Um 7:30 rufe ich weisungsgemäß den Skipper an, um mich
zu vergewissern, dass die Tour tatsächlich stattfindet. Die
Bootsfahrt zur Insel rüber ist zwar nicht sehr lang, aber die See
wohl doch gelegentlich zu rauh für eine Überfahrt, sodass
die Touren gelegentlich kurzfristig abgeblasen werden müssen.
Heute findet sie aber statt.
Bei der Wahl meines Motels habe ich einen guten Riecher gehabt:
Obwohl ich gestern nicht so genau wusste, wo ich eigentlich war, habe
ich wohl das dem Boat Club nächstgelegene erwischt, das
zu Fuß höchstens zwei Minuten entfernt liegt. Zu meiner
Überraschung wird übrigens mitten in der Nacht um 8 bereits
fleißig Golf gespielt auf dem Golfplatz, sodass ich beiim
Frühstück die Golfer beobachten kann. Mein Auto darf ich
freundlicherweise hier am Motel stehen lassen, als ich wie verabredet
um 8:45 losgehe.
Der Skipper kassiert die 30 Dollar Fahrgeld und das Permit und
wirft einen amtlichen Blick in meinen Rucksack, ob da auch keine
Nagetiere drin sind, bevor er mich an Bord lässt. Das ist
nämlich das Besondere an dieser Insel: Hier wurden im Laufe
mehrerer Jahrzehnte diejenigen Tierarten wieder ausgerottet, die es
ursprünglich in Neuseeland nicht gab und durch die die
einheimische Tier- und Pflanzenwelt nach und nach ausgestorben ist.
Als da wären Ratten, Possums, Katzen, aber auch alles vom
Menschen eingebrachte Nutzvieh. Kann mir schon vorstellen, dass eine
Horde Katzen nicht gut für Vögel ist, die mangels richtiger
Flügel nur noch am Boden leben.
Das Boot liegt übrigens nicht im Wasser, sondern steht auf
einem Anhänger auf einem Parkplatz, und leicht verwundert steige
ich ein. Alle Boote, die ich bisher bestiegen habe, waren im Wasser.
Dieses wird aber erst mit allen Passagieren drin runter zum Strand und
dann langsam rückwärts ins Wasser gefahren. Wobei ich
bemerke, dass das Wasser gefährlich hoch zu spritzen beginnt, als
die Wellen gegen das Heck schlagen - wird die transparente
Plastikplane, die das Boot umgibt, wohl dichthalten? Tut sie
natürlich nicht, und ich kann die Kamera gerade so
hochreißen und vor dem ersten Spritzer in Sicherheit zu bringen,
um sie dann hastig in die eigens zu diesem Zweck mitgebrachte
Plastiktüte und dann in den Rucksack zu stecken, bevor der
nächste, größere Spritzer kommt, den man schon eher
als Guss bezeichnen muss. Säß ich doch nur weiter vorne!
Mit hochgehaltenem Rucksack überstehe ich das Ablegemanöver
dann aber halbwegs trocken - jedenfalls an Oberkörper und
Kamera.
Auf Kapiti Island gibt es nur das Nötigste für die
Bedürfnisse der wenigen Touristen - ein Toilettenhäuschen
und einen Unterstand mit ein paar erklärenden Schildern, das ist
alles. Ach ja, und das Haus des Rangers, der dort anscheinend
permament wohnt. Er hält uns, das sind außer mir so um die
15 Leute, einen halbstündigen Vortrag darüber, warum es so
besonders wichtig ist, hier keine Vögel zu füttern, keinen
Müll zurückzulassen und so weiter, und dann haben wir
fünfeinhalb Stunden Zeit, die Insel zu erkunden. Zur Wahl stehen
nur zwei Tracks: Einer auf den 524 Meter hohen Gipfel rauf und einer
am Ufer entlang. Ich habe den Eindruck, alle entscheiden sich für
den Gipfel. Vögel bekommt man wohl auf beiden Wegen reichlich zu
sehen, aber vom Gipfel aus lockt eine schöne Aussicht auf Kapiti
Island und aufs Festland.
