Das Frühstück kommt wie bestellt um 7:45, aber danach
lege ich mich nochmal ein Stündchen hin. Bin irgendwie noch nicht
ausgeschlafen. Außerdem grummelt es ungut in meinem Magen; mir
ist nicht ganz wohl.
Heute muss ich unbedingt ein paar hundert Kilometer fahren; mir
läuft die Zeit davon. Von Cairns nach Sydney in nur zwei Wochen -
das war eine ehrgeizige Planung. Wenn man wenigstens zu zweit
wäre, sich mit dem Fahren abwechseln und zwischendurch mal
unterhalten könnte ...
Bevor es auf große Fahrt geht, fahre ich aber wenigstens noch
mal ganz kurz nach Mackay rein, schaue mir den Stadtkern an. Sehe aber
wenig Spektakuläres. Auf der Weiterfahrt halte ich noch einmal an
einem großen Einkaufszentrum, durch das ich eine Viertelstunde
lang durchschlendere. Das fühlt sich aber auch nicht anders an
als eine x-beliebige amerikanische Shopping Mall, sodass ich mich hier
nicht lange aufhalten muss.
Jetzt den richtigen Weg aus der Stadt raus finden. Es ist schon
11, und ich bin irritiert: Die Schilder in Richtung North Mackay
zeigen ungefähr in die Richtung, aus der die Sonne kommt.
Komisch, es ist doch kurz vor Mittag, da müsste die Sonne doch im
Süden stehen. Ich kurve unentschlossen in der Stadt herum und
gerate irgendwie wieder auf die Einfallstraße, an der auch mein
Motel lag. Dort finde ich ein Schild zum Bruce Highway und nach
Rockhampton, alles klar.
Das mit der Sonne arbeitet in meinem Unterbewusstsein aber weiter,
und nach einigen Kilometern fällt der Groschen endlich: Sollte
die Sonne auf der Südhalbkugel etwa Mittags tatsächlich im
Norden stehen? Das würde so manches erklären, denn ich hatte
schon des öfteren leichte Navigationsprobleme beziehungsweise
habe mich über die Sonne gewundert. Ich Dussel! Den Mond haben
sie auch andersrum, die Aussies, habe ich gehört. Da mus ich auch
nochmal drauf achten.
Ich fahre und fahre und fahre, und die Straße nimmt und nimmt
kein Ende. Obwohl die Dire Straits eine wirklich angemessene
Musikuntermalung darstellen, wird die CD bei der dritten Wiederholung
doch allmählich langweilig, zumal ich sie ja gestern schon
gehört habe. Aber im Radio kommt auch nichts
Vernünftiges.
Ich knipse während der Fahrt ein paar Fotos . Natürlich ohne durch
den Sucher zu schauen, keine Angst. Und ich freue mich über die
durchdachte Bedienung meiner Kamera, dank derer ich mit dem rechten
Daumen blind das Programm in Richtung kürzerer Belichtungszeiten
verschieben kann, ohne die linke Hand vom Lenkrad zu nehmen. Die
Zuckerrohrfelder sind zuende, jetzt kommt dünner Wald, teilweise
abgebrannt , oder ewig weite Steppe
mit einzelnen Bäumen drauf, teilweise Weideland mit Rindern.
Die Australier wissen schon, warum sie an den Highways alle paar
Kilometer Schilder aufstellen, die vor Übermüdung
warnen . Ich musste in den letzten Tagen schon mehrmals
anhalten, weil ich merkte, dass mir die Augen zuzufallen drohten.
Heute raste ich freiwillig etwa jede Stunde, denn ich will ja viel
fahren: Mindestens bis Rockhampton habe ich mir vorgenommen. Dass in
Australien die Entfernungen alle ein bisschen größer sind
als zu Hause, merkt man auch an den Schildern. "Driver Fatigue Crash
Zone Next 240 km" (ich fotografiere erst das nächste Schild,
auf dem es "nur" noch 160 km sind ). Oder das beste: Ein
Schild, das den nächsten Parkplatz in 50 km (!) Entfernung
ankündigt. Auf der linken Seite übrigens, dass ich das nur
rechtzeitig bedenke während der nächsten halben Stunde, die
ich brauche, um zum genannten Parkplatz zu kommen.
An einem Rastplatz in Marlborough teste ich das mit der Sonne
nochmal, indem ich den Schatten eines Bäumchens mit einem
Stöcken markiere. Nach fünf Minuten Pause komme ich wieder,
und in der Tat: Der Schatten bewegt sich hier andersrum, als er es zu
Hause tun würde . Dann wär das also
mal klar; das wird mir zukünftig die Navigation doch etwas
erleichtern. Beziehungsweise aufhören, sie mir unnötig zu
erschweren. Schon lustig, als wie selbstverständlich man den Lauf
der Sonne anzunehmen gelernt hat. Und kein Wunder hab ich die Sonne
andauernd im Rücken, obwohl ich doch überwiegend nach
Süden fahre.
