Obwohl ich den Gasbrenner über Nacht laufen lasse - mit einem
leicht mulmigen Gefühl, aber das Zimmer hat immerhin einen
Rauchmelder -, wache ich mehrmals auf und kuschle mich noch fester in
meine Decke. So richtig warm ist es nicht. Und obwohl ich abends noch
so schlau war, die Badezimmerfenster zuzumachen, ist das Bad ein
Eispalast, denn es hat keine Heizung, und ich habe die Tür zum
Schlafzimmer natürlich nachts zugemacht. Ich überstreue mich
ein wenig mit Eiswürfeln - nein, Spaß beiseite, warmes
Wasser gibts schon, wenn auch nicht mit so richtig doll viel Druck,
und man kann im Bad vor Nebel die Hand nicht vor Augen sehen - und
nehme dann auf die Minute genau um 7:45 das bestellte
Frühstück in Empfang. Pünktlich sind sie ja hier. Gut,
dass es so kalt war im Bad, sonst hätt ich womöglich
länger geduscht ;-).
Jede noch so kleine Stadt in Australien hat ein Visitor Center und
eine Informationsbroschüre, die anpreist, was es in der
jeweiligen Stadt zu sehen gibt. Das finde ich recht erstaunlich -
Glenn Innes ist im Prinzip eine Straße , vielleicht einen
Kilometer lang, und links und rechts ein paar Wohnhäuser
drumrum . Abgesehen davon, dass
sich der Ort laut meinem Reiseführer als Basis für Abstecher
in umliegende Nationalparks eignet (keine großen Abstecher mehr,
ich will Zeit in Sydney haben), gibts hier die Australien Standing
Stones (stehen nicht in meinem Reiseführer). Sie haben hier also
nicht nur einen Schwarzwaldhügel, die Australier, sondern auch
ihr eigenes Stonehenge. Und keltische Feste und einmal die Woche
Dudelsackmusik zum Sonnenaufgang, wenn ich das recht verstehe.
Freitags allerdings, und heute ist Montag. Aber der Sonnenaufgang ist
ja eh längst vorbei. Nennt sich übrigens auch Celtic
Country, die Gegend, und ist auch um die Stadt herum so angehaucht.
Eine Stonehenge Road sehe ich beispielsweise einige Kilometer jenseits
der Stadt noch.
Als nächstes wollte ich einen Blick ins Museum werfen, aber es
hat noch geschlossen . Das kommt davon, wenn man
vormittags aufsteht *g*. Also laufe ich die Hauptstraße entlang,
schieße ein paar Fotos und halte nach einem
Internet-Cafe Ausschau. Denn ich habe bisher weder einen ordentlichen
Kaffee getrunken noch die neuesten Fotos und Tagebuchseiten ins Netz
gestellt. Es gibt hier aber nichts, das wie ein Internet-Cafe
aussieht. In meiner Verzweiflung frage ich in einem Computerladen, ob
sie eine Idee haben, wie ich meinen Rechner ans Netz bringen
könnte. Er meint, kein Problem, ich könne mich gleich hier
per Modem einwählen. Äh, also, ich hatte da mehr so an einen
Breitband-Zugang gedacht, außerdem weiß ich gar nicht,
unter welchen Nummern man sich in Australien so einwählt. Er
zögert kurz und meint dann, ok, we can do that. Was denn so ca.
ein halbes Stündchen kosten würde? Zwei bis drei Dollar. Ok,
ich laufe zum Auto, hole das Auto hierher und komme mit meinem
Notebook wieder.
Er lotst mich hinter die Kulissen in die Werkstatt, wo ich mich an
einen Hub anstöpseln und einen schönen, schnellen
Internet-Zugang benutzen darf . Ich wechsle kurz ein paar
Worte mit einer Hiwine, die anscheinend hier ihren ersten Tag hat
heute, denn sie stellt einem anderen Mitarbeiter im Verlauf der
nächsten halben Stunde allerlei Fragen, die von "Was für
eine Maus gehört zu diesem Computer?" bis hin zu "Was ist
eigentlich der Unterschied zwischen einem Hub und einem Switch?" und
"Wo hast Du eigentlich gelernt, was eine IP-Adresse ist?" reichen. Ich
schmunzle in mich hinein, freue mich über die dicke Strippe,
erledige nebenbei allerlei (Banking, eine Ansichtskarte an meine
Mutter, Mail, kurz Basteln an der Yamasa-Seite) und schiebe, als der
Upload der Web-Galerie überraschend schnell durch ist, noch
weiter Backups nach Hause, solange ich hier bin.
Gegen kurz vor 11 gehts dann aber wieder auf die Straße. Ich
will morgen Nachmittag in Sydney ankommen, daher muss ich noch einige
Kilometer abspulen. Nächster Stopp ist Armidale, wo mein
Reiseführer mehrere gut erhaltene viktorianische
Kolonalgebäude sowie ein Kunstmuseum empfiehlt. Das Visitor
Center vor Ort empfiehlt dasselbe, abgesehen von mehreren
Nationalparks "in der Nähe" (zum Beispiel 42 km eine
Richtung, also alleine eine Stunde Fahrt hin und zurück). Ich
laufe ein bisschen rum, esse entgegen meinen sonstigen Gewohheiten
einmal einen Doppelwhopper bei Hungry Jack (wobei ich mich frage, ob
Burger King in Australien so heißt), und dann ist mir schlecht.
