Als ich gegen 7 kurz aufwache und höre, wie es draußen
in Strömen regnet, drehe ich mich wieder um und schlafe weiter.
Keine Lust auf kaltes Regenwetter, wenn es im Bett so schön warm
ist. Nach dem Frühstück in einem Cafe in Feilding regnet es
immerhin gerade mal nicht, und ich mache mich auf den Weg.
Plötzlich ist die Strecke mal wieder unerwartet schön -
eine gewundene Straße in einer Schlucht einen Fluss
entlang . Es macht immer wieder großen Spaß,
hier einfach nur Auto zu fahren, wenn ich mir auch wünschen
würde, solche Streckenabschnitte auf der Karte im Voraus besser
erkennen zu können. In dem kleinen Road Atlas, den ich mir
gekauft habe, sieht die Straße immer gleich aus, egal ob sie
sich Berge rauf und runter oder an der Küste entlang windet oder
ob sie geradeaus durch eine Ebene führt.
Als ich Mount Bruce gegen 12:30 Uhr erreiche, fällt ein
gleichmäßiger Nieselregen, und ich nehme im Cafe des
National Wildlife Center erst einmal einen Cappucino. Das hilft leider
nicht, den Regen abzustellen. Ich erkundige mich bei der Kassiererin,
ob es denn in dem Park überdachte Passagen gibt, aber sie
verneint - nur das natürliche Blätterdach des Waldes. Ob ich
mir erst mal die Diashow ansehen möchte? Eine gute Idee,
vielleicht bessert sich ja das Wetter. Tut es aber nicht. 20 Minuten
später derselbe feine, aber kräftige Nieselregen.
Na gut, dann mache ich eben das, was ich zu Hause auch mache, wenn
es regnet und ich Fahrrad fahren muss: Ich werde nass. Der Kamera
verpasse ich das Teleobjektiv und stecke sie in eine Plastiktüte;
vielleicht ergibt sich ja doch die Gelegenheit zu einem Foto.
Freundlicherweise leiht man mir am Eingang einen Regenumhang, sodass
ich im Wesentlichen nasse Füße kriege.
Die Dame am Eingang empfiehlt mir, als erstes zur Aalfütterung
zu gehen. Die beginnt um 13:30, also in 10 Minuten. Für Aale
interessiere ich mich zwar eigentlich nicht unbedingt, sondern mehr
für die Vögelchen, aber warum nicht? Schon komisch, in
strömendem Regen auf einer Brücke über einen Fluss zu
stehen, und ich bin weit und breit der einzige. Die Rangerin
erklärt mir, dass es diese Art Aale nur in Neuseeland gibt. Sie
werden bis zu zwei Meter lang. Wenn es an der Zeit ist, schwimmen sie
6000 Kilometer weit raus aufs Meer, legen dort irgendwo ihre Eier ab
und sterben. Die jungen Aale treiben dann mit der Strömung wieder
nach Neuseeland und schwimmen wieder den Fluss hinauf. Oder so. Was es
alles gibt!
Weiter gehts durch strömenden Regen zu einem Gehege, in dem
ich eine Ente bewundere . Für mich Banausen
sieht es aus wie irgendeine Ente, aber es scheint eine vom Aussterben
bedrohte zu sein. In einer anderen Voliere sitzt ein Kaka , ein Waldpapagei, der auch
einmal vom Aussterben bedroht war, von dem es aber inzwischen wohl in
Reservaten wieder eine größere Anzahl gibt.
Auch in diesem Park steht ein Kiwi-Haus, in dem Tag und Nacht
künstlich vertauscht sind, damit man die nachtaktiven Vögel
beobachten kann. Nachts machen sie wohl richtig hell Licht da drin,
aber jetzt ist es stockfinster, und es glimmen nur ein paar winzige
Lichter. Es dauert lange, bis ich den Kiwi sehe, aber dann ist es
umso interessanter. Denn er kommt bis ganz nah an die Glasscheibe ran,
hinter der ich regungslos stehe, und gräbt mit seinem langen
Schnabel den Waldboden um, anscheinend auf der Suche nach Nahrung.
Hier drin ist Fotografieren nicht verboten (Blitzlicht schon), aber
obwohl ich die Empfindlichkeit meiner Kamera auf ISO 1600 hochdrehe,
besteht nicht der Hauch einer Chance. Ich mache trotzdem zwei Fotos,
die bei 70 mm Brennweite (weiter runter kann ich mit dem
Teleobjektiv nicht) und 1,3 Sekunden Belichtungszeit, freihändig
ohne Stativ, und dann auch noch mehr oder weniger blind fokussiert
wohlgemerkt, eher abstrakte Kiwi-Impressionen sind. Dafür haben
sie eigentlich sogar was: Das erste zeigt Impressionen des gebogenen
Schnabels , wie er den Waldboden
umgräbt, das zweite den eiförmigen Kiwi mit seinem Gefieder,
das fast wie ein Fell aussieht, von hinten .
