27.7., Umzug ins Studentenwohnheim

Heute gibts das letzte Mal Frühstück im Hotel Foto dazu, das ich pünktlich um 7 einnehme, um möglichst viel Zeit für die Hausaufgaben zu haben. Wenn ich nur flüssiger lesen und schreiben könnte! Es geht im Prinzip ja schon, dauert nur ewig, und ich muss andauernd Wörter nachschlagen, weil ich sie mir einfach nicht schnell genug merken kann.

Um 8:20 schlepp ich mein Gepäck rüber ins Studentenbüro, hocke mich ins Klassenzimmer und bastle an den Hausaufgaben weiter. Ich schaffe sie fast ... es bleiben nur einige wenige Kästchen leer. Puh! Der Unterricht ist hammerhart wie gestern, macht aber einen Riesenspaß. Es geht alles immer ein bisschen zu schnell, aber anders als in einer Mathematikvorlesung, wo man irgendwann abgehängt wird und dann wars das, sammelt der Lehrer einen immer wieder auf und zieht einen weiter. Da sich die Lerneinheiten ca. im 10-Minuten-Takt abwechseln, dauern gelegentliche Phasen von Unverständnis nie länger als ein paar Minuten. Und sind ohnehin selten; irgendwas kriegt man immer mit. Wie zu erwarten war, habe ich überhaupt kein Problem mit Grammatik; das leuchtet mir alles sofort ein. Was fehlt, sind Vokabeln, Vokabeln, Vokabeln. Und Übung im fließenden Lesen und Schreiben.

Zum Mittagessen probier ich chaashuumen - praktisch, dass es von den Essen eine Plastik-Vorschau in einer Vitrine gibt Foto dazu. Der einzige für mich erkennbare Unterschied zum ramen von gestern ist, dass etwas mehr Fleisch dabei ist und es etwas mehr kostet Foto dazu. Ansonsten schmeckts mir ausgesprochen gut.

Nach der Schule treffe ich Adele, die nach wie vor ganz heiß auf Go ist. Sie wohnt in einem Zweier-Apartment, ist aber im Moment allein dort und schlägt vor, dass ich sie dort besuchen komme. Wir verabreden uns im Mini-Stop Foto dazu; das ist ein rund um die Uhr geöffneter kleiner Supermarkt direkt neben dem Studentenwohnheim. Sicherheitshalber erst um 17 Uhr; wer weiß, wie lange der Umzug dauert.

Jemand vom Studentenbüro fährt mich mitsamt meinem Gepäck rüber zum Student Village, erklärt mir, wo ich hier meine Schuhe abzustellen habe, zeigt mir mein Zimmer und sagt mir, ich solle hier auf den Hausmeister warten. Ich nutze die Zeit, um mein Notebook auszupacken, die Netzwerk-Steckdose zu testen Foto dazu (funktioniert, juhuu, Internet auf dem Zimmer) und mein Gepäck auszupacken. Als dann immer noch niemand kommt, mache ich einen kleinen Rundgang und fotografiere ein bisschen. Wenn ich das so mit Studentenwohnheimem vergleiche, wie ich sie aus Deutschland in Erinnerung habe, so ist es doch recht luxuriös. Aber natürlich nicht ganz so sauber und aufgeräumt wie ein Hotel, das war ja klar.

Um zwanzig vor fünf - ich sitz hier mittlerweile fast anderthalb Stunden rum, so viel zum Thema chotto matte, warte mal kurz - fasse ich mir ein Herz und wähle die Nummer des Hausmeisters. Es stellt sich heraus, dass es eine Frau ist, und sie fragt mich, was ich wolle. Ich stottere auf Japanisch, das ich neu hier angekommen bin. Ja und, was ich denn wolle? Ich habe noch nicht die Grammatik und die Vokabeln parat, um ihr zu sagen, dass ich ja nur deswegen anrufe, weil mir jemand sagte, ich solle auf sie warten, und ich nun darauf warte, dass sie vielleicht irgendetwas von mir will ... Zum Glück fällt mir ein, dass ich noch keine Karte für das Telefon hier habe, um nach draußen zu telefonieren. terefonkaado auf Japanisch; dass sie so viele Lehnwörter aus dem Englischen haben, ist echt praktisch. Das spült einem mühelos ein recht großes Vokabular ans Land, sobald man sich an die japanische Aussprache gewöhnt hat.

(arubaito ist übrigens ein Lehnwort aus der deutschen Sprache und heißt Nebenjob ;-). Jennifer, die schon länger in Japan lebt, hat mir irgendwann erzählt, dass sie besondere Schwierigkeiten hatte, sich an die Lehnwörter zu gewöhnen, weil die Japaner sie eben in ihre Sprache integriert haben und es keine englischen Wörter mehr sind. maikaa (von "my car") bedeutet ein eigenes, persönliches Auto. Und der Japaner spricht dann eben nicht nur von seinem maikaa, sondern auch von deinem oder anderer Leute maikaa, was für eine Amerikanerin, die bei maikaa immer "my car" hört, sicherlich irritierend ist. Wie jetzt: dein mein Auto? Dein oder mein Auto?)

