28.9., Die Tölpelkolonie

Ich vergaß ganz zu erwähnen, dass dies die zweite Nacht war, in der ich mein Bett beheizt habe. Es wird nachts nämlich recht kalt hier (vielleicht 5 Grad? Habe in diesem Mietwagen und natürlich auch sonst kein Thermometer), und in den letzten paar Motels habe ich immer versucht, das Zimmer mit den dafür bereitstehenden Heizlüftern oder Infrarotstrahlern leidlich warm zu kriegen. Vorgestern ist mir zum ersten Mal aufgefallen, dass im Bett eine elektrische Heizdecke liegt, und auch dieses Bett hatte eine. Während ich in der Nacht davor aufgewacht bin, weil es mir zu warm wurde, habe ich diese Nacht perfekt geschlafen mit der Heizung auf der niedrigsten Stufe. Nicht wirklich Wärme von unten, sondern nur ein bisschen Nicht-Kälte, das war genau richtig. Die Decken sind hier nämlich allgemein ziemlich dünn; nix Federbetten oder so.

Der Tag fängt ja gut an, es regnet in Strömen. Ich habe mir zum Glück ein Frühstück aufs Zimmer bestellt, sodass ich noch ein Weilchen abwarten kann, ob das Wetter besser wird. Wird es aber nicht. Also fahre ich erst einmal nach Hamilton und suche mir dort ein Cafe für einen Cappucino - auf Instant-Kaffee hatte ich vorhin im Motel keine Lust. Als nächstes für ein Stündchen in einen Internet-Laden, wo es gerade so schaffe, die Web-Galerie zu uploaden, bevor das Netz während meines Backups unter meiner Last mehrfach zusammenbricht. Ich frage, warum denn das Netz nicht mehr geht, und nachdem wir ein bisschen am Kabel gewackelt haben und dies als Fehlerquelle ausschließen können, geht es so lange, bis ich mein Backup wieder anwerfe. Ich frage nochmal vorsichtig, ob es denn Bandbreitenbegrenzuungen gäbe, und er meint, dass man hier natürlich keine größeren Up- oder Downloads machen dürfe. *hüstel*. Ich warte, bis das Netz mal wieder geht und beschränke mich dann auf E-Mail.

Es regnet immer noch. Was tun? Vielleicht mal zur Abwechslung ein Einkaufszentrum ansteuern und mich da ein wenig umschauen. Das Hamilton Central Shopping Centre ist aber die reinste Enttäuschung; total winzig und gammelig - wo gehen die Hamiltoner nur einkaufen? Es reicht gerade so für einen weiteren Cappucino, und dann fahre ich weiter im strömenden Regen gen Auckland.

Wo will ich heute hin? Auckland hat mir eigentlich nicht so richtig gut gefallen, aber was gibt es sonst hier in der Gegend? Weiter im Norden, nur einige zig Kilometer von Auckland aus an der Küste entlang, sieht es interessant aus. Dort nistet eine Kolonie von Vögelchen, Tölpeln laut meinem Reiseführer, auf Englisch gannets. Das Foto im Buch sieht zwar nicht so spektakulör aus, aber Vögelchen sind ja immer nett. Und vielleicht hat es sich ja bis dahin ausgeregnet, und ich kann mir das im Trockenen anschauen.

Gegen 16 Uhr komme ich auf einem total verlassenen Parkplatz in Muriwai Beach an, und in der Tat regnet es nicht mehr. Diese Sehenswürdigkeit hat irgendwie etwas mit dem Grand Canyon gemeinsam: Man fährt hin und sieht von weitem absolut gar nichts. Man wundert sich noch, wozu all die Parkplätze da sind, denn hier sieht es ja eigentlich nicht sonderlich interessant aus. Aber dann tritt man an die Kante, und auf einmal schaut man in diesen unglaublichen Canyon - oops, falscher Film. Das war 1992. Hier parke ich mein Auto, schaue mir den Strand an, der nicht gerade zum Baden einlädt, aber mit seinem dunklen Sand recht nett aussieht Foto dazu, und frage mich, ob ich an der richtigen Stelle gelandet bin. Hier fliegen überhaupt keine Vögel rum, kann das sein?

Doch dann entdecke ich ein Schild mit einem Umgebungsplan, auf dem die Vogelkolonie eingezeichnet ist. Man muss also nur links am Felsen entlang das Treppchen hoch und dann weiter. Schon beim Aufstieg weht mir der Geruch von Vogelscheiße entgegen - so beginnt Secundus' Käfig nach gut einer Woche zu riechen, um mir zu signalisieren, dass ich ihn wieder saubermachen muss. Und da sind sie auf einmal, die Vögelchen Foto dazu. Auf drei Felsen (zwei davon auf dem Foto) sitzen sie dicht an dicht und brüten, ein geiler Anblick Foto dazu! Ich bin ganz außer mir vor Begeisterung und schieße über 300 Fotos von fliegenden Vögeln, bis beide Speicherkarten voll sind. Das Aussortieren wird noch viel Arbeit machen; hier ist zum Beispiel mal ein schönes Foto Foto dazu.

