Nach mehr als zehn Stunden Schlaf stehe ich um 8 auf und bin immer
noch nicht richtig munter. Wohl zu viel Schlaf. Nach dem Aufstehen
schieße ich schnell ein paar Fotos vom schönen Bowen - viel
ist nicht zu sehen - und gehe zum Frühstück in das
Internet-Cafe um die Ecke, das ich gestern Abend geortet habe. Hier
steht man meinem Ansinnen, meinen eigenen Rechner anstöpseln zu
wollen, zwar skeptisch gegenüber, aber als ich versichere,
hinterher wieder alles in Ordnung zu bringen, darf ich eine
Netzwerkstrippe von einem Rechner abpflücken und in mein Notebook
stecken . Endlich wieder Netz! Aber viel zu langsam :-(. Obwohl ich es
während des Frühstücks natürlich laufen lasse,
schaffe ich den Upload der paar Australien-Bilder bei weitem nicht.
Und habe ein leicht schlechtes Gewissen, weil ich anscheinend mit dem
Bisschen Traffic das ganze Netz hier lahmlege: Ein Australier, der
versucht, in seine Webmail zu schauen, gibt nach 10 Minuten entnervt
auf.
Nach einer Stunde beschließe ich, dass meine Zeit zu schade
ist, auf den Upload zu warten, und mache mich auf die Socken. Direkt
zwischen Internet-Cafe und Motel ist ein Friseursalon. Ein Wink des
Schicksals, ich wollte doch sowieso ... Der Laden heißt Quick
Cuts, und das ist es, was man hier bekommt. Färben, um Himmels
Willen, nein. Und welche Länge ich denn will, 1, 2, 3 oder 4?
Öh, also 12 Millimeter wären nett, hinten, und vorne etwas
länger. "Sorry, we don't do millimeters here, do you want length
one, two, three or four?" Nun denn, 2. Ist ja egal, wie ich aussehe,
Hauptsache kurz. Die "Friseurin" hat ungefähr das Geschick und
vor allem das Tempo eines Schafscherers. Paffzack ist die Matte ab,
und mein Ansinnen, mir die Haare vorne ein bisschen länger und
irgendwie vernünftig gerade schneiden zu lassen, sodass die sich
bildenden Geheimratsecken nicht ganz so unvorteilhaft betont sind,
wird im Keim erstickt. Es kostet aber auch nur 12 Dollar, das sind
7,20 Euro. Bis ich wieder zu Hause bin, ist es hoffentlich
rausgewachsen ;-).
Allmählich ahnend, dass ich mich beeilen muss, fahre ich gen
Süden und mache zwischendurch nur einige wenige Fotos vom
Strand . In Proserpine halte ich
kurz für ein paar Fotos und erwerbe eine CD. Mein Autoradio hat
nämlich einen CD-Player, und oft kommt auf allen Sendern nur
Mist. So eine Best of Dire Straits, das scheint mir die angemessene
Musik für die Weiten Australiens zu sein. Obwohl es mir in der
Seele weh tut, nochmal den vollen Preis für lauter Musik zu
zahlen, die ich zu Hause schon habe.
Die nächste Sehenswürdigkeit in meinem Reiseführer
ist der Eungella National Park. Sieht auf der Karte aus als läge
er am Wegesrand; mein toller Reiseführer sagt dazu "Gelegenheit
zu ausgedehnten Wildniswanderungen bietet auch der Eungella National
Park, der sich westlich des Bruce Highway etwa auf halber Strecke
zwischen Prosperine und Mackay erstreckt." Auf halber Strecke stimmt
schon, aber dass das Ding einen fast 200 Kilometer weiten Umweg
bedeutet, das hat mir keiner gesagt. Ach du Schande, ist Australien
groß! Dieser Teil der Landkarte in meinem Reiseführer ist
ungefähr im Maßstab 1:undendlich, jedenfalls sieht das
Abstecherchen nach Eungella gänzlich anders aus, als es sich
anfühlt. Dies wird wohl für heute meine Tagestour
werden.
Das Spannendste am Eungella National Park ist fast die Fahrt
über eine kurvenreiche Strecke in die Berge. Oben angekommen gibt
es eine Auswahl an verschieden langen Wanderwegen und ich muss mich
entscheiden: Allzu viel Zeit habe ich nicht, wenn ich heute Abend in
Mackay übernachten möchte. Der erstbeste Wanderweg, den ich
mir aussuche, führt durch dichten Regenwald und ist nach wenigen
hundert Metern durch einen umgestürzten Baum versperrt. Zwar
könnte man darüber klettern, aber ich nehme das als Wink des
Schicksals, umzukehren. Im Prinzip macht es zwar immer wieder
Spaß, durch den Regenwald zu marschieren, aber irgendwie habe
ich das Gefühl, das schon gesehen zu haben .