Ist mir immer von diesem Fast-Food-Zeug; ich probiere es alle paar
Jahre mal, und immer wird mir schlecht. Nicht so richtig schlimm
schlecht, aber es ist einfach ein komisches Gefühl im Magen. Ich
kann einfach nicht verstehen, wie Leute das mehrmals im Jahr essen
können. Ach, wie schön war die Bento-Box mit Sushi für
500 bis 600 Yen im Supermarkt *träum*.
Nach meinem kurzen Stadtrundgang nehme ich noch einen Cappucino -
das Cafe heißt irgendwie mit R, und die haben doch
tatsächlich ein R auf die Schaumkrone draufdekoriert - und fahre zum
Kunstmuseum. Eigentlich bin ich nicht sonderlich Kunst-interessiert,
aber dort soll auch ein Aboriginal Culture Center sein, das
interessiert mich schon eher. Hat aber alles montags geschlossen. Ein
Wink des Schicksals - Harald's on the road again.
Schon nach einer halben Stunde Fahrt beginnen mir trotz Cappucino
die Augen zuzufallen. Ist denn das die Möglichkeit; ich bin am
helligten Tage schon kurz vor dem Sekundenschlaf, merke, dass ich ab
und zu nur 90 fahre, was meinen Gewohnheiten (bis zu 10% über der
Geschwindigkeitsbegrenzung von 100) deutlich widerspricht. Also halte
ich "mit letzter Kraft" auf einem Parkplatz, klappe meinen Sitz
zurück und schlafe ein Viertelstündchen. Ich glaube, ich
schreibe dies heute zum ersten Mal explizit in mein Tagebuch, aber
gemacht habe ich das schon öfter. Es dauert selten länger
als eine Viertelstunde; meist wache ich von meinem eigenen Schnarchen
auf :-). Und es wirkt Wunder: Danach kann ich topfit stundenlang
weiterfahren. Schon komisch.
Ich halte trotzdem bei nächster Gelegenheit zum Tanken und
kaufe eine 600-ml-Flasche Cola, was mein zweiter Geheimtrick bei
Müdigkeit am Steuer ist. Ich trinke normalerweise nie Cola, daher
wirkt sie in diesem Urlaub sehr gut. Jetzt kann mich nichts mehr
bremsen, und ich lasse Tamworth locker links liegen und fahre gen
Muswellbrook. Schieße noch ein paar belanglose Fotos
während der Fahrt . Hier ists irgendwie etwas
gründer, und man sieht Pferde, Rinder und Schafe (nur nicht auf
den Fotos :-(). Und Vögelchen, auf einmal fliegt ein Schwarm
dieser rosa Papageien(?) mit den grauen Flügeln über die
Straße, und ich mache mir schon Sorgen, davon welche zu
überfahren, aber sie sind vorsichtiger.
Die Temperatur ist im Laufe des Tages allmählich wieder
gestiegen. Im Hochland waren es so 12 bis 14 Grad, als ich laut einem
Schild die Great Dividing Range überquere, geht es nicht nur
bergab, sondern wird auch wärmer: Bei 18 Grad komme ich in
Muswellbrook an. Es ist 17:15, und ich überlege noch kurz, ob ich
ein halbes Stündchen bis nach Singleton dranhänge, habe aber
doch keine Lust mehr zum Fahren.
Kehre also wieder im erstbesten Motel ein (heute kostets 75 Dollar,
sah aber auch schon teurer aus und hat dafür eine Minibar) und
schreibe diese Zeilen. Als ich nach einem Breitband-Internet-Zugang
frage (genau genommen nur nach einem Internet-Cafe), lacht man mich
fast aus, nein, sowas neumodisches gibt es hier nicht. Gibt es
wahrscheinlich ebenso wie in Glenn Innes, aber man sieht es halt nicht
;-).
For the record: 3170 km habe ich jetzt auf dem Tacho. Deutlich
mehr, als ich mir vor Beginn meiner Reise hätte träumen
lassen. Auf der Karte sieht alles irgendwie näher aus. Bevor ich
das nächste Mal eine Australien-Reise plane, erinnere mich bitte
jemand daran, dass es Wahnsinn ist, von Cairns nach Sydney in nur zwei
Wochen zu fahren. Wenn man nicht gerade unglaublichen Spaß am
Autofahren hat. Es mag anders aussehen, wenn man zu zweit ist, sich
also beim Fahren abwechseln und sich miteinander unterhalten kann. Und
man gewinnt natürlich täglich zwei Stunden, wenn man jeden
Morgen das Frühstück um 6 statt wie ich erst um 8
nimmt ...
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