3.8., benkyooshinakerebanarimasen (man muss studieren)

Seit gestern habe ich irgendwie Heimweh; insbesondere durch den harten Stoff im Unterricht bin ich gerade irgendwie nicht mehr scharf auf noch mehr neue Eindrücke. Zum Frühstück gibts daher Rührei mit Schinken und Toast Foto dazu. Aber nicht mit amerika no koohii, das ginge dann doch zu weit. Heute muss ich zur Abwechslung mal nur die neuen Vokabeln wiederholen, schaffe die Hausaufgaben also mit Links nach dem Frühstück. Leider stellt sich im Laufe des Unterrichts heraus, dass ich nicht bemerkt habe, dass die Rückseite des zusammengefalteten DIN-A3-Blatts auch voller Aufgaben gewesen wäre. Mist, dann darf ich die jetzt heute nachholen.

Auf dem Weg zur Schule werde ich an den letzten drei Kreuzungen wieder von freundlichen Yamasa-Angestellten über die Straße gewunken Foto dazu. Das ist ja cool, da kann man sorglos einfach ohne zu bremsen über die Kreuzungen brettern, den netten Schülerlotsen ein ohayo gozaimasu entgegenschmettern und braucht sich keine Sorgen über den Verkehr zu machen.

Der Unterricht ist hammerhart. Wie anhand der Hausaufgaben schon vermutet, werden einige neue grammatische Formen einfach vorausgesetzt. Völlig erledigt beschließe ich daher mittags, den Heimweh-Tag fortzusetzen, und statt Sushi oder Ramen lasse ich mir von Mike in der Zig-Zag-Bar ein Sandwich machen.

Ich bin mir nicht sicher, ob das beabsichtigt ist, aber dadurch, dass wir Lektion 19 vor 17 und 18 gemacht haben, fehlt von 17 irgendwie die Form, um eine Verpflichtung auszudrücken. Diese kommt aber in den Hörübungen am Nachmittag gnadenlos dran und ist ausgerechnet die komplizierteste von allen.

Ein Beispiel: Aus haraimasu (bezahlen) wird harawanakerebanarimasen (man muss bezahlen). Der ganze Rattenschwanz nakerebanarimasen ist bei allen Verben gleich und lediglich schwierig auszusprechen. Aber aus dem i in haraimasu wird ein wa - aus anderen Silben bei anderen Verben würde was anderes. Das Ganze hat zwar ein System, das ich im Prinzip mit genügend Zeit und Papier und Bleistift beherrsche. Aber in Echtzeit scheint es mir so gut wie unmöglich, und selbst, wenn ich es mir vorher aufschreibe, brauche ich drei Anläufe, um dieses Ungetüm fehlerfrei auszusprechen. Es tröstet mich nur ein kleines Bisschen, dass selbst die JET-Teacher, die schon seit einem Jahr in Japan leben, Schwierigkeiten mit der Aussprache haben. Immerhin haben wir viel zu lachen, weil sich alle andauernd verhaspeln.

Nach dem Unterricht schwirrt mir der Kopf so, dass ich meine Gedanken erst einmal an einem 9 × 9-Gitter ausrichten möchte. Ich gehe in die Zig-Zag-Bar, um mit dem Barkeeper Mike Go zu spielen. Eigentlich wollte ich Apfelsaft trinken, aber ich betrachte es als Wink des Schicksals, dass der ausgerechnet heute alle ist und bestelle mir doch ein Bier. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich mir das jetzt verdient habe. Wir spielen Go, bis Mike die Bar um 17 Uhr dicht macht (Montags bis Mittwochs nur 11 bis 17 Uhr, wir sind schließlich nicht zum Saufen, sondern zum Lernen hier).

Ich falle in meinem Wohnheimzimmer auf mein Bett und wache um 19 Uhr mit knurrendem Magen wieder auf. Heute kann ich meine Hausaufgaben bestimmt nicht auf nüchternen Magen machen. Getreu dem Vorsatz, heute möglichst mal keine neuen Eindrücke mehr zu sammeln, gehe ich wieder zu Denny's. Das Steak sieht lecker aus, aber das gleiche Essen zweimal, das ginge ja nun doch zu weit. Daher sollens heute mal Spaghetti sein; auf dem Bild sehen sie sehr lecker aus, mit irgendwelchem Gemüse drin und (Parma?) Schinkenscheiben drauf. Da kann man ja wohl nichts falsch machen.

Pustekuchen! Die Spaghetti sind nicht warm, sondern eisgekühlt. Und obendrauf etwas, das ich zunächst für eine Art Kartoffelpüree halte. Es entpuppt sich als - tja, wie beschreib ich das - Petersilien-Eis? Es ist so eine Art Salatdressing in Eis-Form, ganz leicht süßlich. Schmecken tuts übrigens hervorragend, aber es ist wieder mal ein völlig neues Geschmackserlebnis. Da geht man einmal ohne Kamera aus dem Haus, weil man den festen Vorsatz hat, keine neuen Eindrücke zu sammeln, und dann sowas!

Die Hausaufgaben ziehen sich endlos hin; um 23:30 verlier ich die Lust und gehe rüber zum Bierautomaten. Fehlanzeige! An allen Fächern leuchtet in Kanji etwas auf, das ich als das Symbol für gibts grad nicht wiederzuerkennen glaube. Aber es kann doch nicht sein, dass jemand beide Bierautomaten und den Zigarettenautomaten gleichzeitig leer gemacht hat! (Wieder ist die Kamera zu Hause, denn ich hatte nicht mit neuen Eindrücken gerechnet :-(.)

Ich studiere die Aufschrift des Automaten, und nach einer Weile dämmert es mir: <Kanjikanji (Nacht?)> 11 <Kanji für Uhrzeit/Stunde> kara <Kanjikanji> 5 <Kanji für Uhrzeit/Stunde> made <Kanjikanji...> <Kanji für gibtsgradnich> <Kanjikanji...> shimasu. Von 23 bis 5 Uhr also kein Bier. Dann trinke ich halt als Schlaftrunk ein bisschen von dem japanischen Sake, den ich am Wochenende gekauft habe.

Während ich diese Zeilen schreibe, bin ich schon ziemlich schlapp, daher wird das Ganze heute mal nicht so lang. Aber eines fällt mir noch auf: Heute kann ich anscheinend kostenlos telefonieren. Jedenfalls habe ich gerade 10 Minuten lang meine Mutter angerufen und mich dabei gewundert, dass die sonst dort eingeblendete Anzeige mit dem Restbetrag fehlt. Und tatsächlich: Nach Ende des Gesprächs hat sich das Guthaben auf meiner Prepaid-Karte nicht vermindert. Na das ist ja nicht schlecht; ob das immer nach 23 Uhr so ist? Ich werde es gelegentlich rausfinden.

 

(Gästebuch außer Betrieb)     Inhaltsverzeichnis     weiter >


©2004 by Harald Bögeholz