21.9., Thermal Wonderland

Der Elan, morgens um 8 zu frühstücken, damit ich viel vom Tag habe, setzt sich in Neuseeland nicht fort. Wahrscheinlich bin ich noch in der australischen Zeitzone :-). Ich verlasse mein Motel erst um 10, gehe gemütlich frühstücken und hänge noch eine ganze Weile in dem Cafe rum, weil ich mir einfach nicht darüber klar werde, was ich nun genau sehen will. Ich habe zahlreiche Prospekte eingesammelt, aber sie alle klingen so touristisch und so, als müsste man dafür viel Eintritt bezahlen. Am Eintrittsgeld soll es ja prinzipiell nicht scheitern, aber ist Natur in Neuseeland nicht kostenlos?

Nach langem Prospektstudium immer noch nicht schlauer, fahre ich den Thermal Explorer Highway entlang; der hat ja schon mal den richtigen Namen. Als ich ein Schild zum Waimangu Volcanic Valley sehe, biege ich ab und lande bei einem kommerziellen Touri-Unternehmen, das 25 Dollar dafür will, dass ich eine Stunde lang ihren Wanderweg entlanggehe. Ok, für das Geld gibts dann ein Bus-Shuttle zurück, aber ich weiß nicht recht. Da die Fotos und Beschreibungen auf den Schildern auch nicht gar so atemberaubend sind, beschränke ich mich darauf, im Cafe einen Cappucino zu trinken und fahre zurück zum Highway.

Immerhin belohnt mich der Abstecher mit weiteren Schafen. Und zwar ist dies zur Abwechslung mal eine Weide, wo es ganz viele kleine, junge Schäfchen gibt, die jeweils ihrer Mutter hinterhertollen Foto dazu. Und das alles ohne Eintrittsgeld, aber natürlich auch ohne Shuttle-Bus.

Das Waiotapu Thermal Wonderland habe ich mir fest vorgenommen. Nicht nur schwärmt mein Reiseführer davon, der Mensch in dem Motel gestern hat es mir auch ans Herz gelegt, und der Flyer sieht nicht schlecht aus. Wirkt allerdings ebenso kommerziell, aber egal. Mud Pools, Geysire und ganz viele Farben... das will ich auf jeden Fall sehen.

Die Mud Pools liegen noch vor dem Eingang und sind somit ein kostenloses Vergnügen. Blubbern deutlich heftiger als die von gestern, ansonsten sind sie halt grau. Und es stinkt ganz furchtbar nach Schwefel; das wird es wohl die nächsten Stunden auch noch tun.

Wie erwartet, kostet das Wunderland Eintritt, und zwar 18,50, und den Geysir habe ich verpasst. Den gibts nämlich jeden Tag um 10:15. Was mir schon komisch vorkommt, woher wissen die das? Ok, der Old Faithful im Yellowstone hält seinen Stundentakt auch ziemlich genau ein, wenn ich mich recht erinnere.

Der Park ist perfekt ausgebaut, mit schönen Wegen, Bänken zum Hinsetzen an allen interessanten Stellen und Unterständen für den Fall, dass es mal regnet. Und ich komme voll auf meine Kosten: Überall blubbert, dampft und stinkt es, und die Vielfalt an Farben ist faszinierend. Leider stelle ich im Nachhinein fest, dass die Kamera das nur unzureichend wiedergibt. Vermutlich spielt mir da die automatische Farbkorrektur einen Streich. In diesem Krater Foto dazu ist zum Beispiel der Schwefel viel gelber als auf dem Foto. Da muss ich vielleicht eines Tages mit der Bildbearbeitung noch mal ran.

Ansonsten sprechen die Fotos für sich. Ich verbringe deutlich mehr als die 75 Minuten in dem Park, die man angeblich für die weiteste Strecke braucht, weil ich alles in Ruhe genieße und mir auch Zeit nehme, die Vögelchen zu beobachten. Die kleinen krieg ich leider nicht zu fassen, sie sind immer zu schnell wieder weg, aber immerhin dieses hübsche Exemplar Foto dazu, wie es durch das vermutlich warme, jedenfalls blubbernde Wasser der Frying Pan Flat stapft.

An vielen Pflanzen und auf dem Boden wächst so ein komisches rotbraunes Moos(?), sieht irgendwie ein bisschen aus wie Rost Foto dazu. Das gibt ein nettes Farbenspiel zwischen den grauen, von der Hitze abgestorbenen, den "rostigen" und den grünen Büschen Foto dazu.

