15.8., Ein 08/15-Sonntag

Als heute um 6:30 der Wecker klingelt, geht es meiner Schulter etwas besser. Jedenfalls habe ich eine Technik entwickelt, wie ich mich fast schmerzfrei im Bett umdrehen kann, sodass ich bis 8:30 weiter schlafe. Nachdem ich ein bisschen am Rechner rumgedaddelt habe, treffe ich auf dem Flur meinen Zimmernachbarn Patrick (aus San Francisco) und verabrede mit ihm, um 10 gemeinsam zu Denny's zum Frühstück zu gehen.

Im Spiegel unter der Dusche bemerke ich zunächst, dass ich zwar keinen blauen, aber doch einen ziemlich großen gelblichen Fleck an der Schulter habe. Dann stelle ich fest, dass bei bestimmten Bewegungen irgendwas in meiner Schulter knackt. Es tut dabei zwar nicht sehr weh, aber das ist mir jetzt doch irgendwie nicht geheuer, zumal es einige bestimmte Bewegungen gibt, bei denen ich doch recht intensive Schmerzen habe. Ich beschließe also, doch einen Arzt aufzusuchen, aber erst nach dem Frühstück.

Ich schlage also die Vokabeln für Knochenbruch, vielleicht, Röntgenbild, sich Sorgen machen... nach und radle nach dem Frühstück zur Schule, weil es geheißen hat, dass im Studentenbüro auch am Wochenende immer jemand sei, an den man sich mit solchen Fragen wenden kann. Pustekuchen, alles verrammelt. Declan kann ich auch nicht finden. Obon ist wohl doch was anderes als ein normaler Sonntag. Also zurück ins Wohnheim. Dort studiere ich in der Broschüre, die ich zur Begrüßung bekommen habe, eine lange Liste mit Krankenhäusern und deren normalen Sprechzeiten, um festzustellen, dass die einzige Abteilung, die offiziell geöffnet hat, eine gynäkologische ist. Es gibt eine Telefonnummer für Notfälle, unter der angeblich auch Englisch gesprochen wird. Aber sooo ein schlimmer Notfall ist es ja wohl doch nicht. Also warte ich doch noch mit dem Arztbesuch; die Geschichte ist jetzt vier Tage her, da kann sie auch noch einen fünften warten.

Ich bin den Rest des Tages ausgesprochen fleißig, lerne mehrere Stunden lang, unterbrochen von gelegentlichen Anfällen von Klavierspielen. Und ich nehme aus Verzweiflung noch einmal das IP-Telefon in Betrieb, weil ich dringend mal länger mit meiner Mutter telefonieren muss, um etwas zu besprechen. Und siehe da, es funktioniert! Wenn dieses **$$%-Netz hier mal gerade läuft, dann funktioniert neuerdings sogar IP-Telefonie über sipgate! Ich bin begeistert. Im Laufe des Tages, immer mal wieder zwischen dem Lernen, quatsche ich mit meiner Schwester und ein, zwei anderen Leuten und freue mich, dass das nur 1,79 Cent pro Minute kostet und nicht die etwa 150 Yen, die das Telefon im Wohnheim mir anscheinend abknöpft.

Abends treffe ich Gary, und wir beschließen, Essen zu gehen. Thomas und Annegret stoßen auch noch irgendwie dazu, und nach einigem Hin und Her entscheiden wir uns, ein nahe gelegenes Udon-Restaurant auszuprobieren. Die Speisekarte hat zwar Bilder Foto dazu, aber ich kann mir trotzdem nur schwer vorstellen, was wohl wie schmecken wird. Ordere daher Udon mit Tempura; da weiß ich wenigstens, dass ich die Tempura wohl mögen werde.

In der Tat ist Udon nicht so mein Ding Foto dazu. Schmeckt irgendwie merkwürdig. Ich esse zwar die Nudeln und das in der Suppe außerdem herumschwimmende Ei sowie die Pilze und Fleischstücke auf, trinke die Suppe aber nicht aus, denn sie mundet mir nicht wirklich. Udon brauch ich wohl so schnell nicht wieder; ich erinnere mich, dass eine meiner ersten schlechten Erfahrungen beim Mittagessen ebenfalls Udon war, allerdings kalt und abgepackt. Warm und frisch schmeckts mir also auch nicht.

Nachdem ich abends noch fast zwei Stunden lang über sipgate gequatscht habe, tippe ich kurz vor Mitternach noch schnell diese Zeilen ein und gehe schlafen. Nicht viel passiert heute, aber ich habe immerhin meine kompletten Hausaufgaben gemacht, die ersten acht Kapitel im Japanischbuch gelesen sowie an der dritten Gymnopedie gearbeitet, die ich seit gestern spiele. Die zweite kann ich mittlerweile ganz passabel. Und obwohl der Einsamkeitsanfall überwunden ist, hat es doch gut getan, mal wieder ausführlich mit Freunden in der Heimat zu quatschen. Das Internet ist doch eine feine Sache.

 

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©2004 by Harald Bögeholz