Man sieht viele Känguruhs in Australien. Tote Känguruhs.
Am Straßenrand oder auch auf der Straße liegen immer
wieder welche, also muss es wohl Känguruhs in Australien geben.
Lebendig habe ich bisher in freier Wildbahn erst eins gesehen, auf dem
Weg zu den Wallaman Falls . Womöglich stimmen
die Warnungen in meinem Reiseführer, wonach die Viecher des
Nachts durch die Scheinwerfer angelockt und dann überfahren
werden.
Nymphensittiche habe ich in freier Wildbahn auch noch nicht
entdeckt. Eine Menge anderer Vögelchen, insbesondere die Rainbow
Lorikeets, die nach meinem laienhaften Verstand doch recht verwandt
aussehen, aber halt bunt sind. Bei meiner ersten Kaffeepause sehe ich
heute aber doch einen Nymphi: Er heißt Max und sitzt in einem
Käfig . Und unterhält sich
begeistert mit mir, als ich ihm pfeife: Ich glaube, wenn man ihn
rausließe, käme er sofort auf meine Schulter geflogen; er
sieht sehr anhänglich aus. Leider sind die Gitterstäbe so
eng, dass man ihn nicht kraulen kann; er benimmt sich so, als
könnte ihm das gefallen. Ein bisschen vermisse ich Secundus ja
schon, wenn ich dieses Vögelchen so sehe.
Ansonsten ist der Tag trüb und wird immer kühler.
Gestartet bin ich mit Wolken bei 23 Grad, und nach und nach sinkt die
Temperatur bis auf 18 Grad und gelegentlicher Nieselregen geht in
Dauerregen über. Bei meiner nächsten Tankstellenpause sehe
ich einen vergammelten Ständer mit CDs und überlege, dass
die Dire Straits erstens allmählich langweilig werden und
zweitens nicht zu diesem Wetter passen. Ich finde die Filmmusik zu
Lord of the Rings, Return of the King. Die hätt ich mir zu Hause
zwar nicht unbedingt gekauft, aber immerhin habe ich sie noch nicht.
Und sie passt super gut zu Australien im Regen, finde ich. Geregnet
hats im Film zwar relativ selten, wenn ich mich recht erinnere, aber
großteils ist die Musik dafür geschrieben, eine
düstere Atmosphäre zu untermalen, und das tut sie hier auf
meiner Fahrt ganz hervorragend. Mal schauen, wie gut sie nächste
Woche zu Neuseeland passt. Obwohl ich vermutlich dort keinen
CD-Spieler im Auto haben werde.
Mein Ziel für heute ist Noosa, laut Reiseführer ein
Schickimicki-Ferienort an der Sunshine Coast, das australische Saint
Tropez. Ich hatte eigentlich überlegt, bis nach Brisbane zu
fahren, aber ich muss feststellen, dass meine Kondition beim
Autofahren hier in Australien nicht besonders gut ist. Ich brauche
jede Stunde eine Pause, entweder, weil es langweilig ist und ich sonst
einschlafe, oder wie heute, weil es anstrengend ist, wenn es so heftig
regnet, dass man kaum etwas sehen kann.
Ich erreiche Noosa nach etwa 450 km Fahrt gegen 17:15, in
strömendem Regen. Es ist schon fast dunkel, und das
Straßenbild sieht in der Tat deutlich anders aus als in den
Kleinstädten, in denen ich bisher war. Es wirkt alles recht nobel
und so eine Reihe billiger Absteigen, wie ich sie bisher am
Ortseingang jeder Stadt gesehen habe, fehlt. Meine Navigation nach
Gefühl funktioniert wieder gut und bringt mich zu einer Art
Zentrum, wo es auch eine Touristen-Info samt Parkplatz gibt. Leider
hat der Laden um 17 Uhr geschlossen. Als ich mich so unter das Vordach
kauere, um dem Regen zu entgehen, und den Stadtplan studiere, kommt
eine Frau heraus, die hinter sich abschließt. Ich frage sie
freundlich, ob sie noch schnell einen Tipp für mich parat hat, wo
ich eine erschwingliche Unterkunft finde, und sie meint, nur für
eine Nacht? An was ich denn denke, 100 Dollar? Wenns billger
wäre, hätte ich auch nichts dagegen (schließlich bin
ich den 60-Dollar-Standard gewöhnt). Oh, das wird schwierig, ob
da wohl überhaupt noch was frei ist ... sie schließt
nochmal auf und gibt mir einen Stadtplan, eine Broschüre
über Noosa und vier Prospekte von Motels, die meinen
Preisvorstellen nahekommen und womöglich etwas frei haben.