Einige der hier angesiedelten Vogelarten haben sich laut dem
Vortrag des Rangers prächtig vermehrt, sodass sie jetzt nicht
mehr vom Aussterben bedroht sind. Von anderen gibt es immer noch nicht
wirklich viele - beispielsweise Takahe weltweit nur etwas über
40, wenn ich mich recht erinnere, fast alle auf dieser Insel. Da sie
nicht fliegen können, sollen sie sich am liebsten auf dem flachen
Land aufhalten, also auf den Wiesen in der Nähe der Landestelle
am Ufer oder auf dem Rasen vor dem Haus des Rangers. Diese Gegenden
grase ich wie vermutlich auch alle anderen natürlich als erstes
ab, denn Takahe scheinen schon witzige Viecher zu sein; ich habe in
meinem Reiseführer schon ein Foto gesehen. Wir haben aber Pech -
keine Takahe in Sicht.
Also geht es den Wanderweg entlang den Berg hinauf. Der Weg ist
einigermaßen steil und vor allem ziemlich matschig. Schon nach
wenigen Minuten bereue ich, keine vernünftigen Wanderschuhe
mitgebracht zu haben. Ich habe zwar feste Schuhe an, und sie werden es
sicher überstehen, aber es bleibt natürlich nicht aus, dass
sie ziemlich dreckig werden. Egal, ich werde sie schon wieder sauber
kriegen. Aber höhere Schuhe, die einen ein bisschen besser vor
dem Umknicken schützen, wenn man so über Stock und Stein
klettert, wären auf jeden Fall angemessen gewesen. Das merk ich
mir für meinen nächsten Besuch auf Kapiti Island.
Schon seit Betreten der Insel kann man nicht überhören,
dass dies ein Vogelschutzgebiet ist. So viele Vogelstimmen auf einem
Haufen habe ich noch nie gehört; es zwitschert und trällert,
dass es eine wahre Freude ist. Die Vögelchen tatsächlich zu
sehen oder gar zu fotografieren, ist schon etwas schwieriger. Denn sie
sind nicht gerade besonders interessiert daran, sich Touristen zu
zeigen, wenn man mal von den neugierigen Kakas absieht, die es hier in
Hülle und Fülle zu geben scheint und die laut dem Ranger
darauf aus sind, den Touristen irgendwas Essbares zu stibitzen. Der
Ranger hat daher ausdrücklich davor gewarnt, in Sichtweite eines
Kaka irgendetwas zu essen; die Vögel sollen ziemlich rabiat und
angstfrei auf Essen aller Art losgehen.
Im Prinzip ist es ganz einfach, hier Vögel zu sehen. Man muss
einfach ruhig stehen bleiben und sich nicht bewegen, dann kommen sie
schon irgendwann von ganz alleine vorbei. Ich brauche relativ lange,
um zu dieser Erkenntnis zu gelangen und vor allem, um drauf zu kommen,
dass ich natürlich an einer Stelle auf die Vögel warten
muss, die schön übersichtlich und gut ausgeleuchtet ist.
Gutes Licht ist bekanntlich das Geheimnis jeglicher Fotografie, und
ich habe an keinem Tag im Nachhinein so viele misslungene Fotos
weggeworfen wie heute.
Ich halte mich relativ lange auf Vögel wartend auf den ersten
paar hundert Metern des Weges auf, weil ich erstens so viel Spaß
daran habe und man mir zweitens gesagt hat, dass es am Gipfel weniger
Vögel zu sehen gibt. Überlege mir zwischendurch, ob ich
überhaupt bis ganz nach oben will, aber die Aussicht, die sich
schon auf halber Höhe bietet, lässt den Gipfel doch recht
attraktiv erscheinen. So kommt es, dass ich die zweite Hälfte des
Weges dann doch recht zügig aufsteige und dabei mächtig ins
Schwitzen komme. Sind zwar nur 500 Höhenmeter, aber die wollen
halt erstmal geklettert sein.
