23.9., Warten auf Vögelchen im Regen

Als ich gegen 7 kurz aufwache und höre, wie es draußen in Strömen regnet, drehe ich mich wieder um und schlafe weiter. Keine Lust auf kaltes Regenwetter, wenn es im Bett so schön warm ist. Nach dem Frühstück in einem Cafe in Feilding regnet es immerhin gerade mal nicht, und ich mache mich auf den Weg.

Plötzlich ist die Strecke mal wieder unerwartet schön - eine gewundene Straße in einer Schlucht einen Fluss entlang Foto dazu. Es macht immer wieder großen Spaß, hier einfach nur Auto zu fahren, wenn ich mir auch wünschen würde, solche Streckenabschnitte auf der Karte im Voraus besser erkennen zu können. In dem kleinen Road Atlas, den ich mir gekauft habe, sieht die Straße immer gleich aus, egal ob sie sich Berge rauf und runter oder an der Küste entlang windet oder ob sie geradeaus durch eine Ebene führt.

Als ich Mount Bruce gegen 12:30 Uhr erreiche, fällt ein gleichmäßiger Nieselregen, und ich nehme im Cafe des National Wildlife Center erst einmal einen Cappucino. Das hilft leider nicht, den Regen abzustellen. Ich erkundige mich bei der Kassiererin, ob es denn in dem Park überdachte Passagen gibt, aber sie verneint - nur das natürliche Blätterdach des Waldes. Ob ich mir erst mal die Diashow ansehen möchte? Eine gute Idee, vielleicht bessert sich ja das Wetter. Tut es aber nicht. 20 Minuten später derselbe feine, aber kräftige Nieselregen.

Na gut, dann mache ich eben das, was ich zu Hause auch mache, wenn es regnet und ich Fahrrad fahren muss: Ich werde nass. Der Kamera verpasse ich das Teleobjektiv und stecke sie in eine Plastiktüte; vielleicht ergibt sich ja doch die Gelegenheit zu einem Foto. Freundlicherweise leiht man mir am Eingang einen Regenumhang, sodass ich im Wesentlichen nasse Füße kriege.

Die Dame am Eingang empfiehlt mir, als erstes zur Aalfütterung zu gehen. Die beginnt um 13:30, also in 10 Minuten. Für Aale interessiere ich mich zwar eigentlich nicht unbedingt, sondern mehr für die Vögelchen, aber warum nicht? Schon komisch, in strömendem Regen auf einer Brücke über einen Fluss zu stehen, und ich bin weit und breit der einzige. Die Rangerin erklärt mir, dass es diese Art Aale nur in Neuseeland gibt. Sie werden bis zu zwei Meter lang. Wenn es an der Zeit ist, schwimmen sie 6000 Kilometer weit raus aufs Meer, legen dort irgendwo ihre Eier ab und sterben. Die jungen Aale treiben dann mit der Strömung wieder nach Neuseeland und schwimmen wieder den Fluss hinauf. Oder so. Was es alles gibt!

Weiter gehts durch strömenden Regen zu einem Gehege, in dem ich eine Ente bewundere Foto dazu. Für mich Banausen sieht es aus wie irgendeine Ente, aber es scheint eine vom Aussterben bedrohte zu sein. In einer anderen Voliere sitzt ein Kaka Foto dazu, ein Waldpapagei, der auch einmal vom Aussterben bedroht war, von dem es aber inzwischen wohl in Reservaten wieder eine größere Anzahl gibt.

Auch in diesem Park steht ein Kiwi-Haus, in dem Tag und Nacht künstlich vertauscht sind, damit man die nachtaktiven Vögel beobachten kann. Nachts machen sie wohl richtig hell Licht da drin, aber jetzt ist es stockfinster, und es glimmen nur ein paar winzige Lichter. Es dauert lange, bis ich den Kiwi sehe, aber dann ist es umso interessanter. Denn er kommt bis ganz nah an die Glasscheibe ran, hinter der ich regungslos stehe, und gräbt mit seinem langen Schnabel den Waldboden um, anscheinend auf der Suche nach Nahrung.

Hier drin ist Fotografieren nicht verboten (Blitzlicht schon), aber obwohl ich die Empfindlichkeit meiner Kamera auf ISO 1600 hochdrehe, besteht nicht der Hauch einer Chance. Ich mache trotzdem zwei Fotos, die bei 70 mm Brennweite (weiter runter kann ich mit dem Teleobjektiv nicht) und 1,3 Sekunden Belichtungszeit, freihändig ohne Stativ, und dann auch noch mehr oder weniger blind fokussiert wohlgemerkt, eher abstrakte Kiwi-Impressionen sind. Dafür haben sie eigentlich sogar was: Das erste zeigt Impressionen des gebogenen Schnabels Foto dazu, wie er den Waldboden umgräbt, das zweite den eiförmigen Kiwi mit seinem Gefieder, das fast wie ein Fell aussieht, von hinten Foto dazu.

