Da ich heute viel vorhabe, gibts zum Frühstück mal ein
Steak, dazu Eier und Toast . Ich glaube aber, ich muss
mir das wieder abgewöhnen. Wenn ich so weiteresse, werde ich dick
und rund nach Hause kommen. Es regnet in Strömen , was nicht verwunderlich
ist, denn dies ist eine der feuchtesten Gegenden Australiens. Laut
meinem Reiseführer fällt in Tully, einige zig Kilometer
südlich von hier und auf meiner heutigen Route, der meiste Regen:
7800 mm im Jahr. Der tropische Regenwald heißt nicht ohne
Grund so.
Heute will ich bis nach Townsville kommen und überlege, was es
am Wegesrand wohl alles zu sehen gibt. Allzu viel gibt mein
Reiseführer nicht her; ein Zuckermuseum und hier und da ein
Wasserfall. Der Mensch vom Hotel hat mir einen Park namens !!!
empfohlen, aber ich bin skeptisch. Irgendwie steht in dem Prospekt
nichts drin, was mich wirklich interessieren würde.
So fahre ich denn gen Süden und schaue mir gegen 9:30 das
Zuckermuseum an . In einem Video erfahre
ich unter anderem, dass die Schmalspur-Einsenbahnschienen, die man
hier alle Naselang sieht, keine Spielsachen, sondern tatsächlich
die Haupttransportwege für den Zucker sind, und das schon seit
100 Jahren.
Statt anschließend direkt nach Tully zu fahren, entscheide
ich an einer Kreuzung spontan, einen Abstecher über Mission Beach
zu machen. In dem kleinen Dörfchen nehme ich einen Cappucino,
besichtige kurz den weitgehend menschenleeren Strand und fahre dann weiter.
Wenige Kilometer später häufen sich die Warnschilder
über "Cassowaries" ; den Bildern zufolge anscheinend ziemlich
große Laufvögel. Dies hier scheint ein Schutzgebiet zu
sein; jedenfalls soll man langsam fahren. Ich biege in einen Waldweg
ein, weil hier wieder mal ein "Rainforest Walk" ausgeschildert ist.
Wer weiß, vielleicht kriegt man ja die Viecher tatsächlich
zu sehen?
Das zwar nicht, aber der Abstecher hat sich gelohnt. Zum einen
macht es mir Spaß, einfach nur ganz ruhig und möglichst
leise in diesem Regenwald herumzulaufen, die Geräusche zu
hören und mir die Vegetation anzuschauen. Das Besondere an diesem
Waldstück ist den Schildern zufolge eine bestimmte Sorte Palmen
mit großen, fächerförmigen Blättern . Sie bilden in einiger
Höhe ein ziemlich schönes Dach, sodass ich fast
vollständig trocken bleibe mit meiner Kamera, obwohl es
"draußen" mal wieder regnet.
In einiger Entfernung höre ich immer wieder ziemlich lautes
Vogelgeschrei, kann aber nichts sehen. Der Trampelpfad umkreist die
betreffende Stelle weiträumig, und endlich erhasche ich in leider
recht großer Entfernung einen Blick auf einen (abgestorbenen?)
Baum, auf dem sich lauter weiße Papageien(?) tummeln . Sie klettern munter auf
und nieder, fliegen von Ast zu Ast und machen dabei den Radau, den ich
schon von weitem gehört habe. Dass sie einen großen, gelben
Federkamm haben und eigentlich ziemlich ähnlich aussehen wie
Nymphensittiche, kann ich erst später auf den Fotos erkennen.
Wenn es schon keine Cassowaries waren, so habe ich also doch immerhin
Vögelchen in freier Wildbahn gefunden.
In Tully halte ich noch einmal kurz an der Zuckerfabrik an . Kurz spiele ich mit dem
Gedanken, sie zu besichtigen; habe irgendwo gelesen, dass das geht.
Aber dann denke ich mir, dass ich eigentlich noch nicht weit gekommen
bin auf meiner Etappe nach Townsville und mir eher nach Natur zumute
ist, und fahre weiter. Die Wolken hängen tief über den
Bergen, und es regnet immer wieder .
Auf der Strecke nach Townsville liegen laut meinem Reiseführer
mehrere Nationalparks. Der größte Wasserfall weit und breit
scheinen die Wallaman Falls zu sein, die 48 km westlich von
Ingham liegen und nur über eine unbefestigte Straße zu
erreichen sind. Im weiteren Verlauf weist mein Reiseführer noch
zwei weitere Nationalparks aus, wo es schöne Aussichtspunkte und
Wasserfälle geben soll. Darüber denke ich so nach,
während ich Richtung Ingham fahre und zwischendurch an einem
Aussichtspunkt noch einmal anhalte, um den Blick auf die Insel(n?) zu
genießen.
Als ich Ingham erreiche, ist es schon nach 15 Uhr, und ich biege
spontan auf den Highway in Richtung Townsville ein - für die
Wallaman Falls ist wohl keine Zeit mehr. Ein paar hundert Meter
später überlege ich es mir anders: Wolln doch erst mal
sehen, wie schlecht die Straße eigentlich ist. Unbefestigte
Straßen darf ich mit dem Mietwagen eigentlich nicht fahren, das
steht so im Mietvertrag. Aber mal schauen wird man ja noch dürfen
;-).
