg
weiter. Nach einer Dreiviertelstunde Wartezeit - deren Abfertigung
öffnet erst um 13:30 - checke ich dort ein und löse mit
meiner Erklärung, dass ich umgebucht wurde und mein Gepäck
direkt weiter nach Hamburg soll, hektisches Getippe auf dem Computer
und einen Besuch der Sachbearbeiterin hinter den Kulissen aus, wo sie
sich irgendwie nach meinem Gepäck erkundigen will. Danach
versichert sie mir zuversichtlich, dass das klappen wird und
händigt mir die Bordkarte aus.
Es sind noch über zwei Stunden Zeit bis Abflug, aber ich will
schon mal zum Gate gehen. Dort ist eine Riesenschlange vor der
Sicherheitskontrolle, die nach mindestens einer halben Stunde
Wartezeit aussieht. Als ich mich gerade angestellt habe, kommt einer
die Reihe entlang, wirft einen Blick auf die Bordkarten und winkt mich
dann ganz aufgeregt raus und lotst mich in einen extra Eingang, vorbei
an der langen Schlange.
Dort darf ich exklusiv unter den Augen von vier oder Fünf
Sicherheitsmenschen meinen Laptop auspacken, ihn, den Rucksack, meine
Jacke und den üblichen Kleinkram auf das Förderband stellen
und durch den Metalldektektor gehen. Der piept (natürlich) nicht,
trotzdem will mich einer nochmal von oben bis unten mit seinem
Metalldetektor überprüfen und abtasten. Was ist hier nur
los, die gucken alle so streng als hätten sie gerade einen
mutmaßlichen Terroristen gefangen. Einer packt meinen Rucksack
komplett aus und schaut in jeden Winkel inklusive Kamera- und
Objektiv-Tasche, ein anderer schnüffelt mein Notebook mit einem
Sprengstoff-Detektor ab. Erst als all das vorbei ist, schauen sie ein
bisschen freundlicher. Womit ich diese Sonderbehandlung verdient habe?
Ich habe die vier S auf meiner Bordkarte ; die Fluggesellschaft war
also aus irgendeinem Grund der Meinung, ich müsste besonders
gründlich überprüft werden. Es sei womöglich eine
rein statistische Sache. Aha. Na dann. Ich sehe es positiv; immerhin
haben mir die vier S den VIP-Status verpasst, sodass ich nicht eine
Dreiviertelstunde lang in der Schlange stehen musste.
Mein Notebook-Akku ist leer; ich habe vorhin die Wartezeiten zum
Tagebuchschreiben genutzt. Ich habe zwar schlauerweise das
Ladegerät im Handgepäck, aber den US-Adapterstecker nicht.
Und hier gibt es weder deutsche noch australische Steckdosen. Also
muss ein Buch her. Michael Moore's "Dude, where's my country" scheint
mir nach dieser Sicherheitskontrolle genau die richtige Lektüre
zu sein.
Die Maschine von Air New Zealand ist eine ältere Boeing
747-400, die noch nicht in jedem Sitz ein Display und ein Telefon hat.
Dafür scheint mir, dass die Sitze etwas weiter voneinander
entfernt sind und sich weiter zurückstellen lassen. Ich trinke
wie immer zum Abendessen ein paar Bierchen und schlafe dann, aber nur
ungefähr vier Stunden, dann bin ich hellwach. Noch etwa vier
Stunden bis zur Akunft. In dieser Zeit schaffe ich den kompletten Rest
des Buches, dann geht die Sonne auf, und es gibt Frühstück.
Als ich so aus dem Fenster schaue, beobachte ich ein anderes Flugzeug,
das genau in der gleichen Richtung fliegt, nur tiefer. Es kommt immer
näher; anscheinend sinken wir schon. So richtig wohl ist mir
allmählich dabei nicht, aber nehmen wir mal an, der Pilot hat
auch keine Tomaten auf den Augen. Als es noch näher kommt,
fällt mir ein, dass man ja vielleicht mal ein Foto machen
könnte. Sieht eigentlich ganz nett aus bei dem schönen
Wetter, und als wir es dann überholen, wirkt es sogar recht
dramatisch nah .
