8.9., Die Sonne im Rücken

Das Frühstück kommt wie bestellt um 7:45, aber danach lege ich mich nochmal ein Stündchen hin. Bin irgendwie noch nicht ausgeschlafen. Außerdem grummelt es ungut in meinem Magen; mir ist nicht ganz wohl.

Heute muss ich unbedingt ein paar hundert Kilometer fahren; mir läuft die Zeit davon. Von Cairns nach Sydney in nur zwei Wochen - das war eine ehrgeizige Planung. Wenn man wenigstens zu zweit wäre, sich mit dem Fahren abwechseln und zwischendurch mal unterhalten könnte ...

Bevor es auf große Fahrt geht, fahre ich aber wenigstens noch mal ganz kurz nach Mackay rein, schaue mir den Stadtkern an. Sehe aber wenig Spektakuläres. Auf der Weiterfahrt halte ich noch einmal an einem großen Einkaufszentrum, durch das ich eine Viertelstunde lang durchschlendere. Das fühlt sich aber auch nicht anders an als eine x-beliebige amerikanische Shopping Mall, sodass ich mich hier nicht lange aufhalten muss.

Jetzt den richtigen Weg aus der Stadt raus finden. Es ist schon 11, und ich bin irritiert: Die Schilder in Richtung North Mackay zeigen ungefähr in die Richtung, aus der die Sonne kommt. Komisch, es ist doch kurz vor Mittag, da müsste die Sonne doch im Süden stehen. Ich kurve unentschlossen in der Stadt herum und gerate irgendwie wieder auf die Einfallstraße, an der auch mein Motel lag. Dort finde ich ein Schild zum Bruce Highway und nach Rockhampton, alles klar.

Das mit der Sonne arbeitet in meinem Unterbewusstsein aber weiter, und nach einigen Kilometern fällt der Groschen endlich: Sollte die Sonne auf der Südhalbkugel etwa Mittags tatsächlich im Norden stehen? Das würde so manches erklären, denn ich hatte schon des öfteren leichte Navigationsprobleme beziehungsweise habe mich über die Sonne gewundert. Ich Dussel! Den Mond haben sie auch andersrum, die Aussies, habe ich gehört. Da mus ich auch nochmal drauf achten.

Ich fahre und fahre und fahre, und die Straße nimmt und nimmt kein Ende. Obwohl die Dire Straits eine wirklich angemessene Musikuntermalung darstellen, wird die CD bei der dritten Wiederholung doch allmählich langweilig, zumal ich sie ja gestern schon gehört habe. Aber im Radio kommt auch nichts Vernünftiges.

Ich knipse während der Fahrt ein paar Fotos Foto dazu. Natürlich ohne durch den Sucher zu schauen, keine Angst. Und ich freue mich über die durchdachte Bedienung meiner Kamera, dank derer ich mit dem rechten Daumen blind das Programm in Richtung kürzerer Belichtungszeiten verschieben kann, ohne die linke Hand vom Lenkrad zu nehmen. Die Zuckerrohrfelder sind zuende, jetzt kommt dünner Wald, teilweise abgebrannt Foto dazu, oder ewig weite Steppe mit einzelnen Bäumen drauf, teilweise Weideland mit Rindern.

Die Australier wissen schon, warum sie an den Highways alle paar Kilometer Schilder aufstellen, die vor Übermüdung warnen Foto dazu. Ich musste in den letzten Tagen schon mehrmals anhalten, weil ich merkte, dass mir die Augen zuzufallen drohten. Heute raste ich freiwillig etwa jede Stunde, denn ich will ja viel fahren: Mindestens bis Rockhampton habe ich mir vorgenommen. Dass in Australien die Entfernungen alle ein bisschen größer sind als zu Hause, merkt man auch an den Schildern. "Driver Fatigue Crash Zone Next 240 km" (ich fotografiere erst das nächste Schild, auf dem es "nur" noch 160 km sind Foto dazu). Oder das beste: Ein Schild, das den nächsten Parkplatz in 50 km (!) Entfernung ankündigt. Auf der linken Seite übrigens, dass ich das nur rechtzeitig bedenke während der nächsten halben Stunde, die ich brauche, um zum genannten Parkplatz zu kommen.

An einem Rastplatz in Marlborough teste ich das mit der Sonne nochmal, indem ich den Schatten eines Bäumchens mit einem Stöcken markiere. Nach fünf Minuten Pause komme ich wieder, und in der Tat: Der Schatten bewegt sich hier andersrum, als er es zu Hause tun würde Foto dazu. Dann wär das also mal klar; das wird mir zukünftig die Navigation doch etwas erleichtern. Beziehungsweise aufhören, sie mir unnötig zu erschweren. Schon lustig, als wie selbstverständlich man den Lauf der Sonne anzunehmen gelernt hat. Und kein Wunder hab ich die Sonne andauernd im Rücken, obwohl ich doch überwiegend nach Süden fahre.

