Ab heute bin ich auf einer Besichtigungstour, die ihresgleichen sucht. Es geht jeden Morgen zwischen 7 und 8 los, und unter 12 Stunden läuft laut Plan eigentlich kein Tag. Wir fahren meist von Okazaki aus irgendwo hin und kehren abends zurück; lediglich an den beiden Wochenenden werden wir auswärts übernachten. Wir, das sind erst einmal nur Annegret und ich unter der fachkundigen Reiseleitung von Declan, dem Direktor des International Office. Da Declan Australier ist, können wir uns hervorragend auf Englisch mit ihm verständigen. Er kann aber auch fließend Japanisch, insbesondere lesen, und veranstaltet diese Touren schon seit einigen Jahren, sodass er sich sehr gut auskennt. Der ideale Reiseleiter also. Um einen ersten Eindruck vom Leben in der Edo-Zeit zu bekommen, fahren wir in ein kleines Städchen namens Goyu. Es liegt an der historischen Tokaido (Osten-Ozean-Straße), der Straße von Kyoto nach Edo (heute Tokyo). Declan erzählt, dass damals nur sehr wichtige Leute reiten durften beziehungsweise die ganz Wichtigen sich in einer Sänfte tragen ließen ; alle andere mussten zu Fuß gehen. Deshalb gibt es entlang der Tokaido alle paar Kilometer einen kleinen Ort, wo die Reisenden rasten können. Goyu ist ein solcher, wo man noch den Verlauf der alten Straße erkennen kann und auch noch einige der alten Gebäude stehen . Da das Museum noch nicht geöffnet hat, machen wir einen kleinen Spaziergang, und ich wundere mich, wie klar das Wasser des Flusses und wie reich an Fischen er ist . Ein Schild erinnert an einen deutschen Arzt, der hier gelebt und die Japaner westliche Medizin gelehrt hat . An einem so wichtigen Ort kann man natürlich kein Haus bauen, was die Japaner aber nicht daran hindert, hier eine Müllsammelstelle einzurichten . Nachdem wir in dem winzigen Museum ein paar Gegenstände aus der Edo-Zeit gesehen haben , geht es auf das historische Schlachtfeld Shitagahara , beziehungsweise zunächst in das zugehörige Museum . Leider hat sich meine Geschichtsschwäche seit der Schulzeit nicht wesentlich gebessert, und ich kann mir nicht so recht merken, wer gegen wen und warum eigentlich. Ungefähr schon, aber ich schreib das jetzt mal besser hier nicht nieder, um mich nicht zu blamieren. Ich war jedenfalls auf dem berühmten Schlachtfeld von Shitagahara, falls das jemandem was sagt ;-). Heute ist es (wie wohl auch damals) ein Reisfeld. Reisfelder gibts noch ein paar mehr zu sehen: Wir fahren in die Berge und schlängeln uns in Serpentinen an bewaldeten Hängen hoch, um einen Ort namens senmaida (1000 [Zählwort für flache Gegenstände] Reisfeld) zu besichtigen . Reis baut man eigentlich sinnvollerweise in der Ebene an; dass man sich wie hier die Mühe macht, endlos viele kleine Terrassen zu bauen und diese zu bewässern , ist wohl eine Seltenheit, und Declan erzählt, dass vor geraumer Zeit etliche Bauern die undankbare Aufgabe an den Nagel gehängt haben. Aber inzwischen gibt es wieder mehr Reisfelder, denn man hat umgedacht und sich überlegt, dass senmaida ja vielleicht den ein oder anderen Touristen anziehen könnte. Daher gibts wohl auch ein paar Kirschbäume, denn die Kirschblüten sind für einen Japaner ja immer eine Reise wert. Declan setzt uns ganz oben ab und fährt mit dem Auto auf halbe Höhe nach unten, sodass wir einen schönen Spaziergang (in der Affenhitze) die Reisfelder hinunter machen können. Durch Zufall - ich habe gerade das Teleobjektiv an der Kamera und nichts besseres zu tun - fotografiere ich Annegret aus großer Entfernung just in dem Moment, als ihre Brille entzwei geht . Und ich wundere mich noch, warum sie gar so missmutig guckt, ist doch eigentlich ganz schön hier. Vorhin auf dem Weg nach senmaida haben wir übrigens an einer Tankstelle gehalten, und mir ist wieder ein kleiner Unterschied zwischen Japan und Deutschland aufgefallen: Die weitaus meisten Tankstellen hier sind mit Bedienung. Und zwar nicht so, wie ich es aus meiner Jugend von Opas Tankstelle in Erinnerung habe, sondern hier kümmern sich zwei bis drei uniformierte Mitarbeiter zackig um das Auto: Einer tankt, einer putzt liebevoll die Scheiben und die Außenspiegel, und ein dritter fragt, ob wir vielleiht irgendwelchen Müll haben, den er für uns wegwerfen darf. Das nenn ich Service. Man muss also mit seinem Hintern das Auto nicht einmal verlassen, um etwas wegzuwerfen. Nur aufs Klo muss man noch selber gehen. Auf dem Nachmittagsprogramm steht ein Tempel in den Bergen: Horaiji. Von hier soll man eigentlich das Meer sehen können, aber es gehört bei dem Dunst schon etwas Fantasie dazu . In der Tempelanlage selbst fällt unter anderem ein kleiner Platz ins Auge , auf dem etliche gleichartige Steinstatuen stehen, die jeweils einen Mönch und einen Buddha darstellen . Sie sollen an die früheren Klostervorstände erinnern: Für jeden ehemaligen Abt gibt es ein solches Denkmal. Manche tragen sogar Kleidung, na ja, eher so eine Art Lätzchen . Ansonsten stehen hier einige mächtig alte Gebäude, an denen schon kräftig der Zahn der Zeit beziehungsweise des Holzwurms nagt. [Aus Zeitmangel endet das Tagebuch hier. Anschließend ging es noch nach Takisanji .] |
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