Einmal am Tag werden hier auch wild lebende Kakas gefüttert. Sie leben zwar im Prinzip in Freiheit, kommen aber zur Fütterung aus Bequemlichkeit immer wieder hierher. Das hat den Nebeneffekt, dass die Park Ranger auf bequeme Weise beobachten können, wie es der lokalen Kaka-Population geht. Obwohl es nicht Fütterungszeit ist, komme ich auf die Idee, mal zur Futterstelle zu gehen, und in der Tat: In einem Baum hocken dort mehrere Kakas, und es gelingt mir, im Schutz des Blätterdachs flugs meine Kamera rauszuziehen und ein paar Fotos zu machen Foto dazuff.

Ich verbringe noch mindestens eine weitere Stunde in dem Park vor diversen Volieren, in der Hoffnung, irgendwelche der Vögel zu sehen, aber vergeblich. Ein oder zweimal sehe ich kurz was flattern, aber das wars dann. Dies hier ist eben kein Zoo: Die Volieren sind nicht dafür konstruiert, den Besuchern möglichst viele Vögel zu zeigen, sondern dafür, den Vögeln einen schönen, großen Lebensraum zu bieten. Und so hat dann ein einziges seltenes Vögelchen eine bestimmt 10 Meter breite und mehrere Meter tiefe Voliere für sich alleine und versteckt sich da drin irgendwo im Trockenen, während der idiotische Mensch mit seiner in einer Plastiktüte eingewickelten Kamera im strömenden Regen steht und dumm in den Wald guckt.

Nach etwa einer Stunde wirds mir zu doof und ich erkläre den Ausflug für beendet. Im Visitor Center studiere ich nochmal die Aushänge und erkundige mich, welche der Inseln man denn mal besuchen könnte. Denn die wirklich wichtigen Vogelschutzgebiete sind auf Inseln, wohin es die vom Menschen eingeführten fremden Tierarten entweder nicht geschafft haben oder wo man sie wieder ausgerottet hat. Kapiti Island ist die nächstgelegene, aber man braucht eine spezielle Erlaubnis vom Department of Conservation, und wenn das Wetter so ist wie heute, dann wird man daran wenig Spaß haben. Außerdem lassen sie nur 50 Leute pro Tag auf die Insel, und es ist gerade Ferienzeit, womöglich schon ausgebucht? Vielleicht lieber Tiritiri Matangi Island in der Nähe von Auckland, dort kann man sogar ohne Sondererlaubnis einfach hinfahren? Mal sehen.

Ich fahre jetzt ohne Umschweife nach Wellington und suche mir ein Hotel mitten in der Stadt. Dabei bin ich angenehem überrascht, wie ruhig und wenig hektisch der Verkehr hier doch im Vergleich zu anderen Großstädten wie Sydney oder Auckland ist. Natürlich sind ein paar mehr Autos unterwegs als auf dem Lande, aber insgesamt fühlt sich das Autofahren doch recht entspannt an.

Aus meinem Plan, mal etwas früher am Nachmittag irgendwo anzukommen, ist leider nichts geworden. Als ich mich für ein Hotel entschieden und eingecheckt habe, ist es schon wieder 18 Uhr. Immerhin werden die Tage allmählich länger; zu Beginn meines Aufenthalts auf der Südhalbkugel ist in Australien die Sonne immer schon vor 18 Uhr untergegangen; jetzt ist es um 18 Uhr noch hell.

Auch in Wellington entdecke ich direkt vor der Tür meines Hotels das Phänomen des zwitschernden Baumes Foto dazu (eigentlich sind es zwei). Obwohl das Zwitschern deutlich nach mehreren Vögeln klingt, sieht man nichts, nur gelegentlich huscht etwas von Ast zu Ast oder kommt angeflogen, um irgendwo in dem Baum zu verschwinden Foto dazu.

Ich spaziere ein bisschen durch die Abenddämmerung, mache einen weiten Bogen um einen Burger King, der immerhin in einem netten Gebäude untergebracht ist, das bei diesem stimmungsvollen Licht ganz nett aussieht Foto dazu, und suche mir erstmal einen Internet-Laden, wo ich ein Stündchen lang uploade und recherchiere, wo man denn so Donnerstagabends in Wellington hingehen könnte. Zum Abendessen gibt es mal wieder lecker Sushi in so einer Sushi-Bar mit Fließband, wo man kaum aufhören kann mit Essen, weil ständig neue leckere Sachen an einem vorbeifahren.

 

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©2004 by Harald Bögeholz