Eine der Hauptattraktionen ist der so genannte Champagne Pool Foto dazu. Er heißt wohl so, weil über die ganze Fläche kleine Bläschen von Kohlendioxyd aufsteigen; schönes, blaugrünes Blubberwasser. Laut dem erklärenden Schild Foto dazu 75 Grad warm und 60 Meter tief. Das Ding ist sauschwer zu fotografieren, weil es ständig in Nebel gehüllt ist. Ich schieße sehr viele Bilder davon, um ein paar wenige vernünftige zu bekommen. Zwischendurch fachsimple ich noch ein bisschen mit einer Frau, die auch versucht, ein Foto zu machen, allerdings mit so einem richtig professionell wirkenden Stativ und mit Film, nicht digital. Ich denke mir im Stillen, dass die Methode, mit einer Digitalkameras einfach 30 Bilder aus der Hand zu schießen statt ewig mit seinem Stativ rumzustehen und gelegentlich mal abzudrücken, vermutlich besser ist. Ich weiß es natürlich nicht; vielleicht hat sie ja das Traumfoto zuwege gebracht, das mir verwehrt blieb. Ganz nett finde ich jedenfalls mein Foto von jemandem, der im Nebel versucht, mit so einer kleinen Knipsekiste ein Bild vom Champagne Pool zu machen Foto dazu.

Die letzte Attraktion auf dem Weg heißt Devil's Bath und ist ein sehr grüner Teich; irgendwie auch grüner, als es das Foto Foto dazu rüberbringt. Zufrieden gehe ich zum Ausgang; habe viele schöne Sachen zu sehen bekommen heute. Nur der Gestank nervt; ich frage mich, ob es gesund ist, einen ganzen Nachmittag lang Schwefelwasserstoff(?) einzuatmen.

Am Visitor Center kann ich mir nicht verkneifen zu fragen, ob das denn mit rechten Dingen zugeht, dass der Geysir jeden Tag genau um 10:15 sprüht. Vor den anderen herumstehenden Gästen bekomme ich dazu nur den Spruch zu hören, dass es eben ein besonders schlauer Geysir ist. Aber auf dem Weg nach draußen nimmt sie mich beiseite und erklärt mir, dass hier in der Tat ein bisschen nachgeholfen wird. Der Geysir würde von Natur aus etwa einmal am Tag ausbrechen, man wüsste nur nicht, wann. Daher kippen sie jeden Tag um 10:15 ein bisschen Seife rein, damit die Besucher ein verlässliches Schauspiel haben. Das Ganze ist natürlich total umweltfreundlich und unschädlich. Dachte ichs mir doch. Ich verkneife mir die Frage, ob man denn noch eine Sondervorstellung für Spätaufsteher buchen kann, und steige zufrieden in mein Auto. Ich glaube, der Geysir würde mir irgendwie nicht ganz so viel Spaß machen, wenn ich wüsste, dass er künstlich ausgelöst wird. Auch wenn er an sich echt ist.

Ich beschließe, in Taupo zu übernachten, laut meinem Reiseführer ein beliebter Ferienort. Er liegt direkt an einem großen See, den man schon vom Ortseingang aus sehen kann Foto dazu. Ich finde nach meinem Standardverfahren - nicht ganz so zentrale Ausfallstraßen abklappern - leider nur kein erschwinglich aussehendes Motel. Die Uferstraße ist voll von Motels, aber den Seeblick will ich eigentlich nicht bezahlen. Halte dann aber in meiner Verzweiflung doch mal an einem See-Motel und bekomme einen attraktiven Sonderpreis von nur 99 Dollar angeboten. Nein, das ist etwas teurer, als ich es mir vorgestellt habe. Zu meiner positiven Überraschung gibt mir die freundliche Dame in dem Motel einen Stadtplan und empfiehlt mir eine Straße, wo es billigere Motels gibt. Das ist ja nett; so komme ich in Lynn's Garden Lodge für 65 Dollar unter, und das Zimmer bietet auch allen Komfort, den ich brauche. Abgesehen vielleicht von einer anständigen Heizung, aber vor einem elektrischen Heizlüfter zu sitzen, hat ja auch was Gemütliches. Nachdem ich das Zimmer habe, fahre ich schnell nochmal los, um den Sonnenuntergang zu fotografieren, komme aber leider zu spät; die Sonne ist schon hinter den Bergen verschwunden Foto dazu.