Am nächsten Rastplatz seh ich mal einen zwitschernden Baum bei
Tage . Er ist voll mit Rainbow
Lorikeets, und daneben steht eine Vogeltränke, in der die
Vögelchen ausgiebig baden . Mit ein bisschen Geduld
kann man aber noch andere Vogelarten ausmachen; obwohl ich ein
Vogel-Fan bin, weiß ich allerdings nicht, wie sie heißen
:-(. Ein Pärchen grüne Sittiche mit rotem Schnabel und
gelben Tupfern sowie einige wenige
rosafarbige Papageien (?) mit grauen Flügeln , ein paar von den
Vögelchen, die so komisch zu lachen scheinen (da kann ich die
Zoo-Aufnahme durch die Gitterstäbe ja jetzt wegwerfen) und
schließlich noch ein Geselle mit spitzem Schnabel und
olivgrünen Flügeln, der ganz aufgeregt ist, weil ich seinen
Ruf anscheinend recht gut imitieren kann . Vogeltechnisch hat sich
dieser Parkplatz fast mehr gelohnt als der Zoo, muss ich sagen.
Nymphensittiche habe ich in Australien übrigens noch keine
gesehen; ob ich dafür bis Hannover warten muss?
Als ich gegen 16 Uhr Rockhampton erreiche, werfe ich einen kurzen
Blick in meinen Reiseführer und beschließe dann, es links
liegen zu lassen und weiterzufahren. Botanischer Garten, Kunstgalerie,
ein paar historische Gebäude ... aber wenn der Reiseführer
schon sagt "eher unspektakulär", dann will ich ihm mal glauben.
Bis Gladstone sollte es noch ein Stündchen plus Epsilon sein, und
dann kann ich mir dort kurz vor Sonnenuntergang in Ruhe eine Bleibe
und ein Internet-Cafe suchen.
Gladstone hat laut meinem schlauen Buch das größte
Kohlekraftwerk Australiens. Das muss es dann wohl sein, denke ich mir
und schieße ein Foto , während ich auf den
Ort zukullere. Die Motelsuche geschieht wie immer aufs Geratewohl: Ich
kurve ein bisschen rum und suche mir eines, das nicht zu
luxuriös, aber auch nicht zu abgewrackt aussieht und bezahle 55
Dollar. Ich frage mich, ob ich nur einen so guten Blick für die
Preiskategorien von Motels habe, dass ich immer zwischen 55 und 60
Dollar zahle, oder ob einfach alle Motels in Australien zwischen 55
und 60 Dollar kosten. Vielleicht sollte ich versuchsweise mal ein
teurer aussehendes ansteuern und es ausprobieren.
Die freundliche Dame am Empfang empfiehlt mir fürs Internet
eine Tankstelle, wo man rund um die Uhr ins Internet kann. Leider
lässt man mich dort nicht meinen eigenen Rechner ans Netz
stecken; Fehlanzeige. Also geh ich erst einmal essen; das mexikanische
Restaurant sieht ganz nett aus, und ich habe seit dem
Frühstück keine feste Nahrung zu mir genommen. Beim Bezahlen
freue ich mich, dass das Essen nur 10 Dollar statt 20 kostet, weil ich
vor 19 Uhr gekommen bin, das hört man gern. Vor dem Essen bin ich
noch einmal ausführlich mit dem Auto in der Stadt rumgekurvt und
habe mich vergewissert, dass alles, was auch nur entfernt nach
Internet-Cafe aussieht, geschlossen hat. Insofern rechne ich
eigentlich nicht wirklich mit einer positiven Antwort, als ich die
Kellnerin beim Bezahlen frage, ob man hier irgendwo ins Internet
kann.
Doch oh Wunder: Sie empfiehlt mir einen Eisladen, der nur fünf
Minuten zu Fuß die Straße runter ist, und tatsächlich
komme ich dort ans Netz . Es ist allerdings
unglaublich langsam. Der Laden schließt um 21 Uhr, und ab 20:30
beginnt der Besitzer demonstrativ aufzuräumen. Als er um 20:45
das Licht ausmacht, breche ich meinen Foto-Upload schweren Herzens bei
86,6 % ab und gehe "heim", um diese Zeilen einzutippen.
Neben meinem Motel steht wieder einer dieser laut zwitschernden
Bäume. Faszinierend, was die Viecher mitten in der Nacht für
einen Radau machen (die Anwohner würden wahrscheinlich sagen:
nervig). Und man sieht sie nicht; ich seh kein einzieges
Vögelchen. Diesmal verzichte ich auf das Foto, bin zu faul.
Ach ja, for the record: Ungefähr 1650 km bin ich bisher
in Australien gefahren, davon ca. 500 heute.
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