Auch in London Heathrow heißt es wieder ewig Schlange stehen:
Die Sicherheitskontrolle vor dem Eingang zum zentralen Transit-Bereich
hat ganz offensichtlich zu wenig Personal. Am British-Airways-Schalter
werde ich gefragt, ob ich denn kein Gepäck habe. Ich erzähle
die Geschichte meiner Umbuchung und drücke meine leichte Skepsis
aus, ob denn das mit dem Gepäck wohl klappen wird. Ob sie mal
nachschauen soll, ob es in London ist? Nein danke, was würde das
schon nützen? Ändern können wir ja sowieso nichts,
oder? Nein, da habe ich eigentlich recht. Warten wir also ab, was in
Hamburg passiert.
Jetzt heißt es wieder warten. Ich stecke jetzt seit 40
Stunden in denselben Klamotten und fühle mich nicht mehr wirklich
frisch. Und von Air New Zealand gab es keine Zahnbürste -
hätt ich das geahnt, dann hätte ich die von Quantas nicht in
Los Angeles weggeworfen. Hier gibt es öffentliche Duschen, das
ist doch mal eine gute Idee. Drei Pfund wollen sie dafür, die ich
nicht habe, also 6 Euro. Moment, drei Pfund sind doch keine 6 Euro,
ach, egal. Für 6 Euro dusche ich ausführlich und fühle
mich danach wieder wie neu. Nächstes Mal muss ich dran denken,
ein frisches T-Shirt und ein Deo in mein Handgepäck zu stecken,
das wäre noch besser gewesen.
Ich hadere lange mit mir, ob ich in der verbleibenden Stunde nun
einen Kaffee oder lieber doch ein Bier trinke. Kein Bier vor vier,
aber in irgendeiner der Zeitzonen, die ich gerade durchflogen habe,
ist es bestimmt schon vier. Also doch ein Pint Murphy's.
Komischerweise macht es nicht müde.
Der Flug nach Hamburg ist nur ein Hüpfer von gut einer Stunde.
Für den Kofferkuli brauche ich einen Euro, habe aber keinen
parat. Der Geldwechselautomat nimmt sich meinen 5-Euro-Schein zur
Brust und prüft und prüft und prüft ... nach drei
Minuten finde ich, ich könnte jetzt eigentlich mal mein Geld
kriegen. Mit bleibt auch nichts erspart auf dieser Reise. Ich rufe
also per Handy die auf dem Automaten stehende Telefonnummer an, und
nach ein paar Minuten kommt einer vorbei, der das wohl schon kennt.
Machen kann er erstmal nichts, aber er gibt mir fünf Euro und
kostenlos einen Wagen.
Mit dem stehe ich jetzt gespannt am Gepäckband. Wird das
Gepäck auftauchen? Ich glaube ja nicht so richtig daran, aber man
weiß ja nie, vielleicht wird man ja mal positiv überrascht.
Werde ich aber nicht. Als nach gut 20 Minuten meine Flugnummer von der
Anzeigetafel verschwindet, bringe ich den Kofferkuli wieder weg und
spreche beim Lost-Baggage-Schalter von British Airways vor. Dort wird
der Vorgang aufgenommen, und ich gebe meine Adresse in Hannover und
meine Handy-Nummer an. Das Gepäck wird dann zugestellt.
Das finde ich prima; wenn man so drüber nachdenkt, ist das
eine perfekte Reiseorganisation. Das Gepäck hätte ja auch
auf der Hinreise oder auf einem meiner Flüge dazwischen verloren
gehen können. Da hätte mich das echt gestört. Aber auf
der Rückreise ist das doch perfekt. Da brauche ich meine
schmutzige Wäsche und meine zehn Kilo Bücher jetzt nicht vom
Hamburger Flughafen aus in den Bus, in den ICE und dann nach Hause zu
schleppen, sondern kann unbeschwert nur mit meinem Handgepäck
nach Hause fahren. Der reservierte ICE ist zwar schon weg, aber der
nächste fährt schon eine Viertelstunde später; alles
klappt jetzt wie am Schnürchen. Ich verbringe die Fahrt im
Zugrestaurant mit einem Abendessen und dem ersten Hefeweizen seit 10
Wochen, tut das gut! Um 8 bin ich schließlich endlich in meiner
Wohnung, wo ich noch zwei Stunden lang diagonal durch Post und E-Mail
schaue und ein bisschen telefoniere, um dann um 22 Uhr ziemlich kaputt
in mein Bett zu fallen.