Ich schreibe in meinem Zimmer ein Stündchen Tagebuch, bis mir der Magen knurrt. Als ich vor die Tür trete, staune ich über einen total klaren Sternenhimmel, der besonders gut zur Geltung kommt, da der Innenhof des Motels so gut wie unbeleuchtet ist. Ich stelle allerdings fest, dass ich da oben am Himmel überhaupt nichts erkenne, was natürlich kein Wunder ist auf der anderen Seite der Welt. Nicht, dass ich ein großer Hobbyastronom wäre, aber den Polarstern finde ich zu Hause schon, wenn ich nach oben schaue.

Ich schaue spontan im Büro des Motels vorbei und wende mich mit einer ungewöhnlichen Bitte an die Landlady: Ob sie mir wohl die Sterne erklären kann? Ich störe sie anscheinend gerade beim Abendessen, und sie sagt, dass ihr Mann sich mit sowas viel besser auskennt. Wir verabreden, dass ich nach dem Essen noch einmal klingle. Ist mir jetzt fast peinlich, der Aufstand, aber egal.

Das Abendessen nehme ich heute mal in The Brantry Restaurant direkt gegenüber von meinem Motel ein, das mir die Landlady als sehr gut, aber auch very expensive empfohlen hat. Nach dem unspektakulären Kneipenessen vorgestern und dem eher bescheidenen Chinesen gestern möchte ich es mir mal gutgehen lassen, außerdem finde ich es praktisch, nicht mehr weit laufen oder gar fahren zu müssen. Recht vornehm, sehr leckeres Essen, leckerer Wein. Ich bezahle allerdings so viel für das Abendessen wie für die Unterkunft. Aber man gönnt sich ja sonst nichts. Und wenn ich so überlege, was ich manchmal so in Hannover im Gim lasse, dann ist das hier durchaus als preiswert zu bezeichnen.

Wie verabredet, klingle ich gegen 21:30 nochmal am Office, und Ron erklärt mir, wie man das Southern Cross findet. Ist in der Tat eine ziemlich markante Formation (ja, Peterchen, jetzt weiß ich endlich Bescheid). Er weiß außerdem zu erzählen, dass der rechte obere von den "pointer stars" in Wirklichkeit aus drei Sternen besteht, von denen man zwei mit dem Teleskop unterscheiden kann. Da ich ihm aufmerksam zuhöre, bietet er an, sein Teleskop zu holen. Aber nur, wenn es keine Umstände macht; ich bin ja nun wirklich kein Astronom.

Er hat tatsächlich ein dickes Teleskop in seiner Garage, auf einem schweren, stabilen Stativ. Als das aufgebaut ist, braucht er eine ganze Weile, um es auszurichten, aber dann kann ich tatsächlich zwei strahlende Lichtpunkte eng beieinander erkennen. Und ganz viele andere Sterne drumrum, die man mit bloßem Auge nicht sieht. Wir schauen anschließend noch ein bisschen den Mond an, und Ron sinkt in meiner Achtung wieder ein bisschen, als er nicht sagen kann, ob wir gerade zu- oder abnehmenden Mond haben (ich glaube, das ist auf der Südhalbkugel auch andersrum als zu Hause, also müsste gerade zunehmender Mond sein). Jedenfalls kann man die Krater auf dem Mond sehr schön erkennen mit dem Teleskop; als er das Okular wechselt, ist der Mond sogar größer als "bildfüllend".

Das ist ja ein toller Service gewesen, und das alles im Preis der Übernachtung inbegriffen. Eine Viertelstunde später komme ich noch auf die Idee, das Kreuz des Südens mal zu fotografieren. Leider sind inzwischen ein paar kleine Wölkchen am Himmel. Ich warte einen geeigneten Moment ab, benutze ein Autodach als Stativ und versuche mein Glück mit Weitwinkel, 30 Sekunden Belichtungszeit und ganz offener Blende. Bingo, alles auf Anhieb drauf Foto dazu; alle fünf weiteren Fotos, die ich anschließend noch mit anderen Einstellungen versuche, sind weniger gut und für die Tonne. Das Kreuz des Südens befindet sich auf dem Foto in der linken unteren Ecke, rechts von der Hecke und links oberhalb der Fernsehantenne. Drei helle Sterne in etwas mehr als einem rechten Winkel und links unten ein etwas schwächerer. Rechts oberhalb des Ganzen die beiden "pointer stars", die darauf zeigen. Wenn man eine Linie vom rechten oberen zum linken unteren Stern des Southern Cross zieht, führt diese nach Süden, hat mir Ron erklärt. Gut zu wissen für den Fall, dass ich mich mal nachts irgendwo auf der Südhalbkugel verirre.

 

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©2004 by Harald Bögeholz