Die ersten Kilometer lang ist die Straße dann auch ganz
normal asphaltiert und verläuft zwischen großen
Zuckerrohrfeldern. Dann weicht sie aber doch einer unbefestigten, die
aber sehr gut in Schuss ist, sodass ich beschließe, noch ein
bisschen weiterzufahren. Das erste Känguruh, dem ich begegne, ist
ein totes; es liegt mitten auf der Straße. Doch schon weniger
hundert Meter weiter hoppelt ein lebendiges über die
Straße ; ich zücke schnell
die Kamera, und es wartet freundlicherweise noch schnell, bis ich es
fotografiert habe .
Die Straße wird immer enger und schlängelt sich immer
abenteuerlicher den Berg hoch , zumal ich später
vereinzelt in die Wolken gerate und das Ganze streckenweise einen
ziemlich rutschigen Eindruck macht. Allein schon diese Straße
hochzufahren, macht großen Spaß; vielleicht ist es auch
ein bisschen der Reiz des Verbotenen. Wie befürchtet, brauche ich
für die Strecke von Ingham zum Wasserfall ungefähr eine
Stunde, wobei ich angesichts der Straßenverhältnisse recht
zügig gefahren bin.
Den Wasserfall hatte ich mir anhand der Beschreibung
beeindruckender vorgestellt . Er ist zwar sehr hoch,
führt aber zurzeit nicht allzu viel Wasser. Kühl ist es hier
oben: 16,5 Grad hat das Thermometer in meinem Auto angezeigt. Ich
steige noch kurz 300 Meter weiter zu einer kleinen Aussichtsplattform
herunter und sehe dann zu, dass ich wieder wegkomme, denn ich will
unbedingt noch Townsville erreichen. Alle weiteren Attraktionen auf
dem Weg sind somit gestrichen.
Nachdem ich eine Stunde später wieder auf dem Highway bin,
zieht sich die Fahrerei doch endlos in die Länge. Alle halten
sich ziemlich genau an die Geschwindigkeitsbegrenzung, sodass ich
einfach immer nur mit konstanter Geschwindigkeit und konstantem
Abstand hinter meinem Vordermann geradeaus fahre. Die Sonne geht
unter, und mich überkommt eine bleierne Müdigkeit.
25 km vor Townsville, als ich wirklich schon überlege, ob
ich auf offener Straße anhalten muss, um nicht einzuschlafen,
sehe ich ein Schild, dass rechts ein Rastplatz sein soll, und biege
ab.
Eine Halluzination? Es ist stockfinster, kein Parkplatz, kein
Toilettenhäuschen oder dergleichen in Sicht. 100 Meter die
Straße hinein sehe ich zu meiner Linken ein erleuchtetes
Gebäude, doch wie dort hinkommen? Es ist alles eingezäunt.
Irgendwie finde ich doch einen Weg durch das Labyrinth, sehe noch
aus dem Augenwinkel ein Schild, auf dem Community Center oder so
steht.
Als ich aussteige und in Richtung Licht gehe, werde ich von einem
freundlichen Australier mit Gitarre in Empfang genommen, auch zwei,
drei andere Leute schütteln mir erfreut die Hand. Anscheinend bin
ich in eine Kirchengemeinde geraten: Die "Blue Water Church"
heißt mich begeistert in ihren Reihen willkommen und lädt
mich ein, an ihrem Gottesdienst teilzunehmen, mit dem sie gerade
beginnen wollen. Äh, öh, na ja, eigentlich hatte ich mir
zwar eine Tasse Kaffee vorgestellt, aber wenn es, wie der freundliche
Australier so schön sagt, der Wille Gottes ist, dann bleib ich
halt einen Moment hier, bis ich wieder wach bin.
Ich komme mir schon ein bisschen fehl am Platze vor, während
die kleine, aus etwa 15 Leuten bestehende Kirchengemeinde begeistert
zur Gitarre miteinander singt und in die Hände klatscht, Gott
für alles mögliche dankt und insbesondere dafür, dass
Harold heute bei ihnen ist. Nachdem alle reihum einmal laut ihr Gebet
gesprochen haben, kratze ich die Kurve, bevor weiter gesungen wird.
Das ist irgendwie nicht ganz das Richtige hier für mich; immerhin
bin ich jetzt auch ohne Kaffee wieder wach.
Townsville ist eine Nummer größer als Cairns; ich folge
den Schildern Richtung City, und als keine mehr kommen, schließe
ich daraus, dass hier wohl die City sein muss. Aber irgendwie wirkt
die Stadt ausgestorben; kein Vergleich zu Cairns, wo der Stadtkern
voller Touristen ist und ein Restaurant sich an das andere reiht. Hier
ist irgendwie alles zu, und ich kehre spontan im "Downtown Motel" ein;
habe Glück, dass ich vor 8 da bin, denn um 8 schließt die
Rezeption. Ein paar Restaurants haben doch noch geöffnet, aber
ich bin schon erstaunt: Was ist denn das für eine Stadt, wo
Sonntagabends der McDonald's vor 9 zumacht? In Molly Malones Irish Pub
schräg gegenüber von meinem Motel bekomme ich ein zwar nicht
besonders gutes, aber reichliches und mit $6,60 erstaunlich billiges
Abendessen; das Pint Kilkenny, das ich dazu trinke, kostet $6,50
;-).
Mir ist nicht nach Gesellschaft zumute, und ich versuche in meinem
Motelzimmer noch, Tagebuch zu schreiben, schlafe aber immer wieder
über der Tastatur ein. Der Tag war wohl doch anstrengender, als
ich dachte.
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