Im weiteren Verlauf der Strecke stelle ich fest, dass hier in dem
hügeligen Hochland Landwirtschaft betrieben wird und beobachte
einen ganzen Schwarm dieser weißen Papageien (Kakadus?), wie er
so durch die Gegend zieht. Als ich das erste Mal anhalte, sitzt er
komplett auf einem Baum , später zieht er auf
eine Wiese um . Nette Vögelchen
;-).
Am Visitor Center schaue ich mir noch einmal die Auswahl an
Wanderwegen an und entscheide mich für den Wishing Pool Circuit.
Der Weg dorthin ist allerdings nicht sonderlich gut ausgeschildert.
Laut der Karte muss ich irgendwann links abbiegen, aber kann es
wirklich diese unbefestigte Straße sein? Nachdem ich minutenlang
die düstere, gewundene Schotterpiste entlang gefahren bin, denke
ich, das ist es wohl nicht, und beschließe, bei nächster
Gelegenheit umzukehren. Es kommt aber lange keine Gelegenheit, und
plötzlich sehe ich doch ein Hinweisschild . Dieser winzige
Trampelpfad soll es also sein ? Ok.
Ich beginne die Wanderung gegen 16:30 und mache mir schon Sorgen,
ob ich schnell genug zurück bin. Möchte ungern im Dunklen
Auto fahren, zum Einen, weil mir vielfach davon abgeraten wurde wegen
der Känguruhs, zum Anderen, weil ich abends
erfahrungsgemäß sehr müde werde am Steuer. Aber
nachdem ich nun schon einmal bis hierher ans Ende der Welt gefahren
bin, will ich die Wanderung nun auch machen.
Außer mir ist weit und breit keine Menschenseele zu sehen,
und der Pfad ist weniger befestigt und sichtbar, als ich das von
anderen Nationalparks gewohnt bin. Stellenweise habe ich sogar leichte
Zweifel, ob ich noch auf dem richtigen Weg bin. Nach einer
Viertelstunde komme ich an eine T-Kreuzung. Was nun? Links oder
rechts? Da hätten sie für die Touris nun wirklich mal ein
Schild hinmachen können. Mir wird allmählich mulmig zumute.
Zwar würde ich den Weg zurück sicherlich schon finden, aber
es wäre angesichts der drohenden Dunkelheit schon doof, wenn ich
mich hier im Wald verliefe. Und ein verstohlener Blick auf mein Handy
zeigt mir, dass es hier auch kein Mobilfunknetz gibt. Mein gesunder
Menschenverstand sagt mir, dass es nach rechts wohl zurück geht,
denn vor mir ist Wasser und ich habe keinen Fluss überquert auf
dem Weg hierher. Wieder eine Viertelstunde später bin ich doch
irgendwie erleichtert, mein Auto wiedergefunden zu haben. Jetzt aber
nichts wie nach Mackay.
Natürlich wird es unterwegs dunkel, natürlich werde ich
so müde, dass ich fast am Steuer einschlafe, und trinke in
Mirani, wo ich auf dem Hinweg schon einmal gehalten habe, einen Kaffee
und eine Cola. Das macht wach.
Am Ortseingang von Mackay ein Motel nach dem anderen; ich fahre die
Straße einmal entlang und entscheide mich dann mehr oder weniger
willkürlich für das Tropical Coast Motel. Eine gute Wahl:
Sie haben nur noch ein Zimmer frei, und das ist die "Luxus-Suite"
für bis zu sechs Personen: Großes Doppelbett und noch ein
extra Kinderzimmer mit zwei Stockbetten; das einzige Zimmer mit zwei
Parkplätzen vor der Tür. Nicht, dass ich so ein großes
Zimmer bräuchte. Und zu meinem Erstaunen ist im Preis von 55
Dollar sogar ein warmes Abendessen inbegriffen. Das ist zwar nichts
Besonderes - ein mehr oder weniger nach nichts schmeckendes paniertes
Fischstäbchen und ein bischen Gemüse - aber immerhin.
Ich entdecke im Zimmer ein Bestellformular für
Frühstück und ordere mir mal wieder ein deftiges Steak mit
Eiern und Toast zum Frühstück. Den Abend verbringe ich mit
Fotos Sortieren, Tagebuchschreiben und ein bisschen Fernsehen. Leider
weit und breit kein Internet-Zugang in Sicht :-(.
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