Nachdem ich verstanden habe, dass ich mich für eine Telefonkarte an Iijima san wenden muss, lege ich auf. Wenige Minuten später steht die Hausmeisterin (den Namen habe ich schon wieder vergessen, verflixt) vor der Tür, um mich herumzuführen. Aha, es war also doch einfach nur ein Kommunikationsproblem.

Die erste Erkenntnis ist, dass die meinem Zimmer nächstgelegene Toilette das Damenklo ist. Oops, hat aber trotzdem funktioniert ;-). Genau genommen ist das ganze obere Stockwerk eigentlich für Frauen, das untere für die Männer (deshalb stehts am Klo auch nicht dran beziehungsweise ist nur drei Meter weiter den Gang entlang an den Duschen ein winiziges Symbol). Aus Platzmangel haben sie mich aber zu den Mädchen gesteckt, wie passend *g*. Ich bin aber nicht der einzige, es wohnen wohl noch zwei Jungs hier oben. Ansonsten gibts Aufenthaltsräume Foto dazu Foto dazu, Küchen Foto dazu, Mülleimer Foto dazu, Computer Foto dazu, Münzwaschmaschinen, ein Klavier Foto dazu, ... und Regeln. Jede Menge Regeln (siehe Fotos Foto dazu). Damit das hier auch ein anständiges Zusammenleben wird.

Ich beschließe ziemlich schnell, dass ich mir Schlappen kaufen muss, denn barfuß laufen ist doof, und so super sauber ist es wie gesagt auch nicht. (Dorothee hats gleich gesagt :-) )

Jetzt aber los, Adele treffen. Direkt neben dem Wohnheim ist wie gesagt ein "Mini Stop", ein convenience store, der rund um die Uhr geöffnet hat. Ich beschließe, dass dies Foto dazu für die Dauer meines Aufenthalts mein selbstnachfüllender Kühlschrank ist. Nur Bier gibts dort keins, aber auf dem Weg zu Adele sehe ich wenige Häuser weiter einen Schnapsladen. Ich glaub, ich schrieb es schon, aber es ist einfach unglaublich nützlich, Katakana lesen zu können. Sonst wär ich an dem Leuchtschild biiru womöglich vorbeigegangen, ohne seine Bedeutung für meinen Alltag wahrzunehmen.

Wer immer eine Japan-Reise plant: Unbedingt vorher Katakana lernen, es lohnt sich garantiert! Und zwar, weil eben genau die Lehnwörter in Katakana geschrieben werden, die man mit etwas Übung erraten kann. Hiaragana ist dagegen für die echt japanischen Wörter und die grammatischen Endungen, und Kanji sind ein weites Feld, also braucht man den Kram nur, wenn man ernsthaft Japanisch lernen will ... aber wenn man auch sonst kein Wort Japanisch kann, erschließen sich einem mit Katakana so wichtige Dinge wie ramen (ist wohl ein ursprünglich chinesisches Gericht, daher mit Katakana geschrieben), biiru und die Frage, ob man an der Kaffeemaschine seinen Kaffee schwarz oder mit Milch will.

Adeles Apartment ist auch ganz nett (ich vergesse komischerweise, Fotos zu machen). Wir basteln gemeinsam ein Passepartout, um aus dem ohnehin schon winzigen Magnet-Go ein 9 × 9-Brett zu machen. Sie denkt viel nach und stellt sich sehr geschickt an; interessant Foto dazu. Gegen Sonnenuntergang geh ich nach Hause, versuche, noch ein bisschen zu lernen, verliere aber schnell die Lust und gehe ins Bett. Bzw. auf den Futon. Ist gar nicht ganz so hart, wie er aussieht ... und das Kissen ist mit Reis oder etwas Ähnlichem gefüllt.

Irgendwie war gar keine Zeit für das Tagebuch; Mist, jetzt bin ich einen Tag hinterher. Und die Internet-Verbindung hier im Wohnheim ist leider sehr wechselhaft. Mal geht sie, mal geht sie überhaupt nicht. Besser als gar kein Internet, aber unglaublich lästig, wenn man versucht, eine aus ganz vielen Einzeldateien bestehende Fotogalerie hochzuladen und man dann vor einem Trümmerhaufen abgebrochener Uploads steht. Ich müsste mir mal eine vernünftige Software dafür besorgen, dieses Filezilla bringts irgendwie nicht wirklich . Verflixt und zugenäht, irgendwie ist jetzt alles durcheinander; ich krieg die vier Bilder, die ich vergessen hatte, einfach nicht in die Galerie rein. Da ich diese Zeilen am übernächsten Morgen vor der Schule schreibe und keine Zeit mehr habe, muss ich die Baustelle leider jetzt so lassen, wie sie ist :-(.

 

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©2004 by Harald Bögeholz