Ich schnappe mir den am sympathischsten aussehenden Prospekt, orte
das Motel auf dem Stadtplan und navigiere recht fehlerfrei dorthin,
abgesehen davon, dass ich anscheinend den dicht auffahrenden anderen
Autos nach zu urteilen ein Verkehrshindernis bin, als ich so mit ca.
30 durch den Ort fahre und versuche, mich zu orientieren. Das Motel
"At the Sound" will 95 Dollar von mir haben. Na gut, ich habe mir
schon gedacht, dass dieser Ort etwas teurer ist, und ich habe wirklich
keine Lust, im Dunklen und im strömenden Regen
weiterzusuchen.
Als ich das Zimmer betrete, muss ich aber sagen, dass der Preis
für das Gebotene im Vergleich zu den Motels, in denen ich bisher
genächtigt habe, absolut in Ordnung ist. Obwohl ich Fotos von
Hotelzimmern hasse, mache ich heute eine Ausnahme und knipse das
Zimmer: Ein richtiges Wohnzimmer mit Sofa und Esstisch (unter dem
Fernseher hängt sogar ein Videorecorder) , eine hübsche
Kochecke und ein sehr schönes
Bad mit einer großen Wanne, die Sprudeldüsen hat . Wie ich etwas später
entdecke, hat das Zimmer sogar eine eigene Waschmaschine und einen
Wäschetrockner, und Waschmittel für eine Ladung ist auch
schon dabei.
Es mangelt auch nicht an Prospekten für Bringdienste, auch am
Kühlschrank hängt einer. Ich könnte also einfach
irgendwo anrufen und mir was zu essen bringen lassen. Aber ganz so
einfach möchte ich es mir nicht machen; ich fahre also nochmal
ein bisschen Auto. So ne ganz normale Pizza wär eigentlich was
zur Abwechslung; ich finde nahebei einen Pizza-Laden.
Auf der Speisekarte gibt es keine Getränke, und ich erinnere
mich, aus dem Augenwinkel gesehen zu haben, dass dies ein
BYO-Restaurant ist. Bring Your Own - man muss also seine eigenen
Getränke mitbringen. Das scheint sich nicht nur auf Alkohol zu
beziehen; ich sehe keine Getränke auf der Karte. Da ich eh noch
Auto fahre, ist Wasser aber in Ordnung. Die Pizza schmeckt anders, als
ich sie mir vorgestellt habe, aber macht schon satt. Und kostet
$17,50, was im Vergleich zu dem Abendessen neulich in Townsville
($6,60) doch ne ganze Menge, aber für den Touristen, der in Euro
denkt, immer noch im erschwinglichen Rahmen ist.
Jetzt Internet. Ich fahre wieder zu der Ecke mit der
Touristen-Info, parke mein Auto und finde nach wenigen Minuten
Rumlaufen einen Internet-Laden . Der ist zwar unterm
Strich schweineteuer ($9,50 für ne Stunde), hat aber endlich eine
gute Verbindung, sodass ich meine ganzen Uploads schaffe und nebenbei
über Sipgate noch mit meinem Schwesterchen telefonieren kann.
Gegen 20:30 beginnt die Ladenbesitzerin, alle Tastaturen
hochzustellen und die Tische abzuwischen. Als nächstes wischt sie
den Boden. Ich beginne mich unerwünscht zu fühlen... was ist
das hier nur für ein Land, in dem alles spätestens um 9 zu
macht? Aber dank der schnellen Netzanbindung bin ich auch schon
fertig, also nichts wie nach Hause und ab in die Wanne.
So eine große Badewanne kann man sich ja nicht entgehen
lassen. Vorher steck ich noch meine Wäsche in die Waschmaschine
und genieße dann ein kühles Bier in heißem Wasser.
Die Sprudeldüsen kann ich nur kurz anmachen, da sie eine
unglaubliche Menge Schaum erzeugen. Ich bin mir nicht sicher, ob das
so gedacht ist oder man die nur als Massagedüsen nutzen soll,
wenn keine Seife im Wasser ist. Jedenfalls ist das heutige Motelzimmer
ein echter Genuss. Und der Wäschetrockner ist auch dabei.
Bügelbrett und Bügeleisen gäbe es zwar auch, aber ich
beschließe, das eine Hemd doch einfach nur etwas
glattzustreichen und nass aufzuhängen. Ich bin schließlich
im Urlaub ;-).
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