Als ich mich endlich von dem Anblick losreiße, ist es noch eine Stunde vor Sonnenuntergang. Mein Reiseführer hat keine weiteren Attraktionen in der Nähe parat, aber der neuseeländische Road Atlas verzeichnet ein paar Kilometer weiter nördlich "Hot Pools". Das schaff ich noch, also los.

Hinter Te Pua steht in der Tat ein vielversprechendes braunes Schild "Thermal Pools", aber als ich der Straße folge, denke ich mehr und mehr, dass sie ins Nichts führt. Na ja, an den Strand laut meinem Atlas, aber das Symbol für die Thermal Pools steht eigentlich mehr in der Nähe der Kreuzung. Also kehre ich nach 5 (oder 10?) Kilometern um; das kanns ja wohl nicht sein. In Helensville halte ich spontan an einem Schild "Bed & Brekfast" und komme dort für die Nacht unter. Nachdem ich mich erst nach einem Zimmer mit eigenem Bad erkundige und mir das mit 80 Dollar zu teuer ist, zeigt man mir die billigen Unterkünfte, und für 25 Dollar kann ich ein gemachtes Bett in einem eigenen Zimmerchen haben, wo ich allerdings Dusche und Toilette mit den anderen teilen muss Foto dazu Foto dazu. Hier fällt mir wieder auf, dass man in Neuseeland offensichtlich wesentlich billiger reisen kann, als ich das bisher getan habe. Mein Zimmer hier ist noch nicht die unterste Kategorie, die "Backpacker"-Unterkunft im Dorm Room wäre wohl noch billiger. Und man kann wirklich nicht meckern. Keine Heizdecke diesmal, aber ein vernünftiges Oberbett, und ansonsten kann man sich halt in der gemeinschaftlichen Küche oder im Fernsehraum aufhalten.

Ich erkundige mich, wo denn die Thermal Pools nun sind und erfahre, dass ich schon dran vorbeigefahren bin. Ob ich denn die Schilder zu "Palm Springs" nicht gesehen habe? Schon, aber das sah mir irgendwie eher wie ein Restaurant aus. Apropos Restaurant: Wo kann man denn hier mal was vernünftiges essen? Schwierig, schwierig, also in Helensville haben die meisten Läden wohl Montags und Dienstags zu. Aber ich soll mal nach Parakai fahren (dort sind auch die Thermal Pools); dort gebe es zwei Restaurants, die geöffnet haben müssten.

Palm Springs erweist sich als eine Art Schwimmbad. Nach kurzem Zögern investiere ich die 10 Dollar Eintrittsgeld und lege mich in einen Pool badewannenwarmen Wassers. Es hat irgendwie etwas Unwirkliches, bei Sonnenuntergang und gelegentlichen Regenschauern im warmen Wasser zu sitzen und zuzuschauen, wie ein kräftiger Wind eine dichte Wolkendecke über den Himmel bläst. Die Pools scheinen tatsächlich auf einer natürlichen Thermalquelle gebaut zu sein. Anders kann ich mir jedenfalls nicht erklären, warum man mittendrin an unregelmäßigen Stellen kleine Löcher im Boden gemacht hat, aus denen heißes Wasser quillt, an einer Stelle blubbern auch Blasen herauf.

Abendessen gibts in Black Pete's Bar & Grill direkt neben Palm Springs. Die Speisekarte beschränkt sich im Wesentlichen auf Steaks, also gibts halt schon wieder ein Steak mit baked potato und Salat. Auch ganz passabel, und mit 15 Dollar für deutsche Verhältnisse spottbillig (ca. 8 Euro). Der Euro steht günstig für Reisen nach Neuseeland und Australien; ich glaube, einen Neuseeländer würde der Schlag treffen, wenn er in Deutschland essen ginge.

Zurück in der Unterkunft treffe ich in der Küche zwei Mädels aus Deutschland, mit denen ich mich unterhalte. Daher komme ich nicht zum Tagebuchschreiben; lediglich eine Grobsortierung der 300 Fotos kriege ich fertig. Zwischendurch zeige ich den beiden meine ganzen anderen Neuseeland-Fotos, denn sie haben ihre dreiwöchige Rundreise noch vor sich und können sich so schon mal ein Bild machen, wo es ihnen wohl am besten gefallen könnte. Wehmütig gehe ich ins Bett, denn dies ist meine letzte Nacht in Neuseeland.

 

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©2004 by Harald Bögeholz