Als heute um 6:30 der Wecker klingelt, geht es meiner Schulter
etwas besser. Jedenfalls habe ich eine Technik entwickelt, wie ich
mich fast schmerzfrei im Bett umdrehen kann, sodass ich bis 8:30
weiter schlafe. Nachdem ich ein bisschen am Rechner rumgedaddelt habe,
treffe ich auf dem Flur meinen Zimmernachbarn Patrick (aus San
Francisco) und verabrede mit ihm, um 10 gemeinsam zu Denny's zum
Frühstück zu gehen.
Im Spiegel unter der Dusche bemerke ich zunächst, dass ich
zwar keinen blauen, aber doch einen ziemlich großen gelblichen
Fleck an der Schulter habe. Dann stelle ich fest, dass bei bestimmten
Bewegungen irgendwas in meiner Schulter knackt. Es tut dabei zwar
nicht sehr weh, aber das ist mir jetzt doch irgendwie nicht geheuer,
zumal es einige bestimmte Bewegungen gibt, bei denen ich doch recht
intensive Schmerzen habe. Ich beschließe also, doch einen Arzt
aufzusuchen, aber erst nach dem Frühstück.
Ich schlage also die Vokabeln für Knochenbruch, vielleicht,
Röntgenbild, sich Sorgen machen... nach und radle nach dem
Frühstück zur Schule, weil es geheißen hat, dass im
Studentenbüro auch am Wochenende immer jemand sei, an den man
sich mit solchen Fragen wenden kann. Pustekuchen, alles verrammelt.
Declan kann ich auch nicht finden. Obon ist wohl doch was anderes als
ein normaler Sonntag. Also zurück ins Wohnheim. Dort studiere ich
in der Broschüre, die ich zur Begrüßung bekommen habe,
eine lange Liste mit Krankenhäusern und deren normalen
Sprechzeiten, um festzustellen, dass die einzige Abteilung, die
offiziell geöffnet hat, eine gynäkologische ist. Es gibt
eine Telefonnummer für Notfälle, unter der angeblich auch
Englisch gesprochen wird. Aber sooo ein schlimmer Notfall ist es ja
wohl doch nicht. Also warte ich doch noch mit dem Arztbesuch; die
Geschichte ist jetzt vier Tage her, da kann sie auch noch einen
fünften warten.
Ich bin den Rest des Tages ausgesprochen fleißig, lerne
mehrere Stunden lang, unterbrochen von gelegentlichen Anfällen
von Klavierspielen. Und ich nehme aus Verzweiflung noch einmal das
IP-Telefon in Betrieb, weil ich dringend mal länger mit meiner
Mutter telefonieren muss, um etwas zu besprechen. Und siehe da, es
funktioniert! Wenn dieses **$$%-Netz hier mal gerade läuft, dann
funktioniert neuerdings sogar IP-Telefonie über sipgate! Ich bin
begeistert. Im Laufe des Tages, immer mal wieder zwischen dem Lernen,
quatsche ich mit meiner Schwester und ein, zwei anderen Leuten und
freue mich, dass das nur 1,79 Cent pro Minute kostet und nicht die
etwa 150 Yen, die das Telefon im Wohnheim mir anscheinend
abknöpft.
Abends treffe ich Gary, und wir beschließen, Essen zu gehen.
Thomas und Annegret stoßen auch noch irgendwie dazu, und nach
einigem Hin und Her entscheiden wir uns, ein nahe gelegenes
Udon-Restaurant auszuprobieren. Die Speisekarte hat zwar Bilder , aber
ich kann mir trotzdem nur schwer vorstellen, was wohl wie schmecken
wird. Ordere daher Udon mit Tempura; da weiß ich wenigstens,
dass ich die Tempura wohl mögen werde.
In der Tat ist Udon nicht so mein Ding . Schmeckt irgendwie
merkwürdig. Ich esse zwar die Nudeln und das in der Suppe
außerdem herumschwimmende Ei sowie die Pilze und
Fleischstücke auf, trinke die Suppe aber nicht aus, denn sie
mundet mir nicht wirklich. Udon brauch ich wohl so schnell nicht
wieder; ich erinnere mich, dass eine meiner ersten schlechten
Erfahrungen beim Mittagessen ebenfalls Udon war, allerdings kalt und
abgepackt. Warm und frisch schmeckts mir also auch nicht.
Nachdem ich abends noch fast zwei Stunden lang über sipgate
gequatscht habe, tippe ich kurz vor Mitternach noch schnell diese
Zeilen ein und gehe schlafen. Nicht viel passiert heute, aber ich habe
immerhin meine kompletten Hausaufgaben gemacht, die ersten acht
Kapitel im Japanischbuch gelesen sowie an der dritten Gymnopedie
gearbeitet, die ich seit gestern spiele. Die zweite kann ich
mittlerweile ganz passabel. Und obwohl der Einsamkeitsanfall
überwunden ist, hat es doch gut getan, mal wieder
ausführlich mit Freunden in der Heimat zu quatschen. Das Internet
ist doch eine feine Sache.
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