Jetzt wäre die Geschichte eigentlich zu Ende. Jockel meinte
zwar Freitagabend beim Abendessen, ich solle doch einfach
weiterschreiben, das wäre doch lustig. Aber mein langweiliges
Leben in Hannover will ich dann doch keinem Leser zumuten. Die
Gepäck-Geschichte gehört allerdings irgendwie noch dazu.
Freitagnachmittag finde ich in einer Online-Datenbank -
zunächst auf Tipp von Frieder bei Alitalia, aber dann dieselbe
Datenbank auch bei British Airways - Spuren meines Gepäcks. Als
ich das erste Mal schaue, heißt es für beide
Gepäckstücke "GEPÄCK LOKALISIERT / BITTE WARTEN SIE AUF
BESTÄTIGUNG", später am Nachmittag ist Gepäckstück
2 aber anscheinend doch wieder verschwunden.
Freitagabend gegen 18:45 klingelt das Handy, und der Flughafen
Hamburg teilt mir mit, dass mein zweites Gepäckstück
angekommen sei und man heute noch eine Fahrt nach Celle habe und es
auf dem Wege zustellen könne. Das zweite? Wo ist denn das erste?
Das sei in Hannover und müsste schon zugestellt worden sein, ob
denn die Kollegen aus Hannover noch nicht angerufen hätten? Nein,
haben sie nicht. Dann werden sie wohl noch. Heute Abend passt mir aber
nicht; ich bin doch gerade unterwegs, um mit den Kollegen beim neu
entdeckten Markthallen-Chinesen Wiedersehen zu feiern. Also
morgen.
Samstagmorgen ruft um 8 der Flughafen Hannover an, dass mein
Gepäck jetzt gebracht werden könne. Ich bin sogar schon
wach; dank Jet-Lag bin ich um 6:30 aufgewacht. Erst um kurz vor 10
klingelt es dann endlich, und meine Reisetasche ist da. Verziert mit
vielen schönen neuen Anhängern, auf denen sich Lufthansa und
British Airways bei mir entschuldigen, Quantas vor dem Gewicht der
Tasche warnt und der Bundesgrenzschutz die Unbedenklichkeit
bescheinigt, ist die Tasche anscheinend wohlbehalten angekommen . Das
ist schon mal die wichtigere von beiden, denn da drin sind einige
Souvenirs, die mir doch sehr am Herzen liegen.
Ich gehe mit Jennis frühstücken und schaue dann beim
Vielseitigkeitsturnier des Go-Vereins vorbei, das dieses Wochenende
stattfindet. Angemeldet habe ich mich nicht, denn ich bin zu schlapp,
um das ganze Wochenende Go (beziehungsweise Go-ähnliche Spiele)
zu spielen. Aber da sie gerade eine ungerade Anzahl von Spielern
haben, lasse ich mich überreden, Fritz Freilos zu vertreten und
spiele zwei Runden mit, bis Lisa aussteigt, sodass die Anzahl der
Spieler ohne mich wieder gerade ist. Gegen 16:30 Uhr treffe ich noch
Oliver und Martina auf einen Kaffee, und da kommt auch schon der
Anruf, dass man mir mein Gepäck jetzt bringen wird. "Jetzt" ist
dann doch erst gegen 17:45, aber es ist doch schön, dass nun
alles wohlbehalten hier angekommen ist, auch dieser Koffer verziert
mit reichlich bunten Anhängern . Ein gewisser Leser kann
sich jetzt an Hand der beiden Fotos auch endlich ein Bild davon
machen, wie 33 kg Gepäck aussehen ;-).
ENDE
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