Was das Fotografieren betrifft, so bin ich schon während des
Tages recht enttäuscht darüber, wie schlecht der Autofokus
mit dem Teleobjektiv funktioniert und wie verdammt wenig Licht man im
Wald doch hat. Beides scheint miteinander zusammenzuhängen, denn
in der prallen Sonne areitet der Autofokus besser und die Bilder
werden wegen der kleineren Blende auch schärfer. Gelegentlich
kriegt der Autofokus das Vögelchen partout nicht zu fassen und
ich versuche es manuell. Das hilft aber auch meist nichts ... am Abend
muss ich mehr als zwei Drittel meiner Fotos als Ausschuss verwerfen.
Eigentlich noch mehr, aber bei manchen unscharfen drück ich mir
selber gegenüber ein Auge zu.
Das schönste Foto des Aufstiegs ist vermutlich dieses , wobei ich mir nicht
sicher bin, ob ich hier den seltenen Black Robin oder irgendeinen
Feld-, Wald- und Wiesen-Vogel erwischt habe. Vermutlich Letzteres,
denn von diesen hier habe ich eine Menge gesehen und so schwarz ist er
ja nicht. Ob es der Toutouwai auf dem Schild ist? Vermutlich.
Ansonsten kann ich vermelden, folgende Vögel erkannt und
fotografiert zu haben: Tieke (aka Saddleback) (unscharf),
Korimako , Hihi (aka
Stitchbird) , Tui , Weka (gleich zwei, die sich
mögen), Kakariki und Kereru .
Die Aussicht auf dem Gipfel zwischendurch war
natürlich auch nett, aber kein wirklicher Vergleich mit dem
Anblick all der schönen Vögelchen.
Wieder unten, laufe ich noch eine halbe Stunde lang auf den Wiesen
herum, finde aber keine Takahe :-(. Fotografiere stattdessen am Strand
ein paar, tja, äh, Möwen? Enten? Flugfähige Viecher jedenfalls, die im
Wasser rumschwimmen .
Als ich mutlos nochmal Richtung Wiese gehe, kommen mir Leute
entgegen, die mich ganz aufgeregt fragen, ob ich denn die Takahe
gesehen habe? Sie seien auf dem Rasen vor dem Haus des Rangers. Ich
spurte hin, und tatsächlich, da stolzieren drei davon
herum . Habe ich sie also doch
noch in meiner Sammlung die komischen Vögel .
Zurück an dem Unterstand, wo die Leute schon auf das Boot
warten, beobachte ich noch zwei Kakas bei einem innigen Zungenkuss ( und folgende) sowie einen
Mann dabei, dass er entgegen der mehrfach schriftlich und
mündlich ausgesprochenen Verbote den Kakas doch ein paar
Nüsse gibt, woraufhin er sofort zwei Fans hat, die erst einmal
nicht mehr von seiner Seite weichen . Ein dritter versucht
noch, die Tüte mit den Nüssen zu knacken, die seine Frau
gedankenlos (oder absichtlich) hervorschauen lässt . Es stimmt schon, was die
Ranger sagen: Die Viecher sind recht rabiat, wenns ums Essen geht.
Ich käme zwar nicht auf die Idee, unter Naturschutz stehende
Vögel zu füttern, mache mir die Situation dann aber doch
zunutze, indem ich einem Kaka einfach mal einen Arm hinhalte. Denke
mir, vielleicht denkt der Vogel ja, dass ich ihm auch was zu essen
anbiete. Was immer der Vogel tatsächlich denkt, er kommt
jedenfalls lange genug auf meinen Arm für ein Foto , um dann aber recht
schnell wieder zu verschwinden, als es bei mir nichts zu holen
gibt.
Und schon ist der Tag auf der Insel zu Ende. Die Rückfahrt
verläuft weniger ruppig; der Wind hat sich gelegt und damit auch
die Wellen. Ich fahre gen Norden, bis ich müde werde, was schon
recht bald kurz vor Sonnenuntergang in der Mitte von Nirgendwo in
einem Ort, ach, einer Kreuzung namens Sanson der Fall ist, wo die
Nacht im Junction Motel dann auch nur 50 Dollar kostet. Und das
einzige Essen am "Ort" ein Chinese Takeaway ist, wo das Kong-Po-Huhn
zwar so heißt, aber fade schmeckt, dafür so reichlich ist,
dass ich die Hälfte der Portion wegwerfen muss.
totemo tanoshii ichinichi deshita.
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