Einmal am Tag werden hier auch wild lebende Kakas gefüttert.
Sie leben zwar im Prinzip in Freiheit, kommen aber zur Fütterung
aus Bequemlichkeit immer wieder hierher. Das hat den Nebeneffekt, dass
die Park Ranger auf bequeme Weise beobachten können, wie es der
lokalen Kaka-Population geht. Obwohl es nicht Fütterungszeit ist,
komme ich auf die Idee, mal zur Futterstelle zu gehen, und in der Tat:
In einem Baum hocken dort mehrere Kakas, und es gelingt mir, im Schutz
des Blätterdachs flugs meine Kamera rauszuziehen und ein paar
Fotos zu machen ff.
Ich verbringe noch mindestens eine weitere Stunde in dem Park vor
diversen Volieren, in der Hoffnung, irgendwelche der Vögel zu
sehen, aber vergeblich. Ein oder zweimal sehe ich kurz was flattern,
aber das wars dann. Dies hier ist eben kein Zoo: Die Volieren sind
nicht dafür konstruiert, den Besuchern möglichst viele
Vögel zu zeigen, sondern dafür, den Vögeln einen
schönen, großen Lebensraum zu bieten. Und so hat dann ein
einziges seltenes Vögelchen eine bestimmt 10 Meter breite und
mehrere Meter tiefe Voliere für sich alleine und versteckt sich
da drin irgendwo im Trockenen, während der idiotische Mensch mit
seiner in einer Plastiktüte eingewickelten Kamera im
strömenden Regen steht und dumm in den Wald guckt.
Nach etwa einer Stunde wirds mir zu doof und ich erkläre den
Ausflug für beendet. Im Visitor Center studiere ich nochmal die
Aushänge und erkundige mich, welche der Inseln man denn mal
besuchen könnte. Denn die wirklich wichtigen Vogelschutzgebiete
sind auf Inseln, wohin es die vom Menschen eingeführten fremden
Tierarten entweder nicht geschafft haben oder wo man sie wieder
ausgerottet hat. Kapiti Island ist die nächstgelegene, aber man
braucht eine spezielle Erlaubnis vom Department of Conservation, und
wenn das Wetter so ist wie heute, dann wird man daran wenig Spaß
haben. Außerdem lassen sie nur 50 Leute pro Tag auf die Insel,
und es ist gerade Ferienzeit, womöglich schon ausgebucht?
Vielleicht lieber Tiritiri Matangi Island in der Nähe von
Auckland, dort kann man sogar ohne Sondererlaubnis einfach hinfahren?
Mal sehen.
Ich fahre jetzt ohne Umschweife nach Wellington und suche mir ein
Hotel mitten in der Stadt. Dabei bin ich angenehem überrascht,
wie ruhig und wenig hektisch der Verkehr hier doch im Vergleich zu
anderen Großstädten wie Sydney oder Auckland ist.
Natürlich sind ein paar mehr Autos unterwegs als auf dem Lande,
aber insgesamt fühlt sich das Autofahren doch recht entspannt
an.
Aus meinem Plan, mal etwas früher am Nachmittag irgendwo
anzukommen, ist leider nichts geworden. Als ich mich für ein
Hotel entschieden und eingecheckt habe, ist es schon wieder 18 Uhr.
Immerhin werden die Tage allmählich länger; zu Beginn meines
Aufenthalts auf der Südhalbkugel ist in Australien die Sonne
immer schon vor 18 Uhr untergegangen; jetzt ist es um 18 Uhr noch
hell.
Auch in Wellington entdecke ich direkt vor der Tür meines
Hotels das Phänomen des zwitschernden Baumes (eigentlich sind es zwei).
Obwohl das Zwitschern deutlich nach mehreren Vögeln klingt, sieht
man nichts, nur gelegentlich huscht etwas von Ast zu Ast oder kommt
angeflogen, um irgendwo in dem Baum zu verschwinden .
Ich spaziere ein bisschen durch die Abenddämmerung, mache
einen weiten Bogen um einen Burger King, der immerhin in einem netten
Gebäude untergebracht ist, das bei diesem stimmungsvollen Licht
ganz nett aussieht , und suche mir erstmal
einen Internet-Laden, wo ich ein Stündchen lang uploade und
recherchiere, wo man denn so Donnerstagabends in Wellington hingehen
könnte. Zum Abendessen gibt es mal wieder lecker Sushi in so
einer Sushi-Bar mit Fließband, wo man kaum aufhören kann
mit Essen, weil ständig neue leckere Sachen an einem
vorbeifahren.
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