Am nächsten Rastplatz seh ich mal einen zwitschernden Baum bei Tage Foto dazu. Er ist voll mit Rainbow Lorikeets, und daneben steht eine Vogeltränke, in der die Vögelchen ausgiebig baden Foto dazu Foto dazu. Mit ein bisschen Geduld kann man aber noch andere Vogelarten ausmachen; obwohl ich ein Vogel-Fan bin, weiß ich allerdings nicht, wie sie heißen :-(. Ein Pärchen grüne Sittiche mit rotem Schnabel und gelben Tupfern Foto dazu sowie einige wenige rosafarbige Papageien (?) mit grauen Flügeln Foto dazu, ein paar von den Vögelchen, die so komisch zu lachen scheinen Foto dazu (da kann ich die Zoo-Aufnahme durch die Gitterstäbe ja jetzt wegwerfen) und schließlich noch ein Geselle mit spitzem Schnabel und olivgrünen Flügeln, der ganz aufgeregt ist, weil ich seinen Ruf anscheinend recht gut imitieren kann Foto dazu. Vogeltechnisch hat sich dieser Parkplatz fast mehr gelohnt als der Zoo, muss ich sagen. Nymphensittiche habe ich in Australien übrigens noch keine gesehen; ob ich dafür bis Hannover warten muss?

Als ich gegen 16 Uhr Rockhampton erreiche, werfe ich einen kurzen Blick in meinen Reiseführer und beschließe dann, es links liegen zu lassen und weiterzufahren. Botanischer Garten, Kunstgalerie, ein paar historische Gebäude ... aber wenn der Reiseführer schon sagt "eher unspektakulär", dann will ich ihm mal glauben. Bis Gladstone sollte es noch ein Stündchen plus Epsilon sein, und dann kann ich mir dort kurz vor Sonnenuntergang in Ruhe eine Bleibe und ein Internet-Cafe suchen.

Gladstone hat laut meinem schlauen Buch das größte Kohlekraftwerk Australiens. Das muss es dann wohl sein, denke ich mir und schieße ein Foto Foto dazu, während ich auf den Ort zukullere. Die Motelsuche geschieht wie immer aufs Geratewohl: Ich kurve ein bisschen rum und suche mir eines, das nicht zu luxuriös, aber auch nicht zu abgewrackt aussieht und bezahle 55 Dollar. Ich frage mich, ob ich nur einen so guten Blick für die Preiskategorien von Motels habe, dass ich immer zwischen 55 und 60 Dollar zahle, oder ob einfach alle Motels in Australien zwischen 55 und 60 Dollar kosten. Vielleicht sollte ich versuchsweise mal ein teurer aussehendes ansteuern und es ausprobieren.

Die freundliche Dame am Empfang empfiehlt mir fürs Internet eine Tankstelle, wo man rund um die Uhr ins Internet kann. Leider lässt man mich dort nicht meinen eigenen Rechner ans Netz stecken; Fehlanzeige. Also geh ich erst einmal essen; das mexikanische Restaurant sieht ganz nett aus, und ich habe seit dem Frühstück keine feste Nahrung zu mir genommen. Beim Bezahlen freue ich mich, dass das Essen nur 10 Dollar statt 20 kostet, weil ich vor 19 Uhr gekommen bin, das hört man gern. Vor dem Essen bin ich noch einmal ausführlich mit dem Auto in der Stadt rumgekurvt und habe mich vergewissert, dass alles, was auch nur entfernt nach Internet-Cafe aussieht, geschlossen hat. Insofern rechne ich eigentlich nicht wirklich mit einer positiven Antwort, als ich die Kellnerin beim Bezahlen frage, ob man hier irgendwo ins Internet kann.

Doch oh Wunder: Sie empfiehlt mir einen Eisladen, der nur fünf Minuten zu Fuß die Straße runter ist, und tatsächlich komme ich dort ans Netz Foto dazu. Es ist allerdings unglaublich langsam. Der Laden schließt um 21 Uhr, und ab 20:30 beginnt der Besitzer demonstrativ aufzuräumen. Als er um 20:45 das Licht ausmacht, breche ich meinen Foto-Upload schweren Herzens bei 86,6 % ab und gehe "heim", um diese Zeilen einzutippen.

Neben meinem Motel steht wieder einer dieser laut zwitschernden Bäume. Faszinierend, was die Viecher mitten in der Nacht für einen Radau machen (die Anwohner würden wahrscheinlich sagen: nervig). Und man sieht sie nicht; ich seh kein einzieges Vögelchen. Diesmal verzichte ich auf das Foto, bin zu faul.

Ach ja, for the record: Ungefähr 1650 km bin ich bisher in Australien gefahren, davon ca. 500 heute.

 

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©2